Interview

Anne-Kristina Vieweg ist neue Geschäftsführerin für den Bereich Pflege im PKV-Verband. Hier spricht sie über ihre Aufgaben, persönliche Ziele und die drängendsten Herausforderungen in der Pflege.

Anne-Kristina Vieweg, Leiterin des Geschäftsbereiches Pflege

Sie arbeiten seit mehr als zwölf Jahren beim PKV-Verband. Wie sind Sie zur PKV gekommen?

Ich bin ganz klassisch über eine Stellenanzeige auf den PKV-Verband aufmerksam geworden. Während meines Studiums und meines Referendariats hatte ich mich schon für das Gesundheitswesen, Medizinrecht und Sozialrecht interessiert, so dass die Tätigkeit beim PKV-Verband für mich sehr reizvoll war.

Woran arbeiten Sie im Geschäftsbereich Pflege?

Mit sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir im Geschäftsbereich Pflege ein relativ kleines Team. Gleichwohl gibt es wirklich viele Aufgaben und ein breites Themen- und Tätigkeitsspektrum. Zu unseren Kernaufgaben gehört zum Beispiel die Erstellung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Private Pflegepflichtversicherung (PPV) und für die staatlich geförderte ergänzende Pflegeversicherung. Wir stellen unseren Mitgliedsunternehmen Auslegungshinweise zum Leistungsrecht der PPV zur Verfügung, die laufend aktualisiert werden. Dabei wird die aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung berücksichtigt. Außerdem unterstützen wir die Versicherer bei individuellen Fragen zum Leistungs- und Vertragsrecht der PPV.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den Tochterunternehmen des PKV-Verbandes, wie z. B. Medicproof?

Wir stehen im engen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Tochterunternehmen, zum Beispiel von compass, die die Pflegeberatung für Versicherte anbieten und von Medicproof, die Pflegebegutachtungen durchführen. So stellen wir eine funktionierende Umsetzung von Gesetzesänderungen in der Praxis sicher. Das hilft uns auch bei den Stellungnahmen, die wir während eines Gesetzgebungsverfahrens als Verband erstellen, um neben der fachlichen und rechtlichen Beurteilung die Auswirkungen auf die Praxis zu verdeutlichen. Die Zusammenarbeit mit compass und Medicproof ist sehr wichtig für uns. Wir erhalten so fachlichen Input hinsichtlich medizinisch-pflegerischer Aspekte.

Wie sehen die Aktivitäten auf Bundes- und Länderebene aus?

Auf Bundesebene gibt es zahlreiche Gremien, in denen wir Mitglied sind: Wir sind zum Beispiel im Qualitätsausschuss vertreten und nehmen an zahlreichen Arbeitsgruppen teil. Dabei unterstützen uns unsere Kolleginnen und Kollegen von Careproof, dem Prüfdienst der PKV, mit ihrer Expertise. Im Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und im Beirat des Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege vertreten wir ebenfalls die PPV-Interessen. 

Auf der Landesebene geben wir Stellungnahmen im Zuge der Gesetzgebungsverfahren ab und sind als Mitglieder in verschiedenen Gremien vertreten. Wir vertreten in Landespflegeausschüssen, Pflegesatzkommissionen, Arbeitsgruppen nach dem Heimgesetz, Schiedsstellen, und bei Vertragsverhandlungen die Interessen der Privaten Pflegepflichtversicherung.

In den Bundesländern passiert allerdings noch mehr. Hier entstehen Förderangebote zur Unterstützung im Alltag, für Modellprojekte, Angebote zur Selbsthilfe und regionale Netzwerke, die uter anderem auch von der PPV gefördert werden. Am Förderverfahren sind wir ebenfalls beteiligt und prüfen, ob wir unsere Zustimmung erteilen können. 

Das ist wirklich eine Menge…

Aber noch nicht alles: Wir sind auch bei den Beteiligungsverfahren zu Empfehlungen und Richtlinien im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung dabei. Wir schließen Vereinbarungen mit staatlichen und nicht-staatlichen Stellen, zum Beispiel der Deutschen Rentenversicherung Bund oder dem Bundesamt für Soziale Sicherung.

Seit April dieses Jahres sind Sie Geschäftsführerin für den Bereich Pflege. Wie möchten Sie Ihren Geschäftsbereich gestalten?

Mir ist wichtig, neue Ideen zu entwickeln, um Verbesserungen für Mitgliedsunternehmen, Versicherte und die Pflegeversicherung insgesamt zu ermöglichen. Ich weiß, hinter mir steht ein tolles Team. Das ist sehr beruhigend und motivierend zugleich. Gemeinsam bewältigen wir alle Aufgaben und sind für unsere Mitgliedsunternehmen da. Mir ist wichtig, dass wir mit Freude, Eigeninitiative und Kreativität arbeiten und gemeinsam etwas Gutes auf den Weg bringen.

Was sind die größten Herausforderungen, die in der Pflege auf uns zukommen?

Zu den zentralen Herausforderungen zählen aus meiner Sicht die Finanzierung der Pflegeversicherung, die Sicherstellung der Versorgung der Pflegebedürftigen und der größer werdende Fachkräftemangel. Diese Herausforderungen kommen jedoch nicht erst auf uns zu. Sie haben uns schon erreicht. Deshalb müssen wir hart an Lösungen arbeiten, die unmittelbar und langfristig wirken.

Die Ausgaben in der Pflegeversicherung nehmen stark zu – wie müsste eine Pflegereform aussehen, um sie stabil zu finanzieren?

Ich denke, es braucht eine grundsätzliche Strukturreform in der Pflege. An weitere Leistungsausweitungen oder eine umlage- und steuerfinanzierte Vollversicherung ist nicht zu denken. Die Gründe dafür sind einfach: Es lässt sich nicht finanzieren und wäre auch nicht gerecht. Wichtig ist, dass wir fair mit nachfolgenden Generationen umgehen. Das heißt, die Jüngeren und deren Arbeitgeber dürfen nicht mit steigenden Beiträgen oder einer milliardenschweren Steuerlast überfordert werden. Es gibt aber eine einfache Lösung – sie heißt Kapitaldeckung. Das bedeutet, dass neben der Pflegepflichtversicherung eine zweite Säule, bestehend aus privater und betrieblicher Pflegezusatzversicherung, aufgebaut werden müsste. Nur ein solch kapitalgedecktes Modell funktioniert demografieunabhängig, generationengerecht und sichert eine stabile Finanzierung.

Mit welchen Argumenten bringt sich der PKV-Verband in die politische Debatte ein?

Da gibt es eine Reihe überzeugender Argumente. So hat der PKV-Verband im vergangenen Jahr den unabhängigen Expertenrat „Pflegefinanzen“ unter dem Vorsitz von Professor Jürgen Wasem einberufen, der das Modell der Pflege+-Versicherung erarbeitet hat. Er schlägt die Einführung einer verpflichtenden, kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung vor, um die individuelle Pflegelücke bei stationärer Unterbringung im Pflegeheim abzusichern. Aktuell arbeitet der Rat an einer ergänzenden Zusatzversicherung für den ambulanten Bereich.

Private Pflegezusatzversicherungen gibt es aber schon heute…

Genau. Die PKV bietet eine Vielzahl wirksamer und bezahlbarer Angebote für die Absicherung von Pflegekosten an. Das zeigt die jüngste Studie von Assekurata. Die Rating-Agentur hat die bestehenden Branchentarife analysiert und zeigt, dass sich das Pflegerisiko zu weitaus niedrigeren Monatsprämien absichern lässt als viele Menschen vermuten. Schließlich enthält der kürzlich veröffentlichte „Neue Generationenvertrag für die Pflege“ wertvolle Vorschläge für die notwendige Stabilisierung der Sozialen Pflegeversicherung.

Kapitaldeckung als Finanzierungssäule in der Pflege unterscheidet sich deutlich von anderen Vorschlägen, wie Beitragsanhebung oder Querfinanzierung durch Steuermittel. Warum setzt die PKV auf dieses Finanzierungsmodell?

Kapitaldeckung liegt in unserer DNA begründet. Und die Vergangenheit hat gezeigt: Sie funktioniert. Die PKV hat sich trotz anhaltender Krisen von außen als stabiles und wachsendes System bewährt. Wir erstatten über 36 Milliarden Euro an medizinischen Leistungen pro Jahr – ohne Schulden und ohne einen Euro aus Steuern. Und anders als im Umlagesystem gelten die Leistungen der PKV garantiert ein Leben lang – ohne Wenn und Aber. Davon sollten mehr Menschen profitieren. In der Pflege reicht die Zeit noch aus, das Ruder herumzureißen.

Abschließend interessiert uns noch: Was macht das Thema Pflege für Sie spannend?

Pflege ist für unsere ganze Gesellschaft immens wichtig. Denn irgendwann im Leben betrifft Pflege uns alle. Entscheidend ist, dass wir es gemeinsam schaffen, pflegebedürftige Menschen gut zu versorgen und ihnen trotz pflegebedingter Einschränkungen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Weitere Themen und Stimmen der PKV gibt es im Rechenschaftsbericht 2024