Meldung 16. Mai 2023

Die finanziellen Herausforderungen der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind offenkundig. Wie die Bundespolitik ihnen begegnet, ist unzulänglich – darin waren sich Vertreter von GKV, PKV, Landespolitik und Wissenschaft auf einer Veranstaltung einig. Gebraucht werden nachhaltige Reformen.

Wie lässt sich eine generationengerechte Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung langfristig sicherstellen? Auf Einladung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) diskutierten darüber Vertreter der Gesetzlichen sowie der Privaten Krankenversicherung mit Politik und Wissenschaft. „Wir stehen vor der Insolvenz der sozialen Sicherungssysteme“, befand der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek, und warnte davor, die Einnahmen nur durch aufeinander folgende kurzfristige Maßnahmen zu verbessern. „Das geht immer so weiter“, sagte der Minister: „Bald müssen die nächsten Löcher gestopft werden. Das ist nicht vorausschauend im Sinne einer soliden Finanzplanung.“

Wie wichtig es ist, Leistungen solide zu finanzieren, betonte Volkswirt Professor Thiess Büttner. So sieht etwa der Entwurf für ein Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz neue Leistungen in der Pflegeversicherung vor – ohne zu erklären, woher die notwendigen Gelder kommen. Nicht sinnvoll sei es Bundeszuschüsse zu verwenden, um Defizite in den Sozialversicherungen zu decken, sagte Büttner. Es gebe Alternativen zu Steuermitteln und auch zu höheren Beiträgen: Büttner selbst ist Mitglied des vom PKV-Verband eingesetzten Expertenrats „Pflegefinanzen“, und stellte kürzlich mit seinen Kolleginnen und Kollegen das Konzept einer kapitalgedeckten und generationengerechten „Pflege+-Versicherung“ vor.

Der Wirtschaft drohen höhere Lohnnebenkosten

Die vbw fordert Ausgaben- und Strukturreformen, um dauerhaft eine qualitativ hochwertige Gesundheits- und Pflegeversorgung zu garantieren und eine generationengerechte Finanzierung sicherzustellen. „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, drohen erhebliche Beitragssprünge und in der Konsequenz höhere Lohnnebenkosten“, warnte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden und könne ein gravierender Standortnachteil sein. Auch von einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie jüngst SPD- und Grünen-Politiker forderten, rät Brossardt vehement ab: „Das wäre nichts anderes als eine Sondersteuer auf den Faktor Arbeit.“

Die Beitragszahler sollten nicht zur Deckung der Finanzierungslücken in der Gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden, sagte Markus Grunenberg, Leiter Stabsbereich Politik beim GKV-Spitzenverband. Stattdessen müssten die vorhandenen Effizienzreserven in der GKV gehoben werden. „Hier sollten wir erstmal die Hausaufgaben auf der Ausgabenseite machen, bevor wir zusätzliche Belastungen von Beitragszahlern zu diskutieren“, so Grunenberg. 

PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther wies auf eine der wesentlichen Ursachen für die gegenwärtigen Finanzprobleme der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hin: „Die zentrale Herausforderung für die Gesetzliche Krankenversicherung ist die demografische Entwicklung.“ Sie belaste das Umlageverfahren. „Gegen Demografie hilft nur ein Verfahren“, so Reuther weiter: „Und das heißt Kapitaldeckung.“