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Beim Zugang zu innovativen Arzneimitteln profitieren PKV-Versicherte von einer weniger regulierten Erstattungspraxis, erläutert Dr. Frank Wild, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP), im Interview.

07.07.2021

Herr Dr. Wild, wie gut ist Deutschland im internationalen Vergleich mit innovativen Arzneimitteln versorgt?

Die Versorgung und vor allem der Zugang zu innovativen Medikamenten ist selbst innerhalb Europas sehr unterschiedlich. Deutschland liegt jedoch weit vorn: Die Zeitspanne zwischen der Zulassung eines Medikaments durch die europäische Zulassungsbehörde EMA und der Verfügbarkeit auf dem nationalen Markt ist nirgendwo so gering wie bei uns. Das WIP hat dies einmal speziell für die onkologischen Medikamente untersucht: Diese stehen Krebspatientinnen und -patienten in Deutschland bereits durchschnittlich 82 Tage nach der europäischen Zulassung zur Verfügung. In den Niederlanden dauert es 163 Tage, im Nicht-EU-Land Schweiz 309 Tage. Der EU-Durchschnitt liegt sogar bei 445 Tagen. Dazu passt auch, dass in keinem anderen europäischen Land so viele neue onkologische Medikamente verfügbar sind wie in Deutschland.

Gibt es Unterschiede in der Nutzung neuer Präparate zwischen gesetzlich und privat Krankenversicherten?

Privatversicherte werden überproportional mit neuen Medikamenten versorgt – dafür liefern unsere WIP-Studien zur Arzneimittelversorgung sehr gute Hinweise. In unserer aktuellen Auswertung hatten wir uns alle Medikamente angeschaut, die in den Jahren 2012 bis 2018 das gesetzliche Preisregulierungsverfahren – den sogenannten AMNOG-Prozess – durchliefen. Auch vier Jahre nach der Einführung neuer Medikamente lag der durchschnittliche PKV-Marktanteil hier noch bei 13,6 Prozent, also deutlich über dem Anteil der Privatversicherten an der Bevölkerung von 11 Prozent.

Welche Ursachen gibt es dafür?

Die regulatorischen Rahmenbedingungen unterscheiden sich wesentlich. Bei Privatversicherten gilt das Prinzip der ärztlich-medizinischen Therapiefreiheit, nach dem Arzt und Patient ein angemessenes und wirksames Arzneimittel in der zur Lebenssituation passenden Darreichungsform auswählen können. In der Verordnungspraxis bei GKV-Versicherten spielen auch ökonomische Entscheidungskriterien eine wesentliche Rolle. Es wirken hier eine Vielzahl von Steuerungsinstrumenten, wie Verordnungsquoten und regionale Sanktionsmechanismen. Da bei neuen Medikamenten diese Instrumente noch angepasst werden, verhalten sich Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung an GKV-Versicherte in den ersten Jahren meist abwartend. Zudem sind neue Medikamente in der Regel auch teurer als ältere Präparate, so dass ökonomisch motivierte Steuerungen eher greifen.


Warum medizinische Innovationen in der Privaten Krankenversicherung teilweise deutlich früher ankommen als in der Gesetzlichen Krankenversicherung, lesen Sie im PKV-Rechenschaftsbericht 2020/21 (auch als Smart-PDF).