Am 9. November hat die Bundesregierung zwei Digitalgesetze, das Digital-Gesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, in den Bundestag eingebracht. Damit die zügige Digitalisierung des Gesundheitswesens ein Erfolg wird, schlägt der PKV-Verband für beide Gesetzesentwürfe konkrete Verbesserungen vor.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bläst zur „digitalen Aufholjagd“: Im Zentrum seiner Initiative steht die elektronische Patientenakte (ePA). Sie soll eine bessere Behandlung und Forschung ermöglichen und für die gesamte Bevölkerung in einem Widerspruchsverfahren (Opt-out) eingeführt werden. Woran es beiden Gesetzesentwürfen mangelt, erläutert Dr. Anke Schlieker, Projektleiterin Gesundheitsversorgung im PKV-Verband.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die elektronische Patientenakte für alle einführen. Warum sollte die sogenannte Opt-out-ePA auch für die Private Krankenversicherung (PKV) verpflichtend sein?
Wir sind der Überzeugung, dass möglichst alle Versicherten unabhängig von ihrem Versicherungsstatus und egal, ob gesetzlich oder privat versichert, an den neuen digitalen Möglichkeiten und Angeboten teilhaben sollten. Wenn eine gesetzliche Verpflichtung eingeführt wird, dann sollte diese daher für alle Akteure des Gesundheitswesens gelten, nicht nur für die Kostenträger. Nur wenn der Nutzen hoch und die Anwendung einfach ist, werden wir eine breite Akzeptanz bei allen Beteiligten erreichen – und nur dann wird die elektronische Patientenakte erfolgreich sein.
Ist es sinnvoll, dass auch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) in der elektronischen Patientenakte eines oder einer Versicherten gespeichert ist?
Aus unserer Sicht ist alles gut, was den Nutzen der ePA erhöht. Daher begrüßen wir es, wenn die eAU wie das E-Rezept und weitere Anwendungen in die ePA integriert werden. Die Nutzerinnen und Nutzer benötigen dann nur noch eine App, in der alles gebündelt und übersichtlich vorliegt.
Die PKV ist derzeit leider noch nicht in den Prozess der eAU involviert, da das Bundesgesundheitsministerium die Umsetzung derzeit nicht priorisiert. Priorisiert ist aber die Umsetzung des E-Rezepts. Daher ist es sehr wichtig, dass diese Anwendung nicht nur als Einzel-App zur Verfügung steht, sondern in die Patientenakten eingebunden wird, die die privaten Krankenversicherungen an die Kunden ausgeben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass für die Versicherten eine Krankenversichertennummer vorliegt.
Setzt sich der PKV-Verband deshalb für eine zustimmungsfreie, obligatorische Vergabe der Krankenversichertennummer ein?
Ja. Im Moment ist es so, dass jeder Privatversicherte schriftlich beauftragen muss, eine Krankenversichertennummer (KVNR) zu erhalten. Das heißt, die Unternehmen schreiben ihre Versicherten an und bitten um dieses Einverständnis. Der Kunde muss Formulare ausfüllen und diese digital oder per Post zurückschicken. Das Problem: Viele Kunden antworten einfach nicht, werden daraufhin mehrfach kontaktiert – und sind am Ende genervt von etwas, das ihnen eigentlich nutzen soll.
Dabei wird die KVNR nicht nur für digitale Anwendungen benötigt, sondern für viele weitere Zwecke im Gesundheitswesen wie Meldungen an das Implantateregister oder an das Krebsregister. Auch für Modellvorhaben zur Genomsequenzierung ist die KVNR eine Voraussetzung, ohne die eine Teilnahme am Programm für den Patienten nicht möglich ist. Wenn hier zwei Monate ins Land gehen, um diese Nummer zu beantragen und zu erhalten, kann das bei einer Krebserkrankung lebensverkürzend sein. Sie sehen, die Anwendungsbereiche werden immer mehr.
Daher wollen wir den Prozess ändern, so dass die Kunden die Krankenversichertennummer nicht mehr beantragen müssen, sondern die Unternehmen diese zustimmungsfrei und verbindlich einrichten können. Finanzielle Mittel würden so effizienter eingesetzt und die Ziele besser erreicht.
Der PKV-Verband schlägt vor, die zustimmungsfreie, obligatorische Vergabe der Krankenversichertennummer in der PKV über das Implantateregistergesetz zu regeln. Warum?
Das ist ein pragmatischer Vorschlag. Über das Implantateregistergesetz gibt es bereits entsprechende gesetzliche Regelungen, die unserer Meinung nach schnell angepasst werden und die dann auch im Kontext des Digitalgesetzes gelten könnten. Uns liegt daran, dass zügig, möglichst im ersten Quartal 2024, die entsprechende Regelung greift, damit wir im kommenden Jahr alle Privatversicherten mit einer Krankenversichertennummer ausstatten können.
Im Rahmen des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes setzt sich die PKV für mehr Befugnisse zur Weiterverarbeitung von Gesundheitsdaten ein. Inwiefern können die Versicherten und die PKV-Unternehmen von den Daten profitieren?
Die privaten Krankenversicherer haben bereits vielfältige Gesundheitsservices und Unterstützungsangebote für ihre Versicherten, etwa zur Früherkennung und Prävention, zur Unterstützung bei akuten oder chronischen Krankheiten oder in der Pflege. Diese Dienstleistungen sind in der Regel kostenlos und haben einen hohen Nutzen für die Versicherten. Diese Dienstleistungen möchten die Unternehmen weiter ausbauen, um ihre Kundinnen und Kunden in Gesundheitsfragen noch umfassender und individueller zu begleiten. Vielfach stoßen sie dabei jedoch – ebenso wie bislang die GKV –an rechtliche Grenzen, insbesondere bei älteren Verträgen. Das geht zu Lasten der Versicherten. Um die datenschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen, braucht es unbedingt die Klarstellung durch den Gesetzgeber.