Stellungnahme 01. März 2023

Stellungnahme des PKV-Verbands zu einem Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung für ein Viertes Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (4. DRÄndG).

Überblick

  • Anpassungen der Beihilfebemessungssätze: Die Umsetzung der Rechtsprechung zur amtsangemessenen Alimentation sollte nicht durch eine Ausdehnung von Beihilfeleistungen, sondern im System der Besoldung erfolgen.
  • Auf die Anhebung des Beihilfebemessungssatzes auf 100 % für Angehörige sollte verzichtet werden. Sie ist in der Praxis mit vielen Nachteilen verbunden: Die Angehörigen verlieren ihren aktiven Versicherungsschutz in GKV bzw. PKV, wodurch in sozialpolitischen sensiblen Fällen (z. B. Scheidung) die Nichtversicherung droht; sie verlieren den Anschluss an die Digitalisierung im Gesundheitswesen und sie verlieren ihre Vorsorgefreiheit. Auch Maßnahmen der Prävention und Services des Gesundheitsmanagements werden für sie nicht mehr zur Verfügung stehen.
  • Die Ausweitung der Beihilfeleistungen ist nicht generationengerecht und belastet zukünftige Haushalte. Für die mit dem Alter und aufgrund des medizinischen Fortschritts steigenden Kosten wird – anders als in der PKV – nicht vorgesorgt.
  • Pauschale Beihilfe: Die Einführung der pauschalen Beihilfe hat ideologische Motive: die Realisierung der Bürgerversicherung. Laut Friedrich-Ebert-Stiftung[1] ist ein Weg zur Bürgerversicherung, dass sich mehr Beamte in der GKV versichern.
  • Das Hamburger Modell lässt sich durch keinen sozialen Absicherungsbedarf begründen: Durch die Öffnungsaktionen haben alle Beamten und ihre Angehörigen Anspruch auf Aufnahme in die PKV – unabhängig von Vorerkrankungen oder Behinderungen.

Die Einführung des Hamburger Modells ist mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden: Die Mehrausgaben für den Landeshaushalt überwiegen erheblich und die Kostenrisiken nehmen zu – die GKV weist bereits heute ein Milliardendefizit auf. Die Einführung der pauschalen Beihilfe ist verfassungsrechtlich bedenklich und sie beschneidet die Beamten in ihrer Wahlfreiheit.

 


[1] Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung: Der Weg zur Bürgerversicherung, Positionspapier 24/2016.

I. Allgemeine Anmerkungen

Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 zur Richterbesoldung in Berlin (Beschluss vom 04.05.2020 – Az. 2 BvL 4/18) sowie zur Alimentation von Richtern und ihren Familien mit mehr als zwei Kindern in Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 04.05.2020 – Az. 2 BvL 6/17) entschieden, dass der erforderliche Abstand der Alimentation zur Grundsicherung unterschritten wird und die Anforderungen an eine amtsangemessene Alimentation des Beamten und seiner Familie mit mehr als zwei Kindern nicht erfüllt werden. Diese Rechtsprechung zielt demnach insbesondere auf die amtsangemessene Alimentation von Beamtinnen und Beamten der unteren Besoldungsgruppen und mit Kindern ab.

Das Land Sachsen kommt den Anforderungen des Gerichts insbesondere über Veränderungen in der Beihilfe nach, indem die Versorgung der Angehörigen und Kinder im Krankheitsfall künftig zu 100 % über die Beihilfe erfolgen soll. Ziel ist es, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) für diesen Personenkreis wegfallen und sich das Nettoeinkommen des Beamten erhöht. Das bewährte Mischsystem aus Beihilfe und Privater Krankenversicherung wird damit – bundesweit einmalig – für diesen Personenkreis abgeschafft. Für Beamte mit mindestens zwei Kindern ist eine Anhebung des Beihilfebemessungssatzes auf 90 % geplant, die verstetigt werden soll; für Beamte mit einem Kind soll der Bemessungssatz von heute 50 auf 70 % steigen.

Die breite Erhöhung der Beihilfebemessungssätze über alle Besoldungsgruppen hinweg ist nicht zielgenau. Es profitieren von dieser Ausdehnung der Beihilfeleistungen auch Beamte in höheren Besoldungsstufen, ohne dass dies vom Bundesverfassungsgericht eingefordert worden wäre. Beispiele aus den Bundesländern zur Umsetzung der Rechtsprechung zeigen dagegen, dass passgenau die vom Gericht eingeforderten Entlastungen bei den unteren Besoldungsstufen erreicht werden können, u. a. durch erhöhte kindbezogene Familienzuschläge, Zuschüsse zur Privaten Krankenversicherung etc..

Die Neuregelung schränkt die verfassungsrechtlich garantierte Vorsorgefreiheit insbesondere für die Angehörigen und Kinder erheblich ein, da eine 100prozentige Abhängigkeit vom Beihilfesystem – einem gesetzlich regulierten System, in dem die Bemessungssätze bspw. aufgrund haushalterischer Zwänge auch jederzeit wieder reduziert werden könnten – geschaffen wird. Es findet keinerlei Vorsorge mehr für die erhöhten Kosten im Alter statt. Dies hat zur Folge, dass bei einem späteren Wechsel aus dem Beihilfesystem heraus keine unmittelbare Anschlussfähigkeit mehr an die Gesetzliche oder Private Krankenversicherung besteht bzw. der Zugang zur PKV mit fortgeschrittenem Alter und mit eventuellen Vorerkrankungen teuer wird. Die Angehörigen werden damit einer extremen Abhängigkeit vom Beihilfesystem ausgesetzt bzw. in ihren eigenen Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Dies wird modernen (Erwerbs-)Biografien nicht gerecht.

Schließlich ist die Umsetzung nicht generationengerecht und nicht nachhaltig. Mit der Ausdehnung der Beihilfeleistungen werden angesichts der mit dem Alter und aufgrund des medizinischen Fortschritts steigenden Kosten für die Versorgung bei Krankheit zukünftige Lasten für den Landeshaushalt begründet. Die mit dem kapitalgedeckten System der Privaten Krankenversicherung verbundenen Vorteile von Kapitalerträgen bleiben bei der Finanzierung damit ungenutzt. Stattdessen werden allenfalls kurzfristige Einsparungen mit zukünftigen, ungedeckten Lasten für die Beihilfeaufwendungen begründet. Angesichts des demografischen Wandels auch im Personalbestand des Landes Sachsen wäre es richtig, mehr Eigenvorsorge zu fördern und damit mehr Kapitaldeckung nutzbar zu machen.

Laut öffentlicher Berichterstattung der SPD-Fraktion soll im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zugleich über die Einführung einer pauschalen Beihilfe für die Beamtinnen und Beamten beraten werden. Beamte haben im Krankheitsfall einen Anspruch auf Beihilfe. Der Dienstherr übernimmt dann mindestens 50 % der Behandlungskosten. Die Restkosten werden über einen Beihilfetarif der PKV abgesichert. Für diese klassische Kombination aus Beihilfe und PKV haben sich 93 % der Beamtinnen und Beamten in Deutschland entschieden. Die Kombination von Beihilfe und beihilfekonformer Privater Krankenversicherung steht allen Beamten zur Verfügung: Aufgrund der PKV-Öffnungsaktionen haben sie und ihre Angehörigen – auch bei Vorerkrankungen oder Behinderungen – eine Aufnahmegarantie in der Privaten Krankenversicherung ohne Leistungsausschlüsse und mit einem maximalen Risikozuschlag von 30 %. Dessen ungeachtet planen die regierungstragenden Fraktionen im Sächsischen Landtag die Einführung eines Arbeitgeberzuschusses in Form einer pauschalen Beihilfe. Sollte sich die Ausgestaltung dieser pauschalen Beihilfe am Hamburger Modell orientieren, dann wäre der Zuschuss begrenzt auf den halben Beitrag zur GKV und an die Bedingung geknüpft, dass die Beamten ihren Anspruch auf die individuelle Beihilfe unwiderruflich aufgeben.

II. Bewertung

Anpassung der Beihilfebemessungssätze

a.) Zu Art. 5 Nr. 1Buchstabe f (§ 80 Abs. 7 SächsBG – Beihilfe in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen) – hier: Anhebung des Beihilfebemessungssatzes für Angehörige und Kinder auf 100 %

Was auf den ersten Blick nach einer erfreulichen Mehrleistung für die Angehörigen der Beamtinnen und Beamten aussieht, kann sich für betroffenen Beamtenfamilien als sehr nachteilig herausstellen:

1. Wegfall des aktiven Versicherungsschutzes

Mit der geplanten Änderung wird ein aktiver Versicherungsschutz für die Angehörigen der Beamten überflüssig. Anders als sogar beim Hamburger Modell, das SPD und GRÜNE stets als ersten Schritt in Richtung „Bürgerversicherung“ fordern, besteht für die betreffende Personengruppe gar kein Wahlrecht mehr, denn der Personenkreis wird der PKV und der GKV komplett entzogen. Die Angehörigen werden künftig ausschließlich über die Beihilfe abgesichert sein und sind damit aber auch vollständig und im Zweifel lebenslang auf diese Beihilfeleistungen angewiesen. In sozialpolitisch sensiblen, aber lebensnahen Fällen droht damit die Nichtversicherung bzw. die Absicherung im sozialpolitisch problematischen Basistarif:

  • Konkret betrifft dies bspw. Scheidungsfälle: Die Beihilfe fällt nach der Scheidung bzw. Auflösung der Lebenspartnerschaft mit dem Beihilfeberechtigten weg. In dem bisherigen System von Beihilfe und PKV kann dieser Fall durch die Aufstockung des PKV-Versicherungsschutzes und die Berücksichtigung der hierfür erforderlichen Beiträge im Unterhaltsausgleich aufgefangen werden. Fehlt eine Private Krankenversicherung, droht die Nichtversicherung.
  • Gleiche problematische Konstellation ergibt sich z. B. bei der Aufnahme einer späten eigenen Erwerbstätigkeit des Lebens- oder Ehepartners mit Einkünften oberhalb der Einkommensgrenze (z. Z. 18.000 Euro) ab Alter 55 oder bei selbständiger Tätigkeit. Der Zugang zur GKV ist in diesen Fällen wegen der Altersgrenze versperrt. Bei Selbstständigkeit fehlt es an der notwendigen Vorversicherungszeit. Der Zugang zur PKV ist in diesem Alter schwierig und teuer. Im Zweifel bleibt nur eine Absicherung im Basistarif.

Die Betroffenen könnten (und sollten) für diese Lebenslagen mit einer Anwartschaftsversicherung vorsorgen, damit die in der PKV erworbenen Rechte erhalten bleiben und der ruhende Versicherungsschutz ohne Nachteile in den genannten problematischen Lebenslagen wiederaufleben kann. Allerdings müsste dieser Betrag dann in der Besoldung Berücksichtigung finden, was im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist.

2. Angehörige verlieren Zugang zu wichtigen Leistungen und verlieren ihre Vorsorgefreiheit

Die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes auf 100 % beschränkt sich auf die Erstattung der Krankheitskosten. Darüberhinausgehende Zusatzleistungen (z. B. 1-Bett-Zimmer im Krankenhaus oder erweiterter Zahnersatz) werden von der Beihilfe nicht erstattet. Bislang schützen regelmäßig die sog. Beihilfeergänzungstarife der PKV vor solchen Leistungslücken. Sie bewahren Beihilfeempfänger und ihre Angehörigen z. B. vor Zuzahlungen bei einer ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung. Auch die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannte und vom Dienstherrn zu beachtende Vorsorgefreiheit wird ausgeschlossen. Den Angehörigen bleibt kein Raum mehr für eine eigene Absicherung. Entsprechende Beiträge sind in der Besoldung nicht berücksichtigt. Die vom Dienstherrn zu betrachtenden Versicherungsmöglichkeiten für Ergänzungsversicherungen stehen den Angehörigen nicht mehr zur Verfügung.

Die Aufnahme in Ergänzungstarife setzt die Versicherungsfähigkeit nach Maßgabe der Tarifbedingungen voraus und diese fordern in den aktuellen Produkten eine Absicherung in einer beihilfekonformen Restkostenversicherung. Für eine GKV-Zusatzversicherung ist die Absicherung in einer Gesetzlichen Krankenkassen analoge Bedingung. D. h. durch den vorgesehenen vollständigen Wegfall des Versicherungsschutzes besteht für die betreffende Personengruppe in Sachsen keine vertragliche Anschlussfähigkeit mehr. Auch in der Pflege wäre zusätzliche Eigenvorsorge für die Betroffenen nicht mehr möglich.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass eine isolierte Kündigung der Restkostenversicherung nicht ohne weiteres möglich ist. Versicherungsvertragsrechtlich mag zwar die Kündigung einzelner Tarife möglich sein. Ist die Restkostenversicherung – wie bei den Ergänzungstarifen in der Regel – aber Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit im Sinne des § 12  Abs. 2 KVAV, endet mit der Kündigung grundsätzlich auch die Versicherungsfähigkeit in der Ergänzungsversicherung. Der Neuzugang ist mangels Versicherungsfähigkeit ohne Restkostenversicherung von vornherein ausgeschlossen.

3. Abkopplung der Angehörigen von der Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Angehörigen werden voraussichtlich – zumindest mittelfristig – weitgehend von der Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere im Zusammenhang mit der Telematikinfrastruktur, abgekoppelt. Die dem PKV-Verband aktuell bekannten Planungen der Beihilfeträger fundieren auf den Umsetzungsvorhaben und –maßnahmen der PKV-Unternehmen und setzen insoweit einen privaten Versicherungsschutz voraus. Bereits die Vergabe einer einheitlichen Krankenversichertennummer als maßgebliches und insoweit unverzichtbares Ordnungskriterium für einen Zugang zu den zukünftigen digitalen Angeboten, allen voran zu den elektronischen Patientenakten und elektronischen Rezepten, knüpft an einen privaten Krankenversicherungsschutz an.

4. Angehörigen stehen keine Services des Gesundheitsmanagements oder Angebote der Prävention mehr zur Verfügung

In der PKV steht den Versicherten ein breites Angebot an qualitätsgesicherten Leistungen des Gesundheitsmanagements zur Verfügung. Dazu gehören bspw. Versorgungsprogramme für Menschen mit chronischen Erkrankungen, die gezielte Begleitung von Kunden mit schweren Erkrankungen und nach Unfällen sowie Angebote im Bereich der Prävention oder der Gesunderhaltung. All diese bedarfsorientierten Services werden Angehörigen und Kindern künftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Beihilfe beschränkt sich heute auf die reine Kostenerstattung.

5. Kostenrisiko für den Landeshaushalt und Entscheidung zulasten der Nachhaltigkeit

Aufwendungen für Krankheit sind stark altersabhängig: Bei einem Mann versechsfachen sich die Aufwendungen zwischen dem 21. und dem 65. Lebensjahr; zwischen dem 65. und dem 80. Lebensjahr findet eine weitere Verdoppelung der krankheitsbedingten Aufwendungen statt. Die Private Krankenversicherung finanziert diese altersbedingten Steigerungen der Aufwendungen über Beiträge und Rückstellungen vor – 10 bis 15 % der Aufwendungen werden aus Zinserträgen finanziert. Damit werden Versicherte und Dienstherren entlastet. In 2021 betrug die durchschnittliche Nettoverzinsung der PKV-Mitgliedsunternehmen 2,8 %. Dieser Zinseffekt und auch die Glättung der Aufwendungen durch Alterungsrückstellungen gehen mit der geplanten Neuregelung verloren bzw. müssen künftig unmittelbar über den Landeshaushalt abgebildet werden. Eine Betrachtung der Kosteneffekte des Gesetzentwurfs müsste diese Zukunftsperspektiven mit einbeziehen und berücksichtigen, dass Angehörige Beihilfeleistungen häufig erst im Ruhestand in Anspruch nehmen.

Die vorgesehene Erhöhung der Beihilfeleistungen verlagert erhebliche Kosten in die Zukunft zulasten der jüngeren Generationen. Das Gegenteil wäre nötig: Statt den Versichertenkreis in demografieanfälligen umlagefinanzierten Systemen wie der Beihilfe zu vergrößern, sollten die jüngeren Generationen auf mehr Eigenvorsorge vorbereitet werden.

6. Pflicht zur Fortführung der privaten Pflegeversicherung durch die Angehörigen bleibt bestehen

Auch nach einer etwaigen Anhebung der Beihilfebemessungssätze in Sachsen für Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit ist eine Private Pflegepflichtversicherung durch die Angehörigen fortzuführen, deren Leistungen sich an den Beihilfevorschriften des Bundes ausrichten. Die Kinder des Beihilfeberechtigten sind nach Maßgabe von § 25 SGB XI beitragsfrei. Für die Ehegatten werden Beiträge fällig. Sie sind auch in der Besoldung zu berücksichtigen.

Im Detail: In der sozialen Pflegeversicherung besteht nach Maßgabe der §§ 23 Abs. 3 SGB XI für Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, eine bußgeldbewehrte Versicherungspflicht in der Privaten Pflegepflichtversicherung. Eine Verletzung der Versicherungspflicht ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (§ 121 SGB XI).

§ 23 Abs. 3 SGB XI beschreibt den Gegenstand und Umfang dieser Versicherungspflicht bundeseinheitlich: Die Personen sind zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer anteiligen beihilfekonformen Versicherung verpflichtet. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XI ist die beihilfekonforme Versicherung „so auszugestalten, dass ihre Vertragsleistungen zusammen mit den Beihilfeleistungen, die sich bei Anwendung der in § 46 Abs. 2 und 3 der Bundesbeihilfeverordnung festgelegten Bemessungssätze ergeben, den Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleisten“.

Maßgeblich für die Erfüllung der Versicherungspflicht sind danach ausschließlich die Leistungen nach den Beihilfevorschriften des Bundes. Schon jetzt existiert in der Privaten Pflegepflichtversicherung demgemäß nur ein beihilfekonformer Tarif mit einem Beihilfebemessungssatz passend zur Bundesbeihilfeverordnung, unabhängig von abweichenden Beihilfebemessungssätzen anderer Beihilfeträger bzw. Bundesländer.

Petitum: Mit Blick auf die geschilderten Konstellationen halten wir es für erforderlich, mindestens für die Ehegatten und Lebenspartner zu Lösungen zu kommen, die deren „Erwerbs“-Biographie nicht benachteiligt und sie in sozialpolitisch sensiblen Fällen wie Scheidung vor einer Nichtversicherung bzw. Absicherung im sozialpolitisch problematischen Basistarif bewahrt.

b) Zu Art. 5 Nr. 1Buchstabe f (§ 80 Abs. 7 SächsBG – Beihilfe in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen) – hier: Anhebung des Beihilfebemessungssatzes für Beamte ab einem Kind

Die Regelung bedeutet eine Ausweitung der Beihilfeleistungen für den Beamten selbst bereits ab dem ersten Kind. Sie geht damit weit über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus, da sie für sämtliche Besoldungsgruppen Anwendung findet. Der Aufbau einer eigenen Vorsorge für die höheren Krankheitskosten im Alter wird entsprechend reduziert. Auch die Vorsorgefreiheit des Beamten wird mit der weiter steigenden Abhängigkeit vom Beihilfesystem entsprechend eingeschränkt.

Durch die vorgesehene Neuregelung kann es vermehrt zu ungünstigen Beitragssprüngen für die Beamten kommen. Fällt das eine Kind aus der Berücksichtigungsfähigkeit, die an den Familienzuschlag geknüpft ist (§ 2 Abs. 1 SächsBhVO) heraus, ist der privaten Restkostenversicherungsschutz z. B. für Beamte mit einem Kind von 30 auf 50 % aufzustocken. Der höhere Beitrag ist dann wieder aus der Besoldung zu finanzieren.

Petitum: Von der Ausdehnung der Beihilfeleistungen ist abzusehen.

Einführung einer pauschalen Beihilfe

1. Schritt in Richtung „Einheitsversicherung“ – Schwächung des dualen Systems

Das Angebot hat einen politischen Hintergrund: Die Beamten unterliegen als eine der wenigen Personengruppen nicht der Versicherungspflicht in der GKV. Sie haben die Möglichkeit, sich in der Privaten Krankversicherung abzusichern, und bilden hier die größte Versichertengruppe. Mit dem Arbeitgeberzuschuss sollen die Beamten aber zur Absicherung in der GKV motiviert werden, um die Private Krankenversicherung „auszutrocknen“. So sah der SPD-Bundestagsabgeordnete und heutige Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in dem sog. „Hamburger Modell“ einen „großartigen Schritt in Richtung Bürgerversicherung“.

Dabei zeigt sich: Die angestrebte Einheitsversicherung würde die medizinische Versorgung durch den Wegfall von Mitteln gefährden – auf dem Land sogar noch stärker als in den Städten. Bundesweit beträgt der PKV-Mehrumsatz rund 12 Mrd. € pro Jahr. Der größte Teil dieses Mehrumsatzes entfällt dabei auf die ambulant-ärztliche Versorgung. Der PKV-Mehrumsatz je Praxis liegt bei über 55.000 Euro pro Jahr.

2. Belastung für den Landeshaushalt und die Steuerzahler

Die Einführung des Hamburger Modells ist mit hohen, langfristigen Belastungen für das Land verbunden. Das bestätigte jüngst auch das Land Baden-Württemberg: „Erst ab dem Eintritt in den Ruhestand nach durchschnittlich 40 Jahren (ca. 2060) wird sich diese Steigerung (…) reduzieren (…). Geht man von durchschnittlich 40 Jahren Dienstzeit und 16 Jahren Versorgungsbezug aus, so überwiegen auch bei den neu hinzukommenden Beamtinnen und Beamten, die durch das Hamburger Modell profitieren, insgesamt die Mehrausgaben für den Landeshaushalt erheblich.“[1] Die hohen Summen, die Land und Kommunen ohne Not in dieses Vorhaben investieren sollen, werden für andere Ziel des Koalitionsvertrages – Investitionen in Bildung, innere Sicherheit, Klimaschutz – nicht mehr zur Verfügung stehen.

Hinzu kommen weitere, nicht kalkulierbare Kosten. Die Landesregierung Baden-Württemberg bestätigt: „Dabei kann jedoch der Dienstherr allein durch das Hamburger Modell seiner verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nicht gerecht werden. In Pflegefällen und in Fallkonstellationen, in denen eine ergänzende Beihilfe notwendig ist, um dem Mindestmaß an verfassungsrechtlicher Fürsorgepflicht gerecht zu werden, wird der Dienstherr auch weiterhin – zusätzlich zu den finanziellen Aufwendungen für das Hamburger Modell – Beihilfeleistungen erbringen müssen.“[2]

Die pauschale Beihilfe ist also auf viele Jahrzehnte hinaus viel teurer als das geltende Recht, weil vom ersten Tag an für den Beamten der volle GKV-Arbeitgeberzuschuss gezahlt werden muss, die klassische Beihilfe hingegen nur im konkreten Krankheitsfall. Die Mehrausgaben für den Landeshaushalt überwiegen selbst bei Betrachtung des gesamten Beamtenlebens. Gerade aber in den aktiven Jahren der Beamten kostet die Kombination aus Beihilfe und PKV deutlich weniger als ein GKV-Arbeitgeberbeitrag: Für einen Durchschnittsverdiener mit rund 43.000 Euro Jahresbrutto werden in der GKV rund 584 Euro monatlich fällig (je 292 Euro für den Dienstherrn und für den Beamten). Bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze (59.850 Euro Jahresbrutto) sind es 808 Euro pro Monat (402 Euro für den Dienstherrn und 402 für den Beamten). In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Durchschnittsbeitrag derzeit rund 211 Euro pro Monat.

Beim Vergleich der Beiträge ist freilich auch die Familiensituation zu berücksichtigen: GKV-Versicherte zahlen für Kinder keinen Beitrag; privatversicherte Beamte erhalten für Kinder eine Beihilfe von derzeit 80 Prozent und müssen die restlichen 20 Prozent über eine PKV abdecken – können dies aber wiederum von der Steuer absetzen.

Mit Blick auf die prognostizierte Belastung des Landeshaushalts darf überdies nicht vernachlässigt werden, dass die GKV unter einem erheblichen Finanzdruck steht. Selbst Vertreter der GKV warnen vor einem drohenden „Beitragstsunamie“[3]. Die Bundesregierung prognostizierte im Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz 2022: „Die Ausgabenzuwächse liegen auch während der Corona-Pandemie weiterhin teils deutlich über vier Prozent pro Jahr und dürften auch in den kommenden Jahren vor allem vom medizinisch-technologischen Fortschritt und der demografischen Alterung sowie steigenden Löhnen insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels geprägt sein. (…) Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV im Jahr 2023 von derzeit 1,3 Prozent um rund einen Prozentpunkt steigen und anschließend aufgrund der Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben jedes Jahr um weitere 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte zunehmen.“

Diese Prognose der Bundesregierung entspricht einer Erhöhung der GKV-Zahlbeiträge um 30 bis 35 Prozent bis zum Jahr 2030. Diese Entwicklung führt dann unmittelbar zu höheren Lasten des Landes Sachsen und seiner Kommunen.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken

Die pauschale Beihilfe stößt auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG, was mehrfach gutachterlich bestätigt wurde. Sie würde insbesondere gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen, dass der Dienstherr seine verfassungsmäßig vorgegebene Fürsorgepflicht nicht gänzlich auf ein anderes System delegieren darf, indem er die Beihilfe durch den Arbeitgeberzuschuss unwiderruflich ablöst und dem Beamten damit seine Vorsorgefreiheit nimmt. Für verfassungsrechtlich fragwürdig halten die Gutachter auch den Zwang zu einer unwiderruflichen Entscheidung für die GKV, die der Beamte nicht mehr rückgängig machen kann. Dies verstoße gegen die Vorsorgefreiheit.

Neben dem Risiko entsprechender Verfassungsbeschwerden oder Verfahren der Normenkontrolle besteht damit jederzeit die Gefahr, dass sich einzelne Beamte, die sich am Anfang ihrer Laufbahn für die GKV mit Arbeitgeberzuschuss entschieden haben, im Laufe ihres Erwerbslebens wieder in das System der Beihilfe einklagen können. Für den Dienstherrn hätte das wiederum zur Folge, dass er in vielen Fällen zunächst die höheren Aufwendungen für den GKV-Arbeitgeberzuschuss zu finanzieren hätte, später aber dennoch in die Pflicht genommen werden kann, die Kosten der Beihilfe zu tragen.

4. Kein Mehr an Wahlfreiheit: Beamte haben bereits Wahlfreiheit und eine Garantie auf Aufnahme in die PKV unabhängig vom Gesundheitszustand

Beamte gehören heute zu den Wenigen, die die Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV haben. Diese Wahlfreiheit wird mit der pauschalen Beihilfe beschränkt, da die Beamten ihre einmal getroffene Wahl – anders als heute – nicht mehr revidieren können: Bedingung für den Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung ist, dass der Anspruch auf die individuelle Beihilfe unwiderruflich aufgegeben wird. In der heutigen Praxis haben Beamte zum Beispiel die Möglichkeit, sich nach zehn oder mehr Jahren in der GKV doch noch für die Beihilfe mit ergänzender PKV zu entscheiden. Würden es die ursprünglichen Initiatoren des Hamburger Modells mit dem Argument der „Wahlfreiheit“ ernst meinen, müssten sie sich für eine Senkung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte einsetzen, die heute für knapp 90 Prozent der Arbeitnehmer eine Pflichtmitgliedschaft in der GKV zur Folge hat. Das zeigt, dass es im Hamburger Modell nur um eine Einbahnstraße zur GKV geht und nicht um echte Wahlfreiheiten.

Als Begründung für die pauschale Beihilfe werden häufig die Beamten mit Kindern und die Beamten mit Behinderungen genannt. Auch mit Blick auf diese Personengruppen gibt es keinen Handlungsbedarf: Im Rahmen der Öffnungsaktion der PKV erhält heute jeder Beamte unabhängig von seinen Vorerkrankungen und seinem Gesundheitszustand eine attraktive und bezahlbare Zugangsmöglichkeit zur PKV. Seit dem 1. Januar 2019 beziehen PKV-Unternehmen darüber hinaus auch die Beamten auf Widerruf in diese Öffnungsaktion ein. Es gibt keine Leistungsausschlüsse und der Risikozuschlag ist auf maximal 30 % des Zahlbeitrags begrenzt. Zuletzt wurde zudem eine befristete Sonderöffnungsaktion für alle freiwillig GKV-Versicherten Beamten und deren Angehörige durchgeführt. Und schließlich gilt: Auch Kinder von Beamten erhalten Beihilfe. Außerdem stellen Kinderzuschläge einen erheblichen Teil der Besoldung dar.

5. Entscheidung zulasten der Nachhaltigkeit

Die Überlegungen der Fraktionen zur Einführung der pauschalen Beihilfe müssen auch unter dem Blickwinkel der Generationengerechtigkeit kritisch betrachtet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem „Klimaschutz-Urteil“ vom 24. März 2021 die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit für die nachfolgenden Generationen anerkannt. Diese Bewertung kann auch als Leitlinie für andere gesellschaftliche Bereiche, z. B. die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, herangezogen werden. Die Alterung der Bevölkerung, der medizinisch-technische Fortschritt und teure Reformen werden die Finanzen der GKV in den nächsten Jahren weiter belasten und hohen Druck auf die Beitragssätze ausüben. Ob steigender Beitragssatz, Steuerzuschüsse oder Leistungskürzungen – die Kosten der Älteren gehen dann voll zu Lasten der künftigen Beitragszahler.

Die PKV hingegen sorgt mit ihren Alterungsrückstellungen systematisch dafür vor, dass mit zunehmendem Lebensalter die Krankheitskosten stark steigen. Es werden keine Lasten auf die Zukunft verschoben. Gebot der Stunde wäre es, diesen nachhaltigen Finanzierungsweg der Krankenversicherung zu stärken, statt die unterschiedlichen Beitragsbelastungen der Generationen in der GKV weiter zu verschärfen und die Beamtenversorgung im Krankheitsfall auf die GKV zu verlagern.

Petitum: Die Einführung einer pauschalen Beihilfe ist abzulehnen.


[1] Vgl. Landtag Baden-Württemberg, Drs. 16/9980.

[2] Vgl. Landtag Baden-Württemberg, Drs. 16/9980.

[3] Vgl. Tagesspiegel vom 14. Juni 2022.