Meldung 09. März 2023

PKV-Versicherte können Videosprechstunden unbegrenzt in Anspruch nehmen - bei gesetzlich Versicherten gilt derzeit eine Obergrenze von 30 Prozent. Das führt auch dazu, dass einige Telemedizin-Unternehmen ihre Leistungen nur noch Selbstzahlern und Privatpatienten anbieten.

Die Corona-Pandemie brachte Schwung in zahlreiche digitale Anwendungen – auch im Gesundheitswesen. Um das Ansteckungsrisiko im Wartezimmer zu vermeiden, nahmen viele Patientinnen und Patienten Videosprechstunden wahr. Insbesondere bei kleineren Infekten oder Folgebehandlungen scheint dies eine komfortable und sichere Alternative. Laut aktuellem E-Health-Monitor der Unternehmensberatung McKinsey rechneten Vertragsärzte 2021 rund 3,5 Millionen Videosprechstunden ab – 29 Prozent mehr als im Vorjahr. 2019, vor Corona, waren es noch weniger als 3.000 digitale Behandlungen. Eine beeindruckende Entwicklung, die die Pandemie sicher wesentlich beförderte.

Denn Telemedizin ist in Deutschland weit weniger etabliert als in einigen Nachbarländern. Erst 2018 wurde das sogenannte Fernbehandlungsverbot bundesweit gelockert, so dass Ärztinnen und Ärzte überhaupt Videosprechstunden anbieten durften. Private Krankenversicherer haben diese Innovation von Beginn an unterstützt: Sie erstatten ihren Versicherten sowohl telefonische als auch Video-Behandlungen seit jeher ohne Deckelung. Für Anbieter und Vermittler von Videosprechstunden war das gerade in der Anfangszeit sehr wichtig. „Wir haben in der Privaten Krankenversicherung sehr innovative Unternehmen gefunden, die von Anfang an dazu bereit waren, die Telemedizin als Pilotprojekt auszuprobieren und zu erstatten“, sagt etwa Katharina Jünger, Gründerin von TeleClinic, dem ersten Anbieter von Online-Arztbesuchen in Deutschland: „Ohne diese Unterstützung hätten wir es vermutlich nicht geschafft, auf den Markt zu kommen.“

Dass PKV-Unternehmen rasch innovative Behandlungsmethoden erstatten können, liegt auch an der Art der Abrechnung bei Privatpatientinnen und -patienten. Ärztinnen und Ärzte berechnen ihre Leistungen anhand der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die deutlich flexibler als das System der Gesetzlichen Krankenversicherung ist. So umfasst die Ziffer 1 der GOÄ, „Beratung – auch mittels Fernsprecher“, auch die Möglichkeit, Patienten online zu behandeln. Entsprechend der individuellen Therapie können Ärztinnen und Ärzte weitere GOÄ-Ziffern abrechnen. Zusätzlich haben sich die PKV, Bundesärztekammer und Beihilfe auf Abrechnungsempfehlungen zu telemedizinischen Leistungen verständigt.

Mittlerweile können auch GKV-Versicherte Online-Sprechstunden nutzen – in der Pandemie sogar unbegrenzt. Seit April 2022 gilt eine Obergrenze von 30 Prozent aller Behandlungen, die als Videosprechstunde erbracht werden dürfen. Das veranlasst einige Anbieter von Telemedizin, sich aus dem deutschen Markt zurückzuziehen – oder ihr Angebot nur noch für Selbstzahler aufrechtzuerhalten.

Darüber berichtete zum Beispiel das Handelsblatt (€). Für die Unternehmen erschweren die hiesigen Regularien das Geschäft. Manche ziehen sich ganz aus dem deutschen Markt zurück; manche behandeln nur noch Patientinnen und Patienten, die die ärztlichen Leistungen selbst zahlen. Privatversicherte haben hier kein Problem – sie können die Rechnung zur Erstattung bei ihrer Versicherung einreichen.

Auf der Vorstellung seiner Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt an, diese 30-Prozent-Limitierung aufzuheben – ein wichtiger Schritt, um die Potenziale der Telemedizin für die Versorgung wirkungsvoll zu heben.

Eine Themenseite zur Videosprechstunde hat auch die unabhängige Stiftung Gesundheitswissen.