Hohe Kosten bei gefühlt nachlassender Qualität: Ist das deutsche Gesundheitssystem noch zu retten? Bei der PKV-Jahrestagung diskutierten Fachpolitiker von Union und Grünen, wie Gesundheit und Pflege solide zu finanzieren wären – und sprachen sich für mehr Mut in der Gesundheitspolitik aus.

Bei all den gesundheitspolitischen Herausforderungen – an Fachexpertise mangelte es nicht auf dem Podium der PKV-Jahrestagung. Zwei Abgeordnete des Bundestags, die das System von Innen kennen und wissen, wo es hakt, erörterten langfristige Lösungsansätze und kurzfristige Konsequenzen für die Misere im Gesundheitswesen: der Allgemeinmediziner Dr. Stephan Pilsinger, Sprecher für Gesundheit der CSU-Landesgruppe im Bundestag, und der Notfallmediziner Dr. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
Dabei herrschte zunächst seltene Einigkeit unter Vertretern von Regierung und Opposition: Gesundheit und Pflege müssten eine der Prioritäten für die neue Bundesregierung sein, Strukturreformen seien angesichts der alternden Gesellschaft unerlässlich.
"Das deutsche Gesundheitssystem ist teuer und ineffizient", lautete Pilsingers Eingangsbefund. “Wir geben sehr viel Geld für Gesundheit aus. Aber wenn wir uns die Parameter anschauen gerade im Bereich Lebenserwartung, dann sehen wir, dass unser System einfach nur mittelmäßig ist.” Es brauche mehr Mut zu echten, langfristigen Reformen – und die Bereitschaft, auch unbequeme Maßnahmen umzusetzen, damit das eingesetzte Geld am Ende auch zu guten Ergebnissen führe. “Es kann doch nicht sein, dass wir jedes Problem mit Geld zukleistern”, bekräftigte der Unionspolitiker den Ruf nach Strukturreformen.
Pilsinger, seit 2017 Mitglied des Bundestags und in der Gesundheitspolitik ein vertrautes Gesicht, scheute auf dem PKV-Podium auch nicht die Ehrlichkeit, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD konkrete Lösungen beim Thema Pflege schuldig geblieben ist. Mit Prüfaufträgen an Kommissionen sei es nicht getan. “Wir müssen da zügig Ergebnisse hinbekommen.”
Der Grünenpolitiker Dahmen pflichtete dem bei: “Wir können nicht bis zum Ende der Wahlperiode warten, bis eine Kommission irgendwelche Vorschläge gemacht haben wird.” Dahmen wagte sogar die Prognose, dass die Regierung bis zum Jahr 2029, dem Jahr der nächsten Bundestagswahl, beim Thema Pflege “massiv unter Druck" geraten werde. “Dann werden mehr Pflegebedürftige als Wahlberechtigte unter 30 Jahren in Deutschland leben."
Ein Ansatz laut CSU-Mann Pilsinger: Eigenverantwortung und private Vorsorge zu stärken. ”Ich bin ein großer Fan von betrieblichen Lösungen. Private Zusatzversicherung ist ein gutes Angebot, das wir breiter ausrollen sollten", bekannte Pilsinger.
Wie sehr das Thema Generationengerechtigkeit gleichfalls in der Bevölkerung wahrgenommen wird, zeigen die Umfrageergebnisse des Berliner Unternehmens Civey zur Markt- und Meinungsforschung. Die Politik müsse das Thema deutlich mehr in den Fokus nehmen, ist ein tragender Befund der Erhebung zur „Stimmungslage und Erwartungen der Bevölkerung an die Gesundheitspolitik“ im Auftrag der PKV. Acht von zehn Deutschen sprechen sich für eine faire Verteilung zwischen den Generationen aus. Hingegen sehen nur drei von zehn Befragten eine gleichmäßige Verteilung der Belastungen bei den Sozialabgaben.