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Während es immer mehr Pflegebedürftige gibt, nimmt die Zahl der erwerbsfähigen Beitragszahler ab. Dadurch gerät die umlagefinanzierte Soziale Pflegeversicherung weiter in die Schieflage. Gleichzeitig steigen die Eigenbeiträge. Für beides gibt es nachhaltige Reformkonzepte.

Ein nachhaltiger Lösungsansatz liegt in einer stärkeren kapitalgedeckten Finanzierung, wie sie in der Privaten Pflegeversicherung bereits praktiziert wird. Dort fließt ein Großteil der Beiträge in eine sogenannte Nachhaltigkeitsreserve. Rücklagen und Zinserträge sichern die Pflegeleistungen langfristig – unabhängig von der demografischen Entwicklung. Das entlastet nicht nur die Versicherten dort, sondern verringert zugleich den Druck auf das umlagefinanzierte System der Sozialen Pflegeversicherung (SPV).

Denn das bisherige Umlageverfahren stößt mit der Alterung der Gesellschaft zunehmend an seine Grenzen: Immer weniger Beitragszahler müssen die Kosten für eine wachsende Zahl Pflegebedürftiger tragen. Ohne strukturelle Reformen wird die finanzielle Last in der SPV weiter steigen – mit spürbaren Folgen für die junge Generation, die Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt.

Die neue Bundesregierung hat die Dringlichkeit des Problems erkannt: „Die strukturellen langfristigen Herausforderungen werden mit einer großen Pflegereform angehen“, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die Grundlagen dieser Reform soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Laufe des Jahres 2025 entwickeln. Dabei sollen explizit auch die Punkte „Nachhaltigkeitsfaktoren“ und „Anreize für eine eigenverantwortliche Vorsorge“ geprüft werden.

Pflegereformen haben bis jetzt Finanzprobleme verschärft

Fest steht, dass die Reformen der vergangenen Jahre mit ihren Leistungsausweitungen die Finanzprobleme sogar noch verstärkt haben. Hinzu kommt, dass viele der in der Vergangenheit diskutierten Ideen einen Ausgabenboom auslösen würden. Ob eine Pflege-Vollversicherung oder eine Deckelung der Eigenanteile: Dies alles würde den Kosten- und Beitragsdruck der Pflegeversicherung massiv erhöhen, die Jüngeren noch stärker belasten und zusätzlich den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. Die Zuschläge der gesetzlichen Pflegeversicherung zu den Eigenanteilen in Pflegeheimen entwickeln sich bereits jetzt zu einer der teuersten Sozialreformen der vergangenen Jahre. Das geht aus einer aktuellen Studie des IGES-Instituts hervor.

Ohne Kurswechsel droht eine Kostenexplosion

Wie dramatisch die Lage ist, zeigen aktuelle Zahlen von Professor Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Rat der Wirtschaftsweisen“). Demnach wird der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung ohne Reformen bis 2035 einen Höchststand von 47,5 Prozent erreichen. Im Jahr 2050 wird der Wert nach Werdings Berechnungen sogar bei 52,9 Prozent liegen.

Besonders bitter: Die Kosten der sozialen Sicherung müssen in unserer alternden Gesellschaft immer stärker von der jungen Generation getragen werden. Kinder, die heute eingeschult werden, müssen durchschnittlich 55,6 Prozent ihres späteren Erwerbseinkommens an Sozialabgaben zahlen. Zum Vergleich: Bei Personen, die im Jahr 1960 zur Welt gekommen sind, sind es 39,4 Prozent. Unter den steigenden Sozialabgaben leiden indes nicht nur die Versicherten, sondern auch die Wirtschaft. Denn die Arbeitgeber kofinanzieren sie über immer höhere Lohnzusatzkosten. Die Folge sind zunehmende Wettbewerbsnachteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Zukunftsstrategie Pflegefinanzierung

Angesichts der demografischen Herausforderungen ist ein Paradigmenwechsel in der Pflegefinanzierung unumgänglich. Nachhaltigkeit erfordert mehr kapitalgedeckte Vorsorge und stärkere individuelle Verantwortung. Bereits jetzt liegen richtungsweisende Modelle zur Umsetzung bereit:

„Neuer Generationenvertrag" für die Pflege

Mit dem „Neuen Generationenvertrag für die Pflege“ legt der Verband der Privaten Krankenversicherung ein Konzept vor, mit dem die Pflegeversicherung in Deutschland langfristig stabil und generationengerecht finanziert werden kann. Hauptziel ist es, den Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) zu senken. Damit wird zum einen die steigende Verschuldung zulasten der jungen Generation verhindert und zum anderen werden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer finanziell entlastet.

Dies wird erreicht, indem die Pflegeleistungen auf dem heutigen Niveau festgeschrieben werden. Versicherte müssen somit künftig stärker privat für das Pflegerisiko vorsorgen. Je jünger sie sind, desto leichter wird ihnen dies fallen. Für die private Vorsorge gibt es ein breites Angebot bezahlbarer Pflegezusatzversicherungen. Ältere werden im Pflegefall auf angespartes Vermögen zurückgreifen müssen – und die meisten können dies auch, wie aktuelle Studien zeigen. Optional könnte die gesetzliche Pflegeversicherung für die ältere Bevölkerung und bereits Pflegebedürftige einen Anteil der steigenden Pflegekosten übernehmen.

Besonders die junge Generation würde vom PKV-Vorschlag profitieren: Da der SPV-Beitragssatz mit dem „Neuen Generationenvertrag für die Pflege“ sinkt, bleibt mehr Spielraum für die eigenverantwortliche Vorsorge. So können sich jüngere Menschen zukünftig sogar eine vollständige Absicherung der Pflegekosten leisten – bei einer vergleichbaren finanziellen Belastung wie im Status quo, der zwangsläufig immer weiter steigende SPV-Beiträge bei gleichzeitig steigenden Eigenanteilen im Pflegefall bedeutet.

Ein neuer Generationenvertrag für die Pflege

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Die Pflege+ Versicherung

Der vom PKV-Verband initiierte unabhängige Experten-Rat „Pflegefinanzen" hat 2023 einen konkreten, schnell in die Praxis umsetzbaren Vorschlag für die Absicherung der pflegebedingten Kosten im Heim vorgelegt. Wichtigster Bestandteil des Vorschlags: Die Eigenanteile an den Pflegekosten werden generationenegerecht im Kapitaldeckungsverfahren und nicht im Umlageverfahren finanziert.

Kernelemente der Pflege+ Versicherung

  • Einführung einer obligatorischen, kapitalgedeckt finanzierten Zusatzversicherung verknüpft mit einem Annahmezwang für die Versicherungsunternehmen (ohne individuelle Gesundheitsprüfung und ohne Vertriebsprovision). Die Kalkulation enthält eine automatische Dynamisierung zur Inflationssicherung, Kinder sind beitragsfrei versichert, Rentner zahlen nur den halbierten Beitrag.
  • Versichert sind die beim Pflegebedürftigen verbleibenden pflegebedingten Eigenanteile im Pflegeheim – bis auf einen Selbstbehalt von 10 Prozent.
  • Die Beiträge zur Pflege+ Versicherung sind paritätisch finanziert. Zum Startzeitpunkt im Jahre 2023 hätten die Beiträge zu Pflege+ rechnerisch bei rund 39 Euro pro Monat für das Einstiegsalter von 20 Jahren und rund 52 Euro für über 45-Jährige (bis zum Rentenalter) gelegen. Zurzeit nimmt der Experten-Rat bis zum Sommer 2025 eine kalkulatorische Neuberechnung von Pflege+ zum Startzeitpunkt 2026 vor.

Der Vorschlag für die Pflege+ Versicherung bezieht sich auf die stationäre Pflege, weil dort die höchsten Eigenanteile auf die Versicherten zukommen. Auch für die Pflege im häuslichen Bereich hält der Experten-Rat eine ergänzende Absicherung für individuelle Zusatzversicherungen für sinnvoll. Anders als für die Unterbringung im Pflegeheim sei hier aber eine freiwillige Lösung zu favorisieren.

Abschlussbericht: Pflege+ Versicherung stationär

Kurzfassung: Pflege+ Versicherung stationär

Individuelle Vorsorge gezielt fördern

Schon heute kann jeder die drohende Finanzierungslücke der gesetzlichen Pflegeversicherung mit einer Zusatzversicherung abdecken. Das ist günstiger, als viele denken. Darauf weist auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrem Positionspapier zur Pflege hin: „Insbesondere die junge Generation kann bereits durch geringe Beiträge ein späteres Pflegerisiko im Alter finanziell absichern." Bestätigt wird das durch eine Erhebung der Rating-Agentur Assekurata.

Es wäre konsequent, Arbeitnehmern eine Entgeltumwandlung als Durchführungsweg für die betriebliche Pflegeversicherung zu ermöglichen, so wie sie sich in der betrieblichen Altersvorsorge bewährt hat.

Pflegevorsorge ist ein unabdingbarer Bestandteil der persönlichen Altersvorsorge. Um die wichtige Vorsorge für den Pflegefall breiter in der Gesellschaft zu verankern, sollten daher Aufwendungen zur Absicherung der Pflegelücke im Steuerrecht als eigenständiger Fördertatbestand Berücksichtigung finden:

  • im Rahmen von tarifvertraglichen betrieblichen Pflegeversicherungen, wie z.B. in der 
    Chemieindustrie,
  • im Rahmen von freiwilligen Beitragszahlungen des Arbeitgebers für ein betriebliches 
    Pflegemonatsgeld,
  • als individuelle Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (dann auch im bestehenden Rechtsrahmen nicht nur steuer-, sondern auch sozialabgabenfrei).
  • Zudem sollten Pflegezusatzversicherungen generell im Rahmen der Einkommensteuererklärung – wie die Beiträge zur Krankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung auch – steuerlich abzugsfähig sein, um so auch Menschen ohne betriebliche Anbindung (z.B. Selbständige) die existenziell notwendige Pflegevorsorge zu erleichtern.

Initiative generationengerechte Pflege

Für eine zukunftsfeste Reform der Pflegeversicherung setzt sich die „Initiative generationengerechte Pflege" (IGP) ein. Das Bündnis aus zentralen gesellschaftlichen Akteuren hat ihre Ziele in einem Positionspapier formuliert. Die drei zentralen Leitplanken daraus sind:

  • Die nächste Pflegefinanzreform muss die Auswirkungen auf die Generationengerechtigkeit, die Belastung der Erwerbstätigen und Arbeitgeber mit Sozialabgaben und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes berücksichtigen. Eine nachhaltige Strategie muss viel stärker auf die Pflegevorsorge setzen.
  • Wettbewerb ist ein Instrument der Qualitätssicherung und ein Motor für bedarfsgerechte Angebote. Eine plurale Trägerstruktur ist unabdingbar, um sowohl die Wahlmöglichkeit für die Pflegebedürftigen als auch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung sicherzustellen.
  • Der Bedarf an professioneller Pflege wird weiter zunehmen und mit Blick auf die absehbar steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen nur über attraktive Arbeitsbedingungen und Gehälter zu decken sein. Die Lohnfindung muss dabei auch zukünftig regionale Besonderheiten berücksichtigen.

Mitglieder der Initiative:

Arbeitgeberverband Pflege
Bundesverband der Betreuungsdienste e.V.
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.
DIE JUNGEN UNTERNEHMER e.V.
Denkschmiede Gesundheit
Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV)
Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e. V. (VDAB)


Interview-Serie „Starke Stimmen - starkes Gesundheitssystem"

Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über Herausforderungen und Lösungen für das Gesundheitssystem

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Gesundheitssystem

Sozialabgaben: Jüngere Generationen immer stärker belastet

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Pflege

Experten-Rat „Pflegefinanzen": Verpflichtende Zusatzversicherung für die häusliche Pflege nicht erforderlich

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