Stellungnahme 30. September 2024

Der PKV-Verband begrüßt gesetzliche Regelungen, die den Pflegeberuf attraktiver gestalten. Zu kritisieren ist jedoch, dass darüber hinaus neue Regelungen und neue Ansprüche eingeführt werden. Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung lässt weitere Steigerungen der Leistungsausgaben nicht zu.

Zusammenfassung

  • In Anbetracht der finanziellen Lage der Pflegeversicherung sind aus PKV-Sicht weitere Leistungsausweitungen abzulehnen. Die Annahmen zu Minderausgaben sind durchgehend nicht plausibel.
  • Der bürokratische Aufwand sollte für alle Beteiligten reduziert werden. Viele der vorgeschlagenen Regelungen erhöhen ihn jedoch.
  • Das Leistungsrecht muss dringend vereinfacht werden. Stattdessen würden die neuen Regelungen und der neue Leistungsbereich neben der häuslichen und vollstationären Versorgung die Komplexität des Leistungsrechts weiter erhöhen.   

I. Allgemein

In Deutschland sind immer mehr Menschen auf pflegerische Versorgung angewiesen. Dies stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen, denn der steigenden Zahl von Leistungsempfängern stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber. Gleichzeitig trifft die Nachfrage nach ausgebildetem Pflegepersonal auf einen zunehmenden Fachkräftemangel. Allein bis 2030 werden in Pflegeheimen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt. Das entspricht rund 99.000 Vollzeitstellen. Nur auf die Zuwanderung von Pflegekräften zu hoffen, reicht nicht aus. Die in Deutschland möglichen Potenziale müssen genutzt werden. Der PKV-Verband begrüßt daher gesetzliche Regelungen und andere Bemühungen, um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten. Dies darf allerdings nicht mit einer zusätzlichen Belastung der Pflegefachpersonen durch weitere Aufgaben, insbesondere administrativer Art, und nicht mit einer Steigerung der Bürokratie einhergehen.

Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl Pflegebedürftiger und der zunehmenden Personal-engpässe in der Pflege, ist die Vermeidung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit dringend geboten und für die PKV ein zentrales Anliegen. Die häusliche Pflege bietet dabei große Potenziale zur Förderung der Fähigkeiten und der Selbstständigkeit, insbesondere von Menschen mit beginnendem Pflegebedarf. Die Potenziale werden bislang nicht systematisch in die pflegerische Versorgung integriert. Es sollte daher geprüft werden, wie grundsätzlich eine umfas-sende Präventionsorientierung auch des Pflegesystems – im Sinne von health in all policies – sichergestellt werden kann.

Schließlich nimmt das Pflegekompetenzgesetz im Leistungsrecht zahlreiche und teils weitreichende Änderungen vor. Hier ist zu kritisieren, dass neue Regelungen und neue Ansprüche eingeführt werden, die jeweils zu einer Erhöhung der Leistungsansprüche führen. Darüber hinaus werden bei mehreren Fördertatbeständen die Fördersummen erhöht und neue Geschäftsstellen geschaffen, die ebenfalls von der Pflegeversicherung finanziert werden sollen.

Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung lässt es nicht zu, dass Steigerungen der Leistungsausgaben herbeigeführt werden. Die Annahme, dass es zu Minderausgaben kommen wird, beruht auf Vermutungen zur Entwicklung der Leistungsinanspruchnahme des neu eingeführten Leistungsbereichs der gemeinschaftlichen Wohnformen, der zwischen der häuslichen und vollstationären Versorgung angesiedelt ist. Es wurden verschiedene ähnliche Leistungsformen nur in Modellprojekten erprobt, und es bestehen keine Erfahrungen damit, wie die neu gestaltete Leistung in Anspruch genommen wird. Daher ist eine Annahme von so hohen Minderausgaben, die sämtliche Leistungsausweitungen und Erhöhungen der Fördersummen nicht nur aufwiegen, sondern insgesamt zu Minderausgaben führen, sehr gewagt. Diese Annahmen, deren Richtigkeit ungewiss ist, können zu einer deutlichen weiteren finanziellen Überforderung der Pflegeversicherung führen, wenn die angenommene Entwicklung bezüglich der Ausgaben nicht eintritt.

Darüber hinaus führen viele der Änderungen zu einem Anstieg der Komplexität des Leistungsrechts. Es wird dadurch nicht verständlicher oder transparenter. Der Beratungsbedarf dürfte sich deutlich erhöhen.

Ebenfalls geht mit den Änderungen ein Anstieg der Bürokratie einher. Sie führen nicht zu einer dringend benötigten Entbürokratisierung. Dies sollte vermieden werden, um personelle und finanzielle Ressourcen zu schonen.

In der Pflegebegutachtung sollten alle Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, um die Begutachtung so effektiv wie möglich zu gestalten. Eines Modellprojekts zur Übernahme einiger Aufgaben oder der gesamten Pflegebegutachtung durch Pflegefachpersonen, die in Pflegeeinrichtungen arbeiten, bedarf es dafür nicht. Dieser Ansatz der Übertragung der Be-gutachtung von den Medizinischen Diensten auf Pflegefachpersonen der Pflegeeinrichtungen führt zu einer Verlagerung der Aufgaben. Es belastet die Pflegefachpersonen mit weiteren Aufgaben, unter anderem administrativer Art, anstatt sie zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die pflegerische Versorgung zu geben. 

II. Zu ausgewählte Regelungen

Zu Art. 1 Nr. 5 d) (§ 8 Abs. 7 SGB XI - Gemeinsame Verantwortung) und Art. 1 Nr. 46 e) (§ 113c SGB XI - Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen)

Vorgeschlagene Regelungen
Die gem. § 8 Abs. 7 SGB XI jährlich zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro zur Förderung von Maßnahmen der Pflegeeinrichtungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf sollen auch für die Finanzierung einer qualifizierten Geschäftsstelle nach § 113c Abs. 9 SGB XI verwendet werden können. Es wird von Kosten in Höhe von 275.000 Euro pro Jahr für die Errichtung und den Betrieb der Geschäftsstelle ausgegangen. Die Geschäftsstelle ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet.

Bewertung
Die zu errichtende Geschäftsstelle soll die Pflegeeinrichtungen bei den erforderlichen Entwicklungsprozessen bezüglich einer guten Versorgung und eines effektiven Personaleinsatzes unterstützen. Dazu sollte jedoch keine neue Geschäftsstelle eingerichtet werden. Es wäre sinnvoller, hierfür digitale Informations- und Unterstützungsangebote, zum Beispiel auf einer dafür zu schaffenden Internetseite anzubieten. Zudem fallen die von der Geschäftsstelle zu leistenden Aufgaben überwiegend in die Zuständigkeit der Träger und Verbände der Pflegeeinrichtungen.

Es ist nicht Aufgabe der Pflegeversicherung, ein solches Angebot zu finanzieren. Auch wenn dies aus Mitteln finanziert werden soll, die gemäß § 8 Abs. 7 SGB XI ohnehin zur Verfügung gestellt würden, geht damit eine weitere finanzielle Belastung der Pflegeversicherung einher.
Außerdem führt die vorgesehene Erweiterung der Nutzung der zur Verfügung stehenden Fördermittel nach § 8 Abs. 7 SGB XI zu Intransparenz hinsichtlich der je Fördertatbestand genutzten Mittel. Dies erschwert die Abwicklung des Förder- und Abrechnungsverfahrens.

Vorschlag
Die beiden vorgeschlagenen Regelungen sollten nicht eingeführt werden.

Sollte die Geschäftsstelle dennoch errichtet werden, hat die Beauftragung der unabhängigen qualifizierten Institution für diesen Zweck gemeinsam mit dem Verband der Privaten Kran-kenversicherung zu erfolgen, da die private Pflegepflichtversicherung an der Finanzierung der Geschäftsstelle beteiligt ist.

Darüber hinaus sollten Synergieeffekte mit bereits bestehenden Geschäftsstellen, wie zum Beispiel der Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses Pflege, geprüft werden.


Zu Art. 1 Nr. 7 (§ 9 SGB XI - Aufgaben der Länder)

Vorgeschlagene Regelung
Die bereits bestehende Verantwortung der Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur wird um die Möglichkeit einer kommunalen Pflegestrukturplanung ergänzt.

Bewertung
Eine kommunale Pflegestrukturplanung stellt eine gesicherte Grundlage zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgungsstruktur dar und ist insoweit zu befürworten.

Darüber hinaus müssen die Länder ihrer Verantwortung bei der Finanzierung nachkommen, indem sie die betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen übernehmen. So können die Pflegebedürftigen hinsichtlich der Tragung der Eigenanteile entlastet werden.  


Zu Art 1 Nr. 12 (§ 15 SGB XI – Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument)

Vorgeschlagene Regelung
Bis zum 31. Dezember 2025 legt der GKV-Spitzenverband dem BMG einen Bericht zu den Erfahrungen der Pflegekassen und der Medizinischen Dienste mit dem Begutachtungsinstrument und zu möglichen Weiterentwicklungen vor. Dabei ist auch die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen zu berücksichtigen.

Bewertung
Die vorgesehenen Untersuchungen zu den Erfahrungen mit dem Begutachtungsinstrument, möglichen Weiterentwicklungen und zur Analyse der Entwicklung der Anzahl der Pflegebedürftigen ist sinnvoll und wichtig. Denn das Begutachtungsinstrument wurde als ein Instrument eingeführt, das auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen und pflegefachlichen Erkenntnisse ständig weiterentwickelt werden soll. Aufgrund der zu beobachtenden anhaltenden Zunahme an Pflegebedürftigen ist es auch für die weitere Entwicklung der Begutachtung und der Pflegeversicherung wichtig, zu wissen, wie die Entwicklungen in den einzelnen Pflegegraden sind und was die Ursachen dafür sind.

In der privaten Pflegepflichtversicherung und bei dem Medizinischen Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung, der Medicproof GmbH, wird ebenfalls ein Anstieg der Pflegebedürftigen beobachtet, und aufgrund der bundesweit durchzuführenden Begutachtungen werden vielfältige Erkenntnisse zum Begutachtungsinstrument gesammelt. Diese werden auch genutzt, um Verbesserungsvorschläge zur Begutachtung und zur Durchführung der Begutachtung, zum Beispiel per telefonischer Begutachtung oder Video-Begutachtung einzubringen. Darüber hinaus hat Medicproof ein wissenschaftliches Dossier „Pflegegrad 1 in der Begutachtung - Datenanalyse und Gutachterbefragung“ erstellt, das wichtige Erkenntnisse zu den Aspekten enthält, die von den Themen des Berichts nach § 15 Abs. 8 SGB XI umfasst wären.

Vorschlag
Der zu erstellende Bericht sollte durch den GKV-Spitzenverband gemeinsam mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. unter Einbeziehung der Erfahrungen der Medicproof GmbH erstellt werden. Dies würde den Erkenntnisgewinn steigern und zu einem umfassenden Bild der Pflegeversicherung führen.

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die Begutachtungsformate zu flexibilisieren. In allen ge-eigneten Fällen sollten die telefonische oder Video-Begutachtung oder Aktenlagegutachten ermöglicht werden.    

Weiterführende Vorschläge
Die Erkenntnisse von Medicproof in dem Wissenschaftlichen Dossier zu Pflegegrad 1 in der Begutachtung zeigen auf, dass es wichtig ist, nicht nur die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen zu beobachten. Entscheidend ist es, bereits jetzt zu prüfen, ob die Leistungen der Pflegeversicherung richtig und gerecht verteilt sind. Ein Nachweis, dass Pflegegrad 1 seine ursprünglichen Ziele wie Prävention und Verzögerung der Pflegebedürftigkeit erreicht, liegt nicht vor. Die Leistungen der Pflegeversicherung, die aufgrund der Demographie in finanzieller und personeller Hinsicht begrenzt sind, sollten gezielt nur die Personen erhalten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit tatsächlich auf diese Leistungen angewiesen sind. Bei Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 kann nicht davon ausgegangen werden. Daher sollte eine entsprechende Änderung hinsichtlich der Verteilung der Leistungen erfolgen. Die Ansprüche der Personen mit Pflegegrad 1 sollten aufgehoben oder jedenfalls deutlich reduziert werden, zum Beispiel nur auf Beratungsangebote und Pflegekurse.

Außerdem sollten die Begutachtungsfristen abgeschafft werden, weil sie nicht zu einer Be-schleunigung führen. Sie verursachen nur Aufwände durch den Nachweis des Einhaltens der Begutachtungsfristen und Berücksichtigung der Verzögerungszeiten und Fristhemmnisse. Die Ressourcen der Medizinischen Dienste bzw. Medicproof sollten vielmehr zur Durchführung von Begutachtungen genutzt werden


Zu Art 1 Nr. 14b) (§ 18e SGB XI – Weiterentwicklung des Verfahrens der Pflegebe-gutachtung durch Modellvorhaben, Studien und wissenschaftliche Expertisen)

Vorgeschlagene Regelung
Nach § 18e Abs. 6 SGB XI beauftragt der Medizinische Dienst Bund bis spätestens 31. Dezember 2025 die Durchführung eines Modellprojekts zur Prüfung der Möglichkeiten der Übernahme von Aufgaben im Rahmen des Begutachtungsverfahrens durch Pflegefachpersonen, die in der Versorgung nach dem SGB V oder SGB XI tätig sind.

Bewertung
Die Versicherten und Beitragszahler haben einen Anspruch auf eine unabhängige Begutachtung. Die Unabhängigkeit ist besonders wichtig, da die Maßstäbe der Begutachtung Ermessensspielräume lassen und eine Momentaufnahme abbilden. Dies ist in der Krankenbehandlung anders, wo es um medizinische Notwendigkeit geht.

Führen Pflegekräfte der Pflegeeinrichtungen bei von ihnen pflegerisch versorgten Pflegebedürftigen die Pflegebegutachtung durch, ist die Unabhängigkeit der Begutachtung nicht sichergestellt. Es entstehen Interessenkonflikte, weil die Pflegebedürftigen eine bestimmte Erwartungshaltung haben und sich durch die dauerhafte Pflege ein gewisses Näheverhältnis entwickelt hat.

Nicht zu vernachlässigen sind die wirtschaftlichen Folgen, wenn ein Leistungserbringer gleichzeitig bestimmen kann, welche Leistungen Versicherte von der Pflegeversicherung er-halten. Schließlich hat die Feststellung der Pflegebedürftigkeit in der Regel auch die dauerhafte Leistungsgewährung zur Folge.

Die Pflegebegutachtung wird bereits seit langer Zeit sehr gut durch Pflegefachkräfte der Medizinischen Dienste durchgeführt. Diese Kompetenz haben sie also schon, so dass es sich nicht um eine Neuerung handelt.

Durch Schulungen, Fortbildungen und ständige Qualitätssicherung gewährleistet Medicproof eine einheitliche, auf gleichen Maßstäben beruhende und damit gerechte Begutachtung. Außerdem ist dies wesentlich wirtschaftlicher, als wenn jede Pflegeeinrichtung Schulungen, Fortbildung, Qualitätssicherung, datenschutzrechtlich gesicherte elektronische Kommunikation mit Versicherten, Pflegekassen, Versicherungsunternehmen etc. durchführen muss.

Die Aufgaben der Medizinischen Dienste dürfen nicht zu deren Entlastung auf die Pflegeeinrichtungen bzw. die dort tätigen Pflegefachkräfte verlagert werden. Dies führt zu einer Mehr-belastung der Pflegefachkräfte und erfordert den aufwändigen Aufbau neuer Strukturen. Die Pflegefachkräfte der Pflegeeinrichtungen mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten, verschärft die aufgrund des Fachkräftemangels bestehenden Probleme.

Insgesamt sprechen diese Argumente gegen die Durchführung eines solchen Modellprojekts und die Überführung in die Regelversorgung.

Vorschlag
§ 18e Abs. 6 SGB XI sollte nicht eingeführt werden.

Sollte die Regelung dennoch eingeführt werden, sollten folgende Änderungen aufgenommen werden:

In Abs. 6 S. 2 sollte nach „prüfen,“ „ob,“ eingefügt werden. So wäre das Modellprojekt ergeb-nisoffen, weil noch nicht feststeht, ob eine Beauftragung der Pflegefachpersonen mit der Übernahme von Aufgaben im Rahmen des Begutachtungsverfahrens sinnvoll ist und auch in der Praxis für alle Beteiligten praktikabel umgesetzt werden kann.

Abs. 6 S. 4 Nr. 2 wäre ersatzlos zu streichen. Denn eine regelhafte vollständige Übernahme der Begutachtung durch Pflegefachpersonen sollte aus den genannten Gründen nicht erfolgen. Würde es bei der Regelung bleiben, müsste in dem Zusammenhang überprüft werden, inwiefern die Qualitätssicherung der Begutachtung sichergestellt wird, wie eine Begutachtung nach einheitlichen Maßstäben erfolgen kann und ob die erstellten Gutachten ohne Medienbrüche den Pflegekassen beziehungsweise privaten Versicherungsunternehmen übermittelt werden können und wie Gutachten beauftragt werden beiehungsweise sichergestellt wird, dass eine Begutachtung überhaupt erforderlich ist.

In Abs. 6 S. 5 sollte nach „Fünften Buches“ „und der Medizinische Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung, die Medicproof GmbH,“ eingefügt werden. Da Medicproof für die gesamte private Pflegepflichtversicherung die Pflegegutachten erstellt, wäre Medicproof auch in das Modellprojekt einzubeziehen.


Zu Art 1 Nr. 17a) (§ 37 SGB XI – Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen)

Vorgeschlagene Regelung
§ 37 Abs. 3a SGB XI wird neu gefasst. Wird bei der Beratung festgestellt, dass weitere Maßnahmen zur Stärkung der Selbständigkeit des Pflegebedürftigen, zur Sicherstellung der Versorgung oder zur Entlastung der häuslich Pflegenden erforderlich sind, sind Pflegebedürftige und häuslich Pflegende auf bestimmte Angebote hinzuweisen. Dies ist in den Nachweis über den Beratungsbesuch aufzunehmen. Seitens der Pflegeversicherung ist bei der Inanspruch-nahme der empfohlenen Angebote zu unterstützen.

Bewertung
Die vorgesehenen Änderungen sind sinnvoll und bieten den Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen zusätzliche Unterstützung.

Darüber hinaus muss die Regelung zum Beratungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI grundlegend überarbeitet werden. Der Einsatz des Beratungsbesuchs erfolgt nicht in Abhängigkeit vom jeweiligen Beratungsbedarf der Pflegebedürftigen, sondern abhängig vom Pflegegrad je Quartal oder Halbjahr.

Hinzu kommt, dass nur bei unter 1 Prozent der Pflegegeldbezieher eine nicht sichergestellte Pflege festgestellt wird. Die Pflegebedürftigen können ihre datenschutzrechtliche Einwilligung zur Weitergabe der Informationen verweigern, so dass eine nicht sichergestellte Pflege folgenlos bleiben kann.

Das gesamte Verfahren ist daher für alle Beteiligten mit unnötigem bürokratischen Aufwand und Formalismus verbunden. Es bindet die wertvollen Ressourcen der Pflegefachkräfte für Beratungsbesuche unabhängig davon, ob diese erforderlich sind und für Verwaltungstätigkei-ten, wie das Ausfüllen der Formulare für den Beratungsbesuch. Die Pflegefachkräfte sollten davon entlastet werden und stattdessen die Zeit für die Erbringung pflegerischer Leistungen nutzen können.

Um hier eine Erleichterung und Vereinfachung für alle Beteiligten zu erreichen, sollte das Erfordernis für reine Pflegegeldbezieher, einen Beratungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI abzurufen, in einem ersten Schritt auf einmal pro Halbjahr ab Pflegegrad 2 reduziert werden. Dabei soll jeder zweite Beratungsbesuch per Videotelefonie ermöglicht werden. In einem weiteren Schritt sollte die Regelung grundlegend überarbeitet werden, so dass Beratungsbesuche noch passgenauer zum Nutzen der Pflegebedürftigen erbracht werden können.

Darüber hinaus sollte datenschutzrechtlich ermöglicht werden, dass die Angabe, ob die Pflege sichergestellt ist, ohne Einwilligung der pflegebedürftigen Person an die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen, das die private Pflegepflichtversicherung durchführt, weitergegeben werden kann. Nur so kann die Regelung auch ihre volle Wirkung entfalten. Momentan läuft dies ins Leere, so dass auch die Feststellung, ob die Pflege sichergestellt ist, nicht von Bedeutung ist.


Zu Art. 1 Nr. 22 (§ 40b SGB XI - Leistungsanspruch beim Einsatz von digitalen Pflegeanwendungen)

Vorgeschlagene Regelung
Der einheitliche Leistungsanspruch von 50 Euro pro Kalendermonat soll erhöht und aufgeteilt werden in einen Betrag von 40 Euro pro Kalendermonat für digitale Pflegeanwendungen nach § 40a SGB XI und einen Betrag von 30 Euro pro Kalendermonat für ergänzende Unterstützungsleistungen nach § 39a SGB XI. Insgesamt sollen damit 70 Euro pro Kalendermonat zur Verfügung stehen.

Bewertung
Eine Erhöhung und Trennung des Leistungsbetrages ist nicht erforderlich. Mangels zugelas-sener digitaler Pflegeanwendungen fehlt es an Erfahrungen aus der Praxis, die eine Änderung der Regelung rechtfertigen würden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Änderung zu einer Vereinfachung der Handhabung in der Praxis führen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass zwei getrennte Leistungsbeträge die Unübersichtlichkeit für die Versicherten erhöhen. Insbesondere ist mit der Änderung eine Erhöhung der Leistungsausgaben verbunden, die es zu vermeiden gilt.

Vorschlag
Die vorgeschlagene Änderung sollte nicht erfolgen.


Zur Art. 1 Nr. 25 d) (§ 45a SGB XI - Angebote zur Unterstützung im Alltag, Verordnungsermächtigung, hier: Einzelhelfende)

Vorgeschlagene Regelung
Im neuen Absatz 4 wird das Angebot durch Einzelhelfende geregelt. Anstelle eines Konzeptes nach § 45a Absatz 2 Satz 2 muss der Einzelhelfende nur Angaben zu einer Übersicht über die angebotenen Leistungen und zur Höhe der in Rechnung gestellten Kosten machen sowie – sofern es das Landesrecht vorsieht - dazu, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Pflegebedürftiger oder Pflegeperson im Rahmen der Durchführung des Angebotes gefährdet werden. Weiter muss eine dafür vorgesehene Stelle prüfen, ob der Einzelhelfende „grundsätzlich fähig und geeignet ist“, das Angebot zu erbringen und ein angemessener Umgang mit den Pflegebedürftigen zu erwarten ist. Diese Eignung kann durch ein „persönliches Gespräch“ geprüft werden. Durch Landesrecht wird bestimmt, ob es videogestützt oder telefonisch erfolgen kann.

Der Einzelhelfende und die Pflegebedürftigen dürfen nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sein oder in häuslicher Gemeinschaft wohnen. Eine Anerkennung kann für höchstens vier persönlich benannte Pflegebedürftige erfolgen.

Bewertung
Es ist sinnvoll und dient dem Bürokratieabbau, das Angebot des Einzelhelfenden (in einigen Bundesländern Nachbarschaftshilfe genannt) bundeseinheitlich zu regeln. Dies trägt zur Gleichbehandlung aller Pflegebedürftigen bei und sorgt für eine Entbürokratisierung des Anerkennungsverfahrens. Ebenfalls positiv zu nennen ist die Einschränkung, dass der Einzelhelfende und die Pflegeperson nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sein sollen und nicht in einer häuslichen Gemeinschaft leben dürfen. Die Einschränkung ist sinnvoll, da Angebote zur Unterstützung im Alltag unter anderem die Pflegeperson entlasten sollen und die Pflegeperson häufig aus dem engeren Familienkreis stammt. Die Begrenzung der zu unterstützenden pflegebedürftigen Personen auf höchstens vier pro Einzelhelfenden ist ebenfalls wichtig, um den persönlichen Bezug zu gewährleisten.

Allerdings sollen neben der neuen Regelung des § 45a Abs. 4 SGB XI die bereits bestehenden landesrechtlichen Regelungen zur Nachbarschaftshilfe weiter bestehen bleiben können. Dadurch ergibt sich eine unnötige Doppelregelung. Dies führt zu mehr Bürokratie, Unübersichtlichkeit und Aufwand für alle Beteiligten.

Die Voraussetzung, dass die dafür zuständigen Stellen mit allen interessierten Einzelhelfenden ein persönliches Gespräch führen müssen, führt zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand sowie Einsatz von personellen Ressourcen, die gerade an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können. Außerdem ist fraglich, ob so die Geeignetheit festgestellt werden kann.

Auch die Vergabe einer individuellen Kennung für jeden Einzelhelfenden errichtet mehr bürokratische Hürden. Aus der Praxis in den Ländern ist erkennbar, dass eine individuelle Kennung des Einzelhelfenden für die Abrechnung bei den Pflegeversicherungen nicht notwendig ist. Der Nachweis der Anerkennung als Einzelhelfender sowie ein Formular beiehungsweise eine Rechnung, aus der sich Leistung, Stunden und Kosten ergeben, ist für die Abrechnung ausreichend. Bei monatlich gleichbleibenden Leistungen durch den Einzelhelfenden könnte der Versicherte eine Übersicht über die erbrachten Leistungen und abgerechneten Beträge bei der Pflegeversicherung vorlegen und nur bei Änderungen des Umfangs erneut eine Leistungs- und Kostenaufstellung übersenden. Auf diesem Wege werden die Pflegebedürftigen, Pflegepersonen, Einzelhelfende und die Pflegeversicherung entlastet, da nur bei einer Änderung des Leistungsumfangs erneut Unterlagen eingereicht und geprüft werden müssen.

Insgesamt führen die neuen Regelungen zum Angebot des Einzelhelfenden zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand für alle Beteiligten, was dem Sinn der Niedrigschwelligkeit des Angebotes zuwiderläuft.

Vorschlag
Die bisher geltenden landesrechtlichen Regelungen zu Einzelhelfenden beziehungsweise Nachbarschaftshilfe sollten abgeschafft werden. Dies sollte mit einer Bestandsschutzregelung für bereits nach Landesrecht anerkannte Einzelhelfende verbunden werden. Ersetzt werden die bisherigen landesrechtlichen Regelungen durch nur eine bundesweit geltende Regelung zur Anerkennung von Einzelhelfenden.

Die Anerkennung soll in einem einfachen Verfahren direkt durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen, das die private Pflegepflichtversicherung betreibt, und bei der oder dem die pflegebedürftige Person versichert ist, erfolgen. Dabei sind nur wenige Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, zum Beispiel:

  1. Einzelhelfende und pflegebedürftige Personen dürfen nicht bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sein oder in häuslicher Gemeinschaft wohnen.
  2. Der Einzelhelfende darf nicht Pflegeperson nach § 19 SGB XI der pflegebedürftigen Person sein.
  3. Der Einzelhelfende muss nachweisen, einen Pflegekurs belegt zu haben oder dass aufgrund des erlernten Berufs ausreichende Kenntnisse hinsichtlich Pflege und pflegerischer Betreuung bestehen.
  4. Es darf keine Versorgung durch den Einzelhelfenden von mehr als vier pflegebedürftigen Personen erfolgen.

Der Einzelhelfende sollte auch nicht Pflegeperson nach § 19 SGB XI der pflegebedürftigen Person sein, weil dies dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderläuft. Denn so kommt es nicht zu einer Entlastung der Pflegeperson. Außerdem würde dies die Prüfung der Rentenversiche-rungspflicht der Pflegeperson erschweren und aufwändiger und komplizierter gestalten.

Ein persönliches Gespräch zur Überprüfung der Geeignetheit und eine Registrierung und bundesweite Veröffentlichung der Einzelhelfenden ist nicht erforderlich und sollte nicht eingeführt werden.


Zu Art. 1 Nr. 27 (§ 45c SGB XI - Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts, Verordnungsermächtigung)

Vorgeschlagene Regelung
Die zur Verfügung stehenden Fördermittel sollen von bislang 25 Millionen Euro auf 60 Millionen Euro pro Kalenderjahr erhöht werden. Darüber hinaus wird die notwendige Kofinanzierung durch das jeweilige Land oder die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft von 50 Prozent auf 40 Prozent reduziert und der Anteil der Pflegeversicherung von 50 Prozent auf 60 Prozent erhöht.

Bewertung
Aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Pflegeversicherung sind Leistungsausweitungen kontraproduktiv. Davon abgesehen bedarf es angesichts der Mittelabrufe der vergangenen Jahre auch keiner Erhöhung der zur Verfügung stehenden Mittel – auf dann insgesamt 100 Millionen Euro. Die bisherigen Mittel wurden nach unserer Kenntnis in der Vergangenheit nie ausgeschöpft. Es ist nicht gerechtfertigt, die Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen durch die Pflegeversicherung zu erhöhen. Vielmehr sollte sie davon entlastet werden.

Auch eine Reduzierung der Kofinanzierung auf 40 Prozent ist angesichts der in § 9 SGB XI definierten Aufgaben der Länder, unter anderem zur Versorgungsstruktur in Verbindung mit einer Pflegestrukturplanung, nicht angezeigt.

Vorschlag
Die vorgesehene Erhöhung der Förderung sollte nicht eingeführt werden.


Zu Art. 1 Nr. 28 (§ 45d SGB XI - Förderung der Selbsthilfe in der Pflege, Verordnungsermächtigung)

Vorgeschlagene Regelung
Die bestehenden Regelungen zur Förderung der Selbsthilfe werden neu gegliedert und trans-parenter gestaltet. Dies geht einher mit einer Anhebung der Fördermittel von bislang 0,15 Euro um 0,05 Euro pro Versicherten auf 0,20 Euro. Ein Teil dieser Fördermittel im Umfang von 0,04 Euro wird für die Förderung von bundesweiten Tätigkeiten und Strukturen von Selbsthilfegruppen und Gründungszuschüssen reserviert.

Bewertung
Angesichts der prekären Finanzsituation in der Pflegeversicherung stehen keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung. Daher ist eine Erhöhung der Fördermittel nicht möglich. Zudem ist eine Erhöhung auch nicht angezeigt, da auch hier eine Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Fördermittel in den vergangenen Jahren nicht erfolgt ist.

Die Zusammenfassung der Mittel für Gründungszuschüsse und für bundesweite Tätigkeiten und Strukturen ist im Sinne einer flexibleren Nutzung und auch zur Vereinfachung der Regelungen zu befürworten.

Vorschlag
Die vorgesehene Erhöhung der Förderung sollte nicht eingeführt werden.


Zu Art. 1 Nr. 29 (§ 45e SGB XI - Förderung der Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken)

Vorgeschlagene Regelung
Die Regelungen zur Netzwerkförderung werden aus § 45c Abs. 9 SGB XI in eine eigenständige Regelung überführt. Der maximale Förderbetrag je Netzwerk wird von 25.000 Euro auf 30.000 Euro erhöht. Darüber hinaus werden in den Jahren 2025 bis 2030 Mittel zur Finanzierung einer Geschäftsstelle zur Unterstützung von Netzwerkgründungen und weiteren Tätigkeiten bereitgestellt.

Bewertung
Die Schaffung einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage zur Netzwerkförderung dient der Transparenz und ist sinnvoll.

Die Notwendigkeit der Errichtung einer Geschäftsstelle für die Dauer von fünf Jahren erschließt sich jedoch nicht. In den Bundesländern bestehen zahlreiche Strukturen, die diese Aufgaben weitgehend übernehmen. Sofern dennoch ein Bedarf an Unterstützung gesehen wird, sollte auf bereits bestehende Strukturen zurückgegriffen werden, wie zum Beispiel die Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses Pflege.

Vorschlag
Es sollte keine Errichtung und Finanzierung einer eigenen Geschäftsstelle vorgesehen werden.

Sollte dennoch eine Geschäftsstelle durch den GKV-Spitzenverband errichtet werden, ist angesichts der Finanzierungsbeteiligung im Umfang von 10 Prozent auch das Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. herzustellen.


Zu Art. 1 Nr. 29 (§ 45f SGB XI - Anspruch auf Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrages)

Vorgeschlagene Regelung
Der Umwandlungsanspruch wird bisher in § 45a Abs. 4 SGB XI geregelt und soll in eine eigenständige Norm überführt werden. Der Maximalbetrag, der monatlich umwandelt werden kann, wird von 40 Prozent auf 50 Prozent des jeweiligen Höchstleistungsbetrages nach § 36 SGB XI erhöht.

Bewertung
Die Erhöhung des Umwandlungsanspruchs auf 50 Prozent des jeweiligen Höchstleistungsbetrages nach § 36 SGB XI wird zu einer Erhöhung der Leistungsausgaben führen, da zuvor nicht verwendete Leistungen des § 36 SGB XI nun ausgegeben werden. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Pflegeversicherung muss eine Ausweitung der Leistungsausgaben vermieden werden.

Vorschlag
Die Erhöhung des Umwandlungsanspruchs auf 50 Prozent ist nicht einzuführen.


Zu Art. 1 Nr. 29 (§ 45g SGB XI - Anspruch auf Umwandlung des teilstationären Sachleistungsbetrages)

Vorgeschlagene Regelung
Es wird ein neuer Leistungsanspruch geschaffen. 50 Prozent des jeweiligen Höchstleistungsbetrages nach § 41 SGB XI sollen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag, die eine regelmäßige mehrstündige Betreuung in Gruppen anbieten, genutzt werden können.

Bewertung
Durch einen weiteren Leistungsanspruch wird es zu höheren Leistungsausgaben kommen, da Mittel der teilstationären Pflege nach § 41 SGB XI, die zuvor nicht verwendet wurden, nun für Betreuungsangebote genutzt werden. Darüber hinaus wird sich der bürokratische und personelle Aufwand für die Pflegeversicherung und der Beratungsbedarf der Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen erhöhen.

Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Pflegeversicherung werden eine Ausweitung des Leistungskataloges und die damit verbundene Erhöhung der Leistungsausgaben abgelehnt. Das Leistungsrecht darf außerdem nicht noch komplizierter und intransparenter gestaltet werden.

Vorschlag
Der Umwandlungsanspruch nach § 45g SGB XI ist nicht einzuführen.


Zu Art. 1 Nr. 30 (§ 45j SGB XI - Leistungen in gemeinschaftlichen Wohnformen mit Verträgen zur pflegerischen Versorgung gemäß § 92c)

Vorgeschlagene Regelung
Pflegebedürftige in gemeinschaftlichen Wohnformen mit Verträgen nach § 92c SGB XI sollen einen pauschalen Zuschuss zur Sicherstellung einer selbstbestimmten Pflege erhalten. Zudem besteht für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 ein Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung entsprechend § 36 SGB XI. Daneben können auch Leistungen entsprechend §§ 7a, 39a, 40 Absatz 1 und 2, §§ 40a und 40b sowie §§ 44a und 45 SGB XI in Anspruch genommen werden. Bei den Pflegegraden 2 bis 5 besteht zusätzlich Anspruch auf Leistungen nach § 44 und § 42 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI.

Bewertung
Nach der Gesetzesbegründung ist der Anspruch auf einen monatlichen pauschalen Zuschuss in Höhe von 450 Euro als eine Art Pflegegeld gedacht und soll der Sicherstellung einer selbstbestimmten Pflege dienen. Gleichzeitig besteht aber – anders als beim Pflegegeld – zusätzlich Anspruch auf den vollen Betrag bestimmter Sachleistungen.

Aufgrund der Ausweitung des Leistungskataloges werden sich demnach die Leistungsausgaben erhöhen, was in Anbetracht der schwierigen finanziellen Situation der Pflegeversicherung nicht vertretbar ist.

In der Begründung heißt es, der sozialen Pflegeversicherung entstehen durch die neue gemeinschaftliche Wohnform mittelfristig Minderausgaben in Höhe von 220 Millionen Euro. Die Annahme, dass es zu Minderausgaben kommen wird, beruht auf Vermutungen. Es fehlen Erfahrungen mit der neu einzuführenden Art der Versorgung und somit auch mit der Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Es wurden zwar verschiedene ähnliche Leistungsformen in Modellprojekten erprobt, jedoch bestehen dadurch keine Erfahrungen damit, wie die neu gestaltete Leistung der gemeinschaftlichen Wohnformen in Anspruch genommen werden würde. Hinzu kommt, dass die neue Leistungsform in Pflegegrad 1 einen neuen Anspruch in Höhe von 450 Euro pro Monat vorsieht. Die Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 sind die Gruppe, die den stärksten Zuwachs verzeichnet. Daher führt auch dieser neue Anspruch für den Pflegegrad 1 zu einem zusätzlichen Anstieg der Leistungsausgaben. Somit ist die Richtigkeit einer Annahme von so hohen Minderausgaben sehr ungewiss. Zusätzlich führt es zu der Annahme, dass diese Minderausgaben sämtliche Leistungsausweitungen und Erhöhungen der Förder-summen, die der Referentenentwurf vorsieht, nicht nur aufwiegen, sondern insgesamt zu Minderausgaben führen. Diese Annahmen sind sehr gewagt und können zu einer deutlichen weiteren finanziellen Überforderung der Pflegeversicherung führen, wenn die angenommene Entwicklung bezüglich der Ausgaben nicht eintritt.

Daneben wird das Leistungsrecht noch komplizierter gestaltet, weil es einen neuen Leistungsbereich gibt, der weder zum häuslichen noch zum vollstationären Bereich gehört.

Richtig ist es hingegen, Qualitätsprüfungen bei gemeinschaftlichen Wohnformen vorzusehen, weil die Qualität der Leistungserbringung insbesondere auf struktureller Ebene aktuell nicht in den Prüfungen beurteilbar ist.

Vorschlag
Die Regelungen zu Wohnformen und Wohngruppen sollten vereinheitlicht und mit Leistungsbegrenzungen verknüpft werden.

Falls es dennoch zu einer eigenständigen Regelung des § 45j SGB XI kommt, sollte kein pauschaler Zuschuss in Höhe von 450 Euro vorgesehen werden.

Sollte dennoch ein pauschaler Zuschuss eingeführt werden, sollte dieser nicht für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 vorgesehen werden. Außerdem darf keine Finanzierung der häuslichen Krankenpflege über den pauschalen Zuschuss erfolgen. Dazu ist ein Ausschluss in die Regelung aufzunehmen.  


Zu Art. 1 Nr. 45 b) (§ 113b SGB XI - Qualitätsausschuss)

Vorgeschlagene Regelung
Es wird eine institutionelle Weiterentwicklung des Qualitätsausschusses Pflege durch eine Stärkung der Rolle des unparteiischen Vorsitzenden vorgeschlagen. Dieser soll ermächtigt werden, dem Qualitätsausschuss Pflege Themen zur wissenschaftlichen Bearbeitung vorzuschlagen. Begleitet werden soll dies durch bis zu zwei Sitzungen des erweiterten Qualitätsausschusses pro Kalenderjahr.

Bewertung
Die große Bedeutung des Qualitätsausschusses Pflege für die Qualitätsentwicklung in der Pflege ist unbestritten. Die Notwendigkeit einer derartigen Weiterentwicklung wird hingegen nicht gesehen. Die bisherigen Regelungen zur Unterbreitung von Vorschlägen und Themen zur wissenschaftlichen Bearbeitung durch das Bundesministerium für Gesundheit sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sind ausreichend.

Vorschlag
Die vorgeschlagene Weiterentwicklung sollte nicht erfolgen.


Zu Art. 1 Nr. 47 a) (§ 114 SGB XI - Qualitätsprüfungen)

Vorgeschlagene Regelung
Ab dem 1. Januar 2026 sollen die Prüfaufträge für Qualitätsprüfungen durch die Medizini-schen Dienste und den Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. (Careproof) digital durch die Landesverbände der Pflegekassen übermittelt werden. Zur Umsetzung soll eine digitale Daten- und Kommunikationsplattform für die Planung, Beauftragung und Durchführung von Qualitätsprüfungen errichtet werden. Darüber hinaus soll Transparenz über die Anzahl der in den Ländern und bundesweit durchgeführten Qualitätsprüfungen hergestellt werden. Die Errichtung soll durch den GKV-Spitzenverband erfolgen. Die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung durchführen, sollen sich mit 10 Prozent an den Kosten beteiligen.  

Bewertung
Die Nutzung der Vorteile der Digitalisierung für die Planung, Beauftragung und Durchführung von Qualitätsprüfungen durch alle Beteiligten ist sinnvoll und daher zu befürworten. Eine Verbesserung des Verfahrens ist auch nach den Erfahrungen von Careproof dringend angezeigt.

Bei der Datenqualität der Prüfaufträge der einzelnen Landesverbände der Pflegekassen be-steht Verbesserungsbedarf. Fehlerhafte Datensätze führen gegebenenfalls zur Nicht-Durchführbarkeit von Prüfungen. Es erfolgen zum Beispiel Zuweisungen von unvollständigen Prüfaufträgen, bei denen sich oft erst am Tag der Prüfung herausstellt, dass die Einrichtung geschlossen ist oder bereits durch den Medizinischen Dienst geprüft wurde. Dadurch entstehen zusätzliche Aufwände für Careproof durch „Leerfahrten“, und eine Ersatzprüfung für diesen Tag ist meist kurzfristig nicht realisierbar.

Darüber hinaus enthalten die Prüfaufträge oftmals nicht die laut QPR festgelegten Inhalte, insbesondere Strukturdaten und bereits erteilte Maßnahmenbescheide nach § 115 Abs. 2 SGB XI stehen häufig zur Umsetzung des Prüfauftrages nicht zur Verfügung.

Der Zeitrahmen für die Entwicklung, Umsetzung und den Go-Live wird jedoch kritisch gesehen. Der Umfang des Projektes wird im Hinblick auf die notwendigen Umsetzungen und dafür zwingend notwendige Kommunikation mit allen Beteiligten als sehr hoch eingeschätzt. Insbesondere gibt es für diese Plattform bisher keine einheitliche und valide Datenbank aller Pflegeeinrichtungen in Deutschland, die die Grundlage für die Umsetzung wäre. Eine Datenbank mit allen zugelassenen Pflegeeinrichtungen, die auch Schließungen und Neueröffnungen von Pflegeeinrichtungen enthalten müsste, wäre auch deshalb erforderlich, weil der Bezugspunkt für die Errechnung der Prüfquoten nun die genaue Zahl der tatsächlich zugelassenen Pflegeeinrichtungen sein soll.

Ebenfalls muss nicht nur die Vergabe und Übermittlung der Prüfaufträge an die Prüfinstitutionen, sondern auch die Rückmeldung zu durchgeführten Prüfungen und den zugehörigen Ergebnissen auf Seite der Landesverbände der Pflegekassen umgesetzt werden.

Die Plattform soll dem Zweck dienen, eine tagesaktuelle Transparenz über die Anzahl der in den Ländern und bundesweit durchgeführten Qualitätsprüfungen herzustellen. Für eine tagesaktuelle Kommunikation werden Schnittstellen in verschiedene Richtungen benötigt (Landesverband zu Plattform zu Prüfdienst, Prüfdienst zu Plattform zu Landesverband, Datenauswertungsstelle zur Plattform). Diese müssen entwickelt und implementiert werden. Auch dies dürfte in dem zeitlich vorgegeben Rahmen nicht umsetzbar sein.

Die Erfüllung der Kriterien für eine unangemeldete Prüfung und für den verlängerten Prüfrhythmus durch die zu prüfende Pflegeeinrichtung sollen ohne Zeitverzug in der digitalen Daten- und Kommunikationsplattform abrufbar sein. Eine gesonderte Kommunikation zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den Prüfdiensten soll nicht erforderlich sein. Ein Abrufen dieser Informationen ist sinnvoll und würde die internen Prozesse von Careproof unterstützen. Hinsichtlich der unangemeldeten Prüfungen beziehungsweise des verlängerten zweijährigen Prüfrhythmus war die Kommunikation bislang sehr intensiv. Ob eine Beauftragung über die Plattform ohne Kommunikation möglich sein wird, ist daher fraglich.

Welche Änderungen hinsichtlich der Anbindung der Datenauswertungsstelle erfolgen sollen, ist unklar, weil bereits Schnittstellen zum Abrufen der Stichproben aus der Datenauswertungsstelle bestehen und diese von den Prüfdiensten genutzt werden.

Sollen bestehende Strukturen der Kommunikation und des Informationsaustauschs eingebunden werden, sollte dies nur erfolgen, wenn diese bereits einheitlich standardisiert sind und von allen Beteiligten genutzt werden können.

Vorschlag
Angesichts der Mitfinanzierung der privaten Pflegepflichtversicherung im Umfang von 10 Prozent hat die Errichtung der Plattform gemeinsam durch GKV-Spitzenverband und PKV-Verband zu erfolgen. Die Herstellung eines Benehmens ist nicht ausreichend.

Bei der statistischen Datenauswertung sollte auch erhoben werden, wie viele Pflegeeinrichtungen von den Medizinischen Diensten geprüft werden.


Zu Art. 1 Nr. 48 b) (§ 114a SGB XI - Durchführung der Qualitätsprüfungen)

Vorgeschlagene Regelung
Die Feststellung einer Unterschreitung der Prüfquote des Prüfdienstes des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. (Careproof) soll durch den GKV-Spitzenverband auf Basis der Berichterstattung nach § 114c Abs. 3 S. 3 SGB XI erfolgen. Bei Unterschreitung der Prüfquote werden die Daten an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) übermittelt. Durch das BAS soll der in dem Fall zu zahlende Finanzierungsanteil festgesetzt werden.

Bewertung
Eine Unterschreitung der Prüfquote durch Careproof ist seit Beteiligung an der externen Qualitätssicherung bislang nie eingetreten. Vielmehr erfolgte eine Übererfüllung. Die Schaffung von Transparenz zum gesamten Prüfgeschehen, wie dies bei Careproof im Gegensatz zu den Medizinischen Diensten bereits immer der Fall war, ist durch die Berichterstattung nach § 114c Abs. 3 S. 3 SGB XI daher sehr zu befürworten.

Vorschlag
Eine Verschlankung des bisherigen Verfahrens durch Nutzung der Berichterstattung sollte jedoch weiterhin durch das BAS erfolgen. Außerdem sollte dabei weiterhin eine eingetretene Überschreitung der Prüfquote durch Careproof durch das BAS festgestellt werden.

Darüber hinaus sollte unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch für die Medizinischen Dienste eine Pflicht zur Ausgleichszahlung eingeführt werden, wenn sie ihre Prüfquote nicht erfüllen.


Zu Art. 1 Nr. 55 (§ 125c SGB XI - Modellvorhaben zur Erprobung digitaler Verhandlungen der Pflegevergütung)

Vorgeschlagene Regelung
In den Jahren 2025 und 2026 soll ein Modellvorhaben zur Erprobung digitaler Verhandlungen der Pflegevergütungen durch den GKV-Spitzenverband durchgeführt werden.

Bewertung
Die Erprobung der Vorteile der Digitalisierung auch im Bereich von Vergütungsverhandlungen ist sinnvoll. Dabei sind die Beteiligungsrechte nach § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB XI, u.a. des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V., zu berücksichtigen.


Zu Art. 2 Nr. 1 (§ 34 SGB XI – Ruhen der Leistungsansprüche)

Vorgeschlagene Regelung
Die Dauer des Weiterzahlens bestimmter Leistungen während des grundsätzlichen Ruhens der Leistungen wird einheitlich auf acht Wochen angepasst. Bislang gibt es unterschiedliche Regelungen mit vier oder sechs Wochen.

Bewertung
Die Änderungen führen zu einem Anstieg der Leistungsausgaben, weil Pflegegeld und Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegeperson länger als bislang während des grundsätzlichen Ruhens weitergezahlt werden. Dass die Dauer des Weiterzahlens für die verschiedenen Konstellationen gleich sein soll, rechtfertigt nicht, dafür einen Anstieg der Leistungsausgaben hinzunehmen. Eine deutliche Vereinfachung des Leistungsrechts ist damit ebenfalls nicht verbunden.

Vorschlag
Die vorgeschlagene Änderung sollte nicht eingeführt werden.