Meldung 13. Mai 2022

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg will das rot-grüne „Hamburger Modell“ nachahmen und plant eine sogenannte pauschale Beihilfe für die Beamtinnen und Beamten. Doch die Reformpläne treffen auf erhebliche Kritik. Nun gibt es sogar verfassungsrechtliche Bedenken.

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Rechtsanwalt Dr. Matthias Kottmann, der an dem Gutachten der Kanzlei mitgewirkt hat, erläutert die verfassungsrechtlichen Fallstricke für das Land.

Insbesondere beim baden-württembergischen Beamtenbund sowie auch beim PKV-Verband stoßen die Pläne aus Stuttgart auf Kritik. Demnach würde eine pauschale Beihilfe zusätzliche Milliardenlasten für die Steuerzahler sowie überwiegend Nachteile für die Staatsdiener mit sich bringen. Hinzu kommt ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko für das Land.

Die renommierte Anwaltskanzlei Redeker-Sellner-Dahs, bundesweit anerkannt für ihre verfassungsrechtliche Kompetenz, hat im Auftrag des PKV-Verbands die juristischen Probleme einer pauschalen Beihilfe untersucht.  Ihr Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die pauschale Beihilfe im Hinblick auf den Art 33 Abs. 5 GG (Grundsätze des Berufsbeamtentums) auf „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“ stößt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Pflicht des Dienstherrn zur Fürsorge für die Beamten nicht auf Dritte delegiert werden, deren Leis­tungsumfang der Dienstherr nicht bestimmen kann. Dies ist jedoch bei der GKV der Fall.

"Diese Fürsorgepflicht darf der Dienstherr nicht aus der Hand geben"

Für verfassungsrechtlich fragwürdig halten die Gutachter auch den Zwang zu einer unwiderruflichen Entscheidung für die GKV, die der Beamte nicht mehr rückgängig machen kann. Dies verstoße gegen die Vorsorgefreiheit und könne dazu führen, dass betroffene Beamte später vor Gericht einen Wechsel in die klassische Beihilfe einklagen könnten. Das hätte dann wiederum beträchtliche Folgekosten für das Land zur Folge.

„Das Vorhaben ist verfassungsrechtlich bedenklich, weil dann, kurz gesagt der Dienstherr die Versorgung der Beamtinnen und Beamten nicht mehr in der eigenen Hand hätte“, erklärt Kottmann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe der Dienstherr, also das Land oder die Kommunen, eine sogenannte Fürsorgepflicht. Das bedeute, dass die Beamtinnen und Beamten im Krankheitsfall abgesichert sein müssten. Unter Hinweis auf das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts betont Kottmann. „Diese Fürsorgepflicht darf der Dienstherr nicht aus der Hand geben. Er darf sie vor allem nicht an die Gesetzlichen Krankenkassen delegieren, auf deren Leistungsniveau er keinen Einfluss hat.“

Die möglichen Konsequenzen für Baden-Württemberg schätzt der Rechtsanwalt wie folgt ein: „Ich fürchte, damit handelt das Land sich und den Kommunen erhebliche Prozessrisiken und potenzielle Zusatzkosten ein. Die Rechnung ‚Ich zahle einen pauschalen Arbeitgeberanteil und bin damit aus dem Schneider‘ wird voraussichtlich nicht aufgehen. Es ist verfassungsrechtlich völlig unklar, ob man Beamtinnen und Beamte später daran hindern kann, wieder in die klassische Beihilfe zurückzukehren. Da wird es zum Schwur spätestens dann kommen, wenn Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung steigen oder aber Leistungen gekürzt werden.“