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Kurz vor Ende der Legislaturperiode bringt die Bundesregierung Teile der geplanten Pflegereform auf den Weg. Die Reform belastet die Pflegebedürftigen und die Beitragszahler mit zusätzlichen Kosten. Warum das Vorhaben den Reformbedarf der Pflegeversicherung verstärken wird, erklärt der PKV-Verband.

04.06.2021 – „Pflege ist die soziale Frage der 20er Jahre“, führte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei der Ankündigung einer umfassenden Pflegereform im Oktober 2020 aus. Zumindest ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren wäre der Bedeutung des Vorhabens würdig gewesen. Nun will das Bundeskabinett die dritte Pflegereform binnen fünf Jahren mit Änderungsanträgen zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) durchsetzen. Vorgesehen ist unter anderem ein nach Dauer des Heimaufenthalts gestaffelter Zuschuss, mit dem der Eigenanteil für stationär Pflegebedürftige begrenzt wird. Zudem sollen Pflegeeinrichtungen für eine Zulassung zukünftig ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen müssen.

Für die Ausweitung der Leistungsansprüche in der Pflegeversicherung bieten die Reformpläne allerdings keine nachhaltige Finanzierungsperspektive, wie der PKV-Verband in seiner Stellungnahme zeigt. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums kommen auf die gesetzliche Pflegeversicherung Mehrausgaben von 3,14 Milliarden Euro zu. Ihnen stehen ein jährlicher Steuerzuschuss von 1 Milliarde Euro sowie zusätzliche Beitragsmehreinnahmen von 400 Millionen Euro infolge der Erhöhung des Beitragszuschlags für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte gegenüber. Schon jetzt ist klar: Der Pflegeversicherung würde eine Finanzlücke von etwa 1,8 Milliarden Euro entstehen.

Weitere Hypothek zu Lasten der jüngeren Generationen

Die Einführung eines Bundeszuschusses zur Sozialen Pflegeversicherung (SPV) ist gleich aus zwei Gründen problematisch. „Das demografische Problem, dass immer weniger Beitrags- und Steuerzahler für immer mehr Leistungsempfänger aufkommen müssen, wird dadurch nicht gelöst, sondern sogar verschärft“, erklärt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther zum Kabinettsbeschluss. Denn in den nächsten Jahren werden viele Menschen aus der sogenannten Babyboomer-Generation in den Ruhestand gehen. Sie zahlen dann deutlich weniger Beiträge und kommen zusehends selbst ins pflegebedürftige Alter. Das führt zu steigenden Kosten, die vor allem die immer weniger werdenden aktiven Erwerbstätigen finanzieren müssen.

Ob die Jüngeren diese Summen durch Sozialbeiträge oder Steuern aufbringen müssen, spielt für deren Gesamtbelastung letztlich keine große Rolle. „Beides ist eine weitere Hypothek zu Lasten der jüngeren Generationen und des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, stellt Florian Reuther klar. „Der Einstieg in eine Steuerfinanzierung gaukelt Sicherheit lediglich vor, macht aber die Pflege vom Bundeshaushalt abhängig, wo sie mit anderen Staatszielen konkurriert.“ Zudem benachteiligt ein Steuerzuschuss zur SPV in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise die Versicherten der Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV).

Private und betriebliche Pflegevorsorge nicht im Konzept

Dagegen sind die einzigen zukunfts- und generationengerechten Ansätze des ursprünglichen Reformentwurfs, die Stärkung der privaten und betrieblichen Pflegevorsorge, komplett aus der Gesetzesvorlage entfallen. „Es ein großer Fehler, dass die vorgesehene Förderung privater oder betrieblicher Pflegezusatzversicherungen unter den Tisch gefallen ist“, kritisiert Reuther. Zur langfristigen und zukunftsfesten Sicherung der Pflege müsse stärker auf private Pflegevorsorge abgestellt werden.

Angesichts der massiven langfristigen Kostenwirkungen in Milliardenhöhe und auch mit Blick auf fachliche Mängel in den Details des Entwurfs sollte eine so grundlegende Reform nach Ansicht des PKV-Verbands nicht mitten in der Corona-Pandemie, sondern besser in der nächsten Wahlperiode gründlich beraten werden. Wie beim Klimawandel gilt auch für die Pflege das Gebot einer nachhaltigen Politik, die sich ihrer Verantwortung für die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen stellen muss.

Entscheidung im Bundestag noch vor der Sommerpause

Vor den Auswirkungen der Pflegereform warnen auch die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen. Die vorliegenden Änderungsanträge würden die Finanzlage der Pflegeversicherung weiter zuspitzen, erklärte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes. Der Verband erwartet im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke von rund zwei Milliarden Euro. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält daher eine Beitragssteigerung für unausweichlich. Damit sei das Ziel der Bundesregierung gefährdet, die Sozialversicherungsbeiträge auf maximal 40 Prozent zu begrenzen, um Unternehmen und Arbeitnehmern nicht noch mehr zu belasten. Schon heute belegt Deutschland bei Steuern und Sozialabgaben den Spitzenplatz unter den OECD-Ländern.

Zu einer kritischen Bewertung des Kabinettsbeschlusses kommt auch die „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“, die vom PKV-Verband mitgetragen wird. Die geplante Steuerfinanzierung stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken. Ohne ausreichende Gegenfinanzierung und einer nachhaltigen Finanzierungsstrategie für unsere alternde Gesellschaft sollte die Entscheidung über die Pflegereform besser auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geht gleichwohl davon aus, dass der Bundestag den mit den Regierungsfraktionen abgestimmten Reformplänen noch vor der Sommerpause zustimmen wird.

Die Stellungnahme des PKV-Verbands zur Anhörung zur geplanten Pflegereform im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags lesen Sie hier.