Für die Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Land gibt es kein Patentrezept. Das wurde auf einer Diskussionsveranstaltung des PKV-Verbands mit Politik und Ärztevertretern in Hannover deutlich. Es zeigte sich aber auch: Die Vergütungsstruktur ärztlicher Leistungen spielt eine wichtige Rolle.
Wenn von Wirtschaftskraft die Rede sei, dürfe man nicht nur an Automobilindustrie und Landwirtschaft denken, betonte Christian Grascha, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Denn auch die Gesundheitswirtschaft spiele in Niedersachsen eine wichtige Rolle - mit einem Erwerbstätigenanteil von über 17 Prozent. Angesichts des demografischen Wandels werde ihre Bedeutung in Zukunft sogar noch zunehmen. Deswegen sei es wichtig, hierauf den Fokus zu legen – insbesondere, was die Versorgung auf dem Land angehe.
Hierfür habe die Corona-Pandemie eventuell sogar eine Chance eröffnet, betonte er. Denn viele hätten es zu schätzen gelernt, im Grünen zu wohnen. Doch damit sich junge Familien und auch Ärztinnen und Ärzte vermehrt auf dem Land ansiedeln würden, seien mehrere Faktoren entscheidend, darunter ein guter öffentlicher Nahverkehr, Glasfaser- und Mobilfunkanbindung, Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt eben der Zugang zu medizinischer Versorgung.
Für Letzteres sei zudem eine angemessene Leistung-Vergütung wichtig, sagte Grascha mit Blick auf die höheren Honorarzahlungen von Privatversicherten. Deswegen warnte er davor, das duale System zu schwächen: „Wenn die Private Krankenversicherung geschwächt wird, zum Beispiel durch Änderungen in der Beihilfe, hätte das sofort negative Auswirkungen auf die Versorgung im ländlichen Raum.“
PKV ist kein Grund für Ärztemangel auf dem Land – im Gegenteil
Untermauert wird diese Ansicht von den Ergebnissen des Regionalatlas für Niedersachsen und Bremen, den Verbandsdirektor Florian Reuther auf der Veranstaltung vorstellte. Denn dieser zeigt eindeutig, dass Arztpraxen auf dem Land von den höheren Vergütungen durch Privatversicherte sogar noch mehr profitieren als Praxen in der Stadt. Dennoch sei die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Ballungszentren im Verhältnis zur Bevölkerungszahl höher. Für Florian Reuther zeigt dieses Ergebnis eindeutig: „Die PKV ist kein Grund für eine Unterversorgung auf dem Land. Das Gegenteil ist der Fall. Für den Mangel an Ärzten sind andere Faktoren verantwortlich.“
Wie akut dieser Mangel tatsächlich ist, verdeutlichte Mark Barjenbruch, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Laut einer Untersuchung würden bis 2035 allein 500 Fachärzte im Bundesland fehlen, wenn nichts unternommen werde. Bei den Hausärzten seien es sogar mehr als 1.000. Auch er sprach als eine Lösungsoption die Vergütung an: „Die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen ist keine Werbung dafür, sich in einer Praxis niederzulassen. Das System ist überholt.“ Auch für die Kassenärzte wünsche er sich eine Vergütung gemäß der tatsächlich erbrachten Leistungen und frei von Budgetierungen.
GOÄ: Kritik an Blockadehaltung der Politik
Nicht mehr zeitgemäß ist indes auch die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die in ihren wesentlichen Bestandteilen über 30 Jahre alt ist. Sowohl Florian Reuther als auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), betonten daher die außerordentlich gute Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines gemeinsamen Vorschlags für eine neue Gebührenordnung. Verwundert zeigte sich der BÄK-Chef allerdings über die Blockadehaltung der Politik, die den gemeinsamen Entwurf aus politischen Gründen nicht umsetzen wolle: „Wenn mir das Bundesgesundheitsministerium signalisiert, dass wir die richtigen Argumente anführen und eine neue GOÄ absolut notwendig sei, dann aber mit der Begründung nichts passiert, die Umsetzung sei ein Politikum, dann mache ich mir ernsthaft Gedanken über die Art und Weise, wie wir regiert werden.“
Testbetrieb der neuen GOÄ bis Ende des Jahres
Dieser Aussage konnte Florian Reuther nur beipflichten: Es sei „ein Unding, dass die neue GOÄ vom Ministerium nicht so vorangetrieben wird, wie es notwendig wäre.“ Doch PKV und Ärzteschaft würden sich davon nicht beirren lassen: „Wir sind soweit gekommen, dass wir gemeinsam mit den Privatärztlichen Verrechnungsstellen in einen Testbetrieb gegangen sind, in dem wir die Auswirkungen der Leistungsbeschreibungen unseres gemeinsamen Vorschlags mit der bestehenden GOÄ vergleichen. Das soll uns Sicherheit in der wirtschaftlichen Bewertung geben. Dafür werden 1.500 Rechnungen nach den neuen Regeln transkodiert. Damit wollen wir bis Jahresende fertig sein. Und dann werden wir erneut gemeinsam auf die Politik zugehen.“