Wo zum Beispiel?
Im ambulanten Bereich steigen die Ausgaben seit 2023 deutlich stärker als in den Vorjahren. Ärztliche Behandlungen werden viel häufiger in Anspruch genommen. Die Frage ist: Woran liegt das? Sind das noch Nachholeffekte in Folge der Corona-Pandemie? Das sollte sich aber eigentlich ausschleichen. Ein Grund für die vielen Arztkontakte könnte auch unsere ungesunde Lebensweise sein.
Lässt sich das belegen?
Wir haben vor Kurzem zehn europäische Gesundheitssysteme miteinander verglichen. Heraus kam: Deutschland liegt beim Zugang zur medizinischen Versorgung auf Platz eins. Dennoch ist unsere Lebenserwartung im Vergleich eher unterdurchschnittlich – und das trotz eines sehr guten Gesundheitssystems mit hochwertiger Diagnostik und modernen Therapien. Gleichzeitig ergab die Studie, dass wir bei einer Gesamtschau auf die Risikofaktoren – Ernährung, Bewegung, Rauchen etc. – den letzten Platz belegen. Mit anderen Worten: Wir leben viel zu ungesund. Das sehe ich als wichtige Teilerklärung dafür, dass die Menschen so oft zum Arzt gehen und überdurchschnittlich viele Medikamente benötigen.
Die Politik diskutiert derzeit viel über die Zukunft der Pflegefinanzierung. Forscht das WIP auch in diesem Bereich?
Ja. Seit einigen Jahren arbeiten wir mit Modellen, mit denen wir Beitragssatzentwicklungen sehr gut prognostizieren können – natürlich immer im Rahmen bestimmter Szenarien. Damit können wir die diskutierten Gesetzesvorschläge sehr gut quantifizieren und konkrete Euro-Beträge dahinter schreiben. Wir können also ziemlich genau sagen, was zum Beispiel eine Deckelung der Eigenanteile in stationären Pflegeeinrichtungen kosten würde. Damit sind wir geschätzter Ansprechpartner zur Beurteilung möglicher Pflegereformen.
Welche Rolle spielte das WIP bei der Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte, die der PKV-Verband, die Beihilfe und die Bundesärztekammer verhandelt haben?
Wir begleiten die Verhandlungen seit vielen Jahren mit zahlreichen GOÄ-Datenanalysen. Die Basis unserer Auswertung bilden rund 580 Millionen GOÄ-Rechnungspositionen, die wir jährlich von den Versicherungsunternehmen erhalten. Gute Daten und darauf aufbauende belastbare Analysen sind eine wichtige Voraussetzung für die Bewertung von Novellierungsvorschlägen.
Welchen Themen würden Sie sich noch gerne widmen?
Kein Forschungsgegenstand bei uns ist bisher der Krankenhausbereich. Auch hier steigen die Ausgaben. Es wäre interessant, auch im Zusammenspiel mit der Versorgung in anderen Leistungsbereichen, in den PKV-Daten nach den Gründen zu forschen. Außerdem stellen die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Krankenversicherung, die Projektion von Ausgabenentwicklungen in der Krankenversicherung und die Wirkungen der Steuerung von Patientenströmen spannende zukünftige Forschungsthemen dar. Jetzt müssten wir nur noch die Zeit dafür haben…
Das Interview findet sich in leicht gekürzter Form auch im PKV-Rechenschaftsbericht 2025