• Der PKV-Verband weist darauf hin, dass aus dem kurzfristigen Vorteil potentieller Boni mittel- und langfristig ein Nachteil erwachsen kann, da die Nichtgeltung der Arzneimittelpreisverordnung insgesamt zu einem höheren Preisniveau führen könnte. Dies wäre den Unternehmen und Versicherten der PKV nicht zumutbar.
  • Zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen sollten im Einvernehmen mit dem PKV-Verband verhandelt werden. Der Anspruch der Privatversicherten und Beihilfeberechtigten auf diese Leistungen sollte ausdrücklich gesetzlich normiert werden, zumal diese die Dienstleistungen über § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bezahlen.

I. Allgemeine Einleitung

Nach dem Urteil des EuGH vom 19.10.2016 (Az.: C-148/15) ist die Preisbindung der Arzneimittelpreisverordnung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für EU-Versandapotheken nicht anwendbar, während Apotheken mit Sitz in Deutschland an das deutsche Preisrecht gebunden sind. Somit ist der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) vom 22.8.2012 (GmS-OGB 1/10), dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, durch das Urteil des EuGH überholt. Der Gesetzgeber reagiert auf die Entscheidung mit der Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG).

Zur Wahrung der flächendeckenden Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu gleichen Preisen soll in Deutschland weiterhin ein einheitlicher Apothekenabgabepreis gelten. Zwecks Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH wird geregelt, dass Apotheken zu Lasten der GKV verordnete Arzneimittel an GKV-Versicherte nur abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen dürfen, wenn der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V für sie Rechtswirkung hat. Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkung hat, sind bei Abgabe von zu Lasten der GKV verordneter Arzneimittel zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet und dürfen gesetzlich Versicherten keine Zuwendungen gewähren.

Der Gesetzgeber verzichtet damit auf die gemäß dem Koalitionsvertrag anzustrebende Umsetzung des Versandhandelsverbotes verschreibungspflichtiger Arzneimittel, da er ein solches Verbot als europarechtlich angreifbar ansieht. Gewissermaßen als Gegenleistung für die Abkehr vom Rx-Versandhandelsverbot sollen die deutschen Vor-Ort-Apotheken neue entgeltliche pharmazeutische Dienstleistungen anbieten dürfen. 

Der PKV-Verband begrüßt das Anliegen, vier Jahre nach Urteil des EuGH Rechtssicherheit herstellen zu wollen. Die vorgesehenen Maßnahmen könnten allerdings Auswirkungen auf das Preisgefüge und die Arzneimittelversorgung in Deutschland haben, die derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können.

II. Stellungnahme zu wichtigen Regelungsmaterien mit Bezug zur PKV

Aufhebung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG i.V. mit § 129 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V-E

Vorgeschlagene Regelung

Der Satz, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die aus dem EU/EWG-Raum nach Deutschland verbracht wurden, wird aus dem Arzneimittelgesetz gestrichen. Gleichzeitig dürfen Apotheken zu Lasten der GKV verordnete Arzneimittel an GKV-Versicherte nur abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen, wenn der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V für sie Rechtswirkung hat. Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkung hat, sind bei Abgabe von zu Lasten der GKV verordneter Arzneimittel zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet und dürfen gesetzlich Versicherten keine Zuwendungen gewähren.

Bewertung

Der Gesetzgeber argumentiert, dass die Ausgestaltung des nationalen Systems sozialer Sicherung der Verantwortung der Mitgliedsstaaten obliegt – und deshalb auch nur dieser Bereich geregelt werden dürfe.

Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-WSG  einen neuen Typ privatrechtlicher Versicherung geschaffen, der Regelungen des sozialen Ausgleichs verpflichtend vorsieht. Damit wirken die das privatwirtschaftliche Versicherungswesen prägenden Merkmale nur begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass die Private Krankenversicherung eine zweite Säule der Absicherung im Krankheitsfall ist. Es hat anerkannt, dass auf Grund der Einführung der Pflicht zur Versicherung eine Verantwortlichkeit des Gesetzgebers dafür besteht, dass die privaten Krankenversicherer nicht in unzumutbarer Weise belastet werden. Das Ziel eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes für Privatversicherte und die dauerhafte Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der PKV sind demnach beachtliche Interessen des Gemeinwohls.  

Mit der Einführung der Geltung der Erstattungsbeträge gem. § 130b SGB V auch für Privatversicherte und Beihilfeberechtigte sollte verhindert werden, dass für nicht in der GKV Versicherte höhere Kostenbelastungen für Arzneimittel entstehen als für gesetzlich Versicherte. Durch die Regelung sollte ausweislich der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass alle Versicherten gleichermaßen Zugang zu einer wirtschaftlichen Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Preisen behalten. Deshalb dürfen sich die Preise für gesetzlich und privat Versicherte nicht auseinanderentwickeln, denn unterschiedliche Preise für gleiche – gesundheitlich notwendige – Produkte wären nicht zumutbar.

Im Bereich der Versorgung von Patienten insbesondere mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln funktionieren die üblichen Preismechanismen nicht. Anders als bei nicht dringlichen, verzichtbaren oder austauschbaren Gütern kann der Preis hier nicht als Lenker wirken. Die Nachfrage wird insbesondere bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht durch den Preis, sondern durch die medizinische Notwendigkeit bestimmt. Die Preiselastizität ist also gleich Null. Dies ist völlig unabhängig vom Versicherungsstatus des Patienten.

Dieses „Preisversagen“ ist der Grund für die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung. Hauptziel der Regulierung ist es, den Preiswettbewerb auf der Versorgungsstufe zur Vermeidung eines Verdrängungswettbewerbs im Interesse der gleichmäßigen Flächendeckung sowie im Interesse der Verbraucher und zur Ermöglichung einer Mischkalkulation zu verhindern. Es sollen die Verbraucher – unabhängig vom Versicherungsstatus – und die Sicherungssysteme (auch die Beihilfe) im Hinblick auf die Unverzichtbarkeit medizinisch notwendiger Leistungen und das Fehlen der Verbrauchersouveränität vor überhöhten Preisen geschützt werden. Insoweit trägt die in der Gesetzesbegründung formulierte Bezugnahme auf das Sachleistungsprinzip nicht.

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft hat, wie den Vorgaben des EuGH Genüge getan werden kann. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass aus dem kurzfristigen Vorteil der Inanspruchnahme von potentiellen Boni mittel- und langfristig ein Nachteil erwachsen kann, da die Nichtgeltung der Arzneimittelpreisverordnung insgesamt zu einem höheren Preisniveau führen könnte. Dies wäre im o.g. Sinne den Unternehmen und Versicherten der PKV nicht zumutbar.

Einführung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen 

Vorgeschlagene Regelung

Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker und der GKV-Spitzenverband werden verpflichtet, im Benehmen mit dem PKV-Verband zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen zu vereinbaren. Die zu vereinbarenden Dienstleistungen müssen über die bestehenden Informations- und Beratungsverpflichtungen hinausgehen und sollen zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Die Finanzierung dieser Dienstleistungen erfolgt durch einen zusätzlichen Erhöhungsbetrag des Festzuschlags in Höhe von 20 Cent je abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels.

Bewertung

Grundsätzlich haben die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung Interesse an der Vereinbarung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen, denn die Versorgung der Patienten kann durch die Einbindung der pharmazeutischen Kompetenz der Apotheker grundsätzlich verbessert werden. Allerdings handelt es sich bei pharmazeutischen Dienstleistungen, die über die üblichen Beratungsleistungen hinaus erbracht werden, eindeutig um einzelvertraglich und wettbewerblich zu regelnde Sachverhalte. Die gewählte Konstruktion verhindert zwar nicht per se wettbewerbliche Optionen, beschränkt diese aber faktisch durch die fixe Vergütung in der Arzneimittelpreisverordnung. Der PKV-Verband hätte es begrüßt, wenn für im Detail überhaupt erst zu vereinbarende pharmazeutische Leistungen die Höhe der Vergütung den Vertragspartnern überlassen worden wäre.

Problematisch ist, dass die Privatversicherten die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen über die Neuregelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV zahlen sollen, aber an keiner Stelle des Entwurfes vorgesehen ist, dass sie diese auch in Anspruch nehmen können. Es bedarf daher einer gesetzlichen Klarstellung, dass Privatversicherte und Beihilfeberechtigte die pharmazeutischen Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Die Formulierung eines Anspruchs darf nicht einer Vereinbarung und damit dem Ermessen der Vertragspartner überlassen werden.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der PKV-Verband am Zustandekommen der Vereinbarung gem. § 129 Abs. 5d Satz 4 SGB V-E nur „im Benehmen“ beteiligt ist und nicht gleichberechtigt mitwirkt.  Der PKV-Verband fordert daher eine Einvernehmensregelung, damit die Interessen der Privatversicherten hinreichend vertreten werden können.

Abschließend ist anzumerken, dass von den neuen Leistungen Apotheken mit einer hohen Anzahl von Patientenkontakten wesentlich stärker profitieren werden als wenig frequentierte Apotheken. Entsprechend wird die beabsichtigte „Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ sehr unterschiedlich ausfallen.

Änderung des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel

Vorgeschlagene Regelung

Es wird klargestellt, dass pharmazeutische Unternehmer den privaten Krankenversicherungsunternehmen und den Trägern der Beihilfe für verschreibungspflichtige Arzneimittel die Abschläge nach Satz 1 auch dann zu gewähren haben, wenn Arzneimittel aus dem EU-Ausland importiert wurden.

Bewertung

Der PKV-Verband begrüßt die vorgesehene Regelung. Die lange Zeitspanne zwischen Kabinettsbeschluss und 1. Lesung im Deutschen Bundestag haben leider Versandapotheken im europäischen Ausland weiter dazu veranlasst, die gesetzlichen Abschlagszahlungen zu verweigern. Daher ist es dringend geboten, zeitnah Rechtssicherheit herzustellen.

Stellungnahme zum Download