Meldung 27. März 2023

Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen kämpfen mit Milliardendefiziten. SPD und Grüne wollen die Löcher mit höheren Beiträgen füllen – mit gravierenden Folgen für Fach- und Führungskräfte sowie Arbeitgeber.

Arbeitnehmern droht ein massiver Beitragsanstieg um mehr als 2.600 Euro im Jahr und viele Unternehmen stehen vor einer Explosion der Lohnzusatzkosten – wenn sich Forderungen aus den Reihen von SPD und Grünen durchsetzen. Abgeordnete aus beiden Parteien wollen eine deutlich höhere Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung. Denn beide Sozialversicherungen haben hohe Defizite, die infolge der demografischen Entwicklung weiter steigen dürften. Die Löcher füllen sollen Beitragszahler mit Einkünften über der Bemessungsgrenze von 59.850 Euro. Dafür soll diese Grenze auf das Niveau der Rentenversicherung von derzeit 87.600 Euro steigen, so die Idee bei SPD und Grünen.

GKV-Beiträge würden um bis zu 46,4 Prozent steigen

Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze hätte jedoch erhebliche Folgen für besonders qualifizierte Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber. Denn die Sozialbeiträge tragen sie gemeinsam. Eine Analyse der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zeigt: Mit der neuen Bemessungsgrenze von 87.600 Euro würden die Versicherungsbeiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung explosionsartig um bis zu 46,4 Prozent steigen.

Höhere Bemessungsgrenze ist „Gift für die wirtschaftliche Erholung“

 „In dem ohnehin angespannten konjunkturellen Umfeld mit anhaltend hoher Inflation wäre ein solcher Schritt Gift für die wirtschaftliche Erholung“, warnt die vbw. Mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze würden die Abgaben für die Kranken- und Pflegeversicherung um insgesamt 14,3 Milliarden Euro steigen. Auf Seiten der Arbeitgeber würden zusätzliche Lohnzusatzkosten von über 7,1 Mrd. Euro entstehen.

Besonders belastet wären Wirtschaftszweige, die viele hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigen. Dort wirkt die höhere Bemessungsgrenze wie eine Zusatzsteuer auf Arbeit. Das zeigen konkrete Beispiele aus der Realwirtschaft: So stiegen für ein Hightech-Automotive-Unternehmen mit knapp 7.000 Beschäftigten die Lohnzusatzkosten schlagartig von 44,3 auf 54,4 Mio. Euro. Für einen Software-Informatiker mit gut 88.000 Euro Jahreseinkommen würden die Beiträge von 5.760 auf 8.432 Euro im Jahr steigen – und für den Arbeitgeber käme derselbe Betrag als Lohnzusatzkosten nochmal obendrauf.

Egal wie man es nennt, die von Teilen der Grünen und der SPD ventilierte Anhebung der Beitragsbemessungs- und der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) käme dem alten Traum der beiden Parteien nach einer Bürgerversicherung sehr nahe. Auch die Linke ist dafür, in der Ampel verhindert nur die FDP die Einführung. Zum Glück, denn das Zurückdrängen der Privatversicherung würde das Gesundheitssystem schwächen, nicht stärken.

Kommentar von Christian Geinitz , FAZ vom 27. März 2023

Ende der Wahlfreiheit und Einheitsversicherung für Arbeitnehmer

SPD und Grüne wollen mit der Bemessungsgrenze stets auch die Versicherungspflichtgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung erhöhen. So möchten sie eine Abwanderung der betroffenen Arbeitnehmer in die Private Krankenversicherung verhindern. Das Ergebnis einer derart hohen Entgeltgrenze von 87.600 Euro wäre faktisch das Ende der Wahlfreiheit, sich zwischen GKV und PKV entscheiden zu können – also eine Einheitsversicherung für Arbeitnehmer. Die vbw positioniert sich eindeutig dagegen: „Grundsätzlich gilt: Der Wettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen wirkt dämpfend auf die Lohnzusatzkosten. Daher muss die Dualität erhalten bleiben. Davon profitieren im Endeffekt sowohl Versicherte als auch Arbeitgeber“, sagte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

  • Das gesamte vbw-Positionspapier gibt es hier.