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Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), schätzt das duale Gesundheitssystem. Durch ein Einheitssystem erwartet er höhere Lohnzusatzkosten – und die belasten schon jetzt das beschäftigungsintensive Handwerk.

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06.07.2021

Herr Wollseifer, im zweiten Jahr der Pandemie beschäftigt uns Corona ja immer noch sehr stark. Welche Auswirkungen stellen Sie im Handwerk fest?

Die Situation im Handwerk ist sehr unterschiedlich im Moment. Wenn wir zurückblicken auf das vergangene Jahr, dann haben viele Handwerksbereiche sehr stark unter den Pandemieeinwirkungen gelitten: die Messebauer und Veranstaltungstechniker zum Beispiel, aber auch Gebäude- und Textilreiniger oder Kfz-Betriebe, die zwar in ihren Werkstätten arbeiten, aber nicht verkaufen konnten. Wir wären sehr froh, wenn wir jetzt belastbar und planbar in die Zukunft gehen können – und da gibt es ja auch Licht am Ende des Tunnels.

Das Handwerk verfügt über viele qualifizierte Mitarbeiter, die einen guten Lohn wollen. Entsprechend sind die Lohnzusatzkosten und die Zukunft der Sozialversicherungssysteme für Sie ein großes Thema …

Wir sind lohnabhängig; wir sind sehr stark dienstleistungsorientiert und beschäftigungsorientiert. In unseren Kalkulationen haben wir einen Lohnanteil von bis zu über 80 Prozent. In der chemischen Industrie oder der Autoindustrie kalkuliert man mit sieben bis acht Prozent. Das zeigt, wo das Problem liegt: Gehen die Sozialabgaben hoch, sinkt das Nettogehalt unserer Mitarbeiter – und das Einkommen der Betriebe. Da sind wir bereits an einer absoluten Schmerzgrenze.

Was heißt das für unser Gesundheitssystem, also den Dualismus von PKV und GKV?

PKV auf der einen und GKV auf der anderen Seite haben eine Existenzberechtigung – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft. Wir brauchen diesen Wettbewerb. Die PKV bringt sich in einem überproportionalen Umfang in die Finanzierung des Gesundheitssystems ein – und das brauchen wir. Viele denken, durch eine Bürgerversicherung bekommen wir mehr Beitragszahler ins System. Ja – aber wir bekommen auch mehr Leistungsempfänger. Das neutralisiert sich nicht nur, das stellt uns vor eine entscheidende weitere Aufgabe: Die Kosten werden höher, und zwar wesentlich höher für den Einzelnen.

Als Arbeitgeber haben Sie die Möglichkeit, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Angebote zu machen, die die klassischen Sozialversicherungen ergänzen –zum Beispiel eine betriebliche Krankenversicherung. Ist das die Zukunft?

Wir sind auf die Handarbeit und auf das Köpfchen der Leute angewiesen, auch in Zukunft. Es wird daher wichtiger werden, den Mitarbeitern entsprechende Angebote zu machen. Eine betriebliche Krankenversicherung oder eine betriebliche Zusatzpflegeversicherung: Das sind Themen der Zukunft.

Die Chemiebranche hat jetzt flächendeckend das Angebot einer betrieblichen Pflegezusatzversicherung eingeführt. Planen Sie so etwas auch für das Handwerk?

Als Zentralverband des Deutschen Handwerks können wir den Betrieben eine Zusatzpflegeversicherung empfehlen, wir können sie ihnen nahelegen. Ich glaube, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Handwerk dafür sehr aufgeschlossen sind, dass der Gedanke der sozialen Absicherung immer mehr in den Fokus gerät – auch in der jüngeren Generation.