Der PKV-Verband schlägt Änderungen an den vorgeschlagenen Regelungen zur Überkreuzlebendspende vor. Die Einrichtung einer nicht gerichteten anonymen Lebendspende wird kritisiert.
- Der PKV-Verband begrüßt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Information über die Organspende nicht mehr zusammen mit der Beitragsübermittlung nach Einkommensteuergesetz erfolgen muss.
- Die Regelungen zur Überkreuzlebendnierenspende, insbesondere zur Lebendspendekommission, sollten zum Schutz von Spendern und Empfängern überarbeitet werden.
- Die Einrichtung einer nicht gerichteten anonymen Lebendnierenspende wird kritisch bewertet. Die Qualitätssicherung für die Lebendspende sollte erweitert werden.
I. Allgemeine Anmerkungen
Zentraler Aspekt bei der Überarbeitung des Transplantationsgesetzes ist die Erweiterung der Möglichkeiten zur Lebendnierenspende. Dabei soll in Deutschland ein Programm für Überkreuzspenden aufgebaut werden, so dass über einen Pool von inkompatiblen Organspenderpaaren neue, immunologisch passende Kombinationen von Spender und Empfänger gebildet werden können. Ergänzend soll die nicht gerichtete anonyme Lebendnierenspende ermöglicht werden; parallel wird der bisherige Vorrang der postmortalen Spende aufgehoben. Für das gesamte Procedere wird noch Bedarf zur Verbesserung bzw. Klarstellung gesehen.
Das betrifft die Lebendspendekommissionen, für die eine bundeseinheitliche Regelung gelten sollten. Der Umfang ihrer Tätigkeit sollte ergänzt werden, insbesondere sollte neben dem Spender auch der Empfänger angehört werden. Daneben ist unklar, wie die Einbindung von Organen erfolgen soll, die in einem Land des Europäischen Wirtschaftsraums entnommen werden. Der diesbezügliche Passus in § 12 Abs. 4a S. 2 Nr. 4 steht zusammenhanglos zum sonstigen Regelungswerk.
Kritisch gesehen wird Möglichkeit zur Aufhebung der Anonymität zwischen Spender und Empfänger 24 Monate nach Transplantation. Die Effekte einer solchen Zusammenkunft können nach Lage und Gesundheitszustand unvorhersehbar sein. Bekannt werden vielleicht nur die positiven Beispiele.
Für den Gesamtzusammenhang sollte die Qualitätssicherung über den bisherigen Nachbeobachtungszeitraum von drei Jahren hinaus erweitert werden. Das ist vor allem für die Lebendnierenspender wichtig.
Ebenfalls muss eine gute und objektive Information über offizielle Quellen (z.B. G-BA) für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden.
Ausdrücklich begrüßt wird, dass die Kopplung der Informationsübermittlung der Versicherten der PKV-Unternehmen an die Beitragsmitteilung entfällt und dass die Übermittlung für die Informationspflicht der Versicherten verfahrensoffen wird.
II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs
Zu Artikel 1, Nr. 4 Buchstabe b – § 2 Abs. 1c S. 2 TPG (Bereitstellung von Informationen)
Vorgeschlagene Regelung
Es entfällt die Kopplung der Informationsübermittlung der Versicherten der PKV-Unternehmen an die Beitragsmitteilung. Die Übermittlung für die Informationspflicht der Versicherten wird verfahrensoffen.
Bewertung
Die vorgesehenen Änderungen werden ausdrücklich begrüßt.
Zu Artikel 1, Nr. 7 – § 8a Abs. 1 TPG (Prüfung der Lebendspendekommission)
Vorgeschlagene Regelung
Die Lebendspendekommission ist ein zentrales Gremium im Prozess einer Lebendspende.
Die Lebendspendekommission nimmt gutachtlich Stellung dazu, ob Anhaltspunkte dafür vor-liegen, dass die Einwilligung nicht freiwillig erfolgte oder ob gegen das Verbot des Organhandels nach § 17 TPG verstoßen wurde.
Bewertung
In dem Prozess der Aufklärung (§ 8) und Begutachtung (8a) bleibt die Frage offen, ob ein Spender, insbesondere einer nicht gerichteten anonymen Spende, ein ausreichendes Verständnis über die möglichen Konsequenzen einer solchen für ihn erlangen konnte. Bei der persönlichen Anhörung sollte sich die Kommission auch über diesen Aspekt ein Bild machen und in ihrem Gutachten berücksichtigen. Besonders zu adressieren wäre die Situation und Motivlage für einen Spender, der nicht gerichtet und anonym eine seiner beiden Nieren spenden möchte.
Zu Artikel 1, Nr. 7 – § 8a Abs. 2 TPG (Zu begutachtende Personen bei der Lebendspendekommission)
Vorgeschlagene Regelung
Die Kommission soll den Spender begutachten, in der Regel auch den Empfänger, soweit dieser im Sinne von § 8 Abs. 1 in einem engen (Verwandtschaft-)Verhältnis zum Spender steht.
Bewertung
Es erscheint fraglich, ob die vorgeschlagene Begutachtungsnotwendigkeit ausreicht, um die Prüfanforderungen nach Abs. 1 zu erfüllen. Sinnvoll wäre, die persönliche Anhörung des Empfängers bzw. der Empfänger bei einer Überkreuzspende ebenfalls vorzusehen.
Zu Artikel 1, Nr. 7 – § 8a Abs. 4 TPG (Verfahren der Lebendspendekommission)
Vorgeschlagene Regelung
Eine Mindestzusammensetzung für die Kommission wird durch die Neuregelung bundesein-heitlich vorgegeben. Wesentliche Aspekte, insbesondere das Verfahren bei der Erstellung des Gutachtens, daneben auch ihre Finanzierung und Näheres zu ihrer Zusammensetzung, werden in die landesrechtliche Gesetzgebung gegeben.
Bewertung
Die Arbeit der Lebendspendekommission, insbesondere das Verfahren zur Gutachtenerstellung, muss bundeseinheitlich geregelt werden. Potentielle Spenderpaare sollen keine Differenzen zwischen verschiedenen Vorgehensweisen in den Bundesländern vorfinden. Noch wichtiger ist, dass im Verfahren der Überkreuzspende Spenderpaare aus verschiedenen Bundesländern in einem Pool zusammenkommen; dabei muss ein einheitliches Begutachtungsverfahren gewährleistet sein. Ein einheitliches Vorgehen für die Länder bzw. Landesärztekammern könnte über eine Richtlinie der Bundesärztekammer vorgegeben werden.
Zu Artikel 1, Nr. 16, Buchstabe e – Zu § 12 Abs. 4a S. 2 Nr. 4 TPG (Organvermittlung und Organe aus dem europäischen Wirtschaftsraum)
Vorgeschlagene Regelung
Geregelt wir durch umfangreiche Überarbeitung und Ergänzung des § 12 die Einrichtung einer Vermittlungsstelle für die Überkreuzlebendnierenspende. Verantwortlich sind der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung. Unter anderem wird die Internationalisierung des Programms zur Überkreuzlebendnierenspende hier einbezogen unter Benennung und Berücksichtigung spezieller Regelungen für Organe, die im europäischen Wirtschaftsraum entnommen werden.
Bewertung
Die Ausweitung des Überkreuzspendeverfahrens auf eine europaweite Umsetzung ist ein Novum im Vergleich zu bestehenden nationalen Programmen in anderen Ländern; das er-fordert umfängliche und komplexe Regelungen. Berücksichtigt werden sollen auch Organ-entnahmen in den Ländern des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Dabei gilt nicht einmal die Vorgabe, dass der Organspender Bürger eines Landes des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sein muss; er könnte auch zum Zwecke der Organspende eingereist sein und es könnte auch eine nicht gerichtete anonyme Spende sein. Ohne jede Adressierung im Gesetzentwurf und damit vollkommen ungeregelt bleibt die Frage, wie die Prüfungen des Spenders nach § 8 erfolgen sollen und wie die Lebendspendekommission eines deut-schen Bundeslandes unter diesen Bedingungen überhaupt eine Begutachtung vornehmen soll. Mit Blick auf die Risiken einer Vorteilsgewährung oder des Organhandels ist die Aufnahme der Regelungen nicht nachvollziehbar. Auch die Nachsorge für den Spender bleibt unklar, insbesondere in dem Fall, dass er den Bereich des EWR nach der Spende wieder verlassen sollte. Zusammenfassend erscheint es sinnvoll, das Verfahren einer Überkreuzlebendspende zunächst im nationalen Rahmen zu etablieren, bevor eine Ausweitung in den Blick genommen wird, dann wohl zunächst auf den Raum von Eurotransplant.
Zu Artikel 1, Nr. 18, Buchstabe d – § 14 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 TPG (Offenlegung der Identität nach Überkreuzspende)
Vorgeschlagene Regelung
Im Falle einer Überkreuzlebendnierenspende kann nach Ablauf von 24 Monaten die Identität eines Spenders und Empfängers nach ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen bekannt gegeben werden.
Bewertung
Begründet wird die Offenlegung damit, dass die Transplantation eines Organs, das von einer lebenden Person gespendet wurde, ein „emotionales und psychisch herausforderndes Ereignis“ sei und dass neben der wichtigen Frage nach dem Heilungserfolg und Gesundheitszustand des anderen Parts bei vielen der Betroffenen der Wunsch nach Kontaktaufnahme entstehe. Ob und welche Erfahrungen mit dem Vorgehen der Offenlegung in den anderen Ländern bestehen, wird nicht näher beschrieben. Ob im Einzelfall oder insgesamt das Wohlbefinden der Betroffenen gestärkt wird, bleibt bei der Formulierung „herausforderndes Ereignis“ offen. Dass bei ungleichen wirtschaftlichen Verhältnissen zwischen solchen Personen (und ggf. insbesondere bei ungünstigem Verlauf z.B. für einen Spender) auch Vorteilsgewährungen eine Rolle spielen können, liegt im Bereich des Möglichen, wird aber schwerlich geklärt werden können. Insoweit sollte diese Öffnung kritisch geprüft und über-d acht werden.
Zu Artikel 1, Nr. 23 – § 16 Absatz 1 (Richtlinien der Bundesärztekammer und Aufklärung eines Lebendspenders)
Vorgeschlagene Regelung
Die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer wird ausgeweitet und bezieht in der Nummer 4a auch die Belange von lebenden Organspendern ein, die mit der Änderung des TPG vorgesehen sind.
Bewertung
Die neuen Vorgaben einschließlich einer wissenschaftlichen Aufarbeitung sind zu begrüßen und von großer Bedeutung. Bislang richten sich die Richtlinien der Bundesärztekammer im Zusammenhang mit der Organtransplantation allerdings an die betreffenden Fachkreise und sind nicht geeignet zur Information von interessierten Personen, die eine Lebendspende für sich in Betracht ziehen. Eine neutrale und allgemeinverständliche Aufklärung zu den Möglichkeiten, Vor- und Nachteilen sowie den Risiken einer Lebendspende unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz ist für eine so schwerwiegende Entscheidung zu fordern. Erfahrung mit der Erstellung solcher Materialien hat z.B. der Gemeinsame Bundesausschuss (bzw. die zugehörigen Institute IQWIG, IQTIG), bei dem vergleichbare Unterlagen (zum Beispiel bei der Entscheidung für oder gegen eine Präventionsmaßnahme) schon vielfach erstellt wurden. Diese Unterlagen müssen frei verfügbar sein, um schon vor dem Kontakt mit einem Transplantationszentrum eine Information für einen potentiellen Lebendspender zu ermöglichen. Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (heute: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit) bislang zur Lebendspende bereitgestellten Unterlagen genügen diesem Anspruch nicht.
III. Weiterer Änderungsbedarf
Verbesserung der Qualitätssicherung bei Nierenlebendspendern
Vorgeschlagene Änderungen
Im Bereich der Qualitätssicherung sind keine Verbesserungen im Referentenentwurf vorgesehen. Lediglich der Begriff Nachbetreuung wird durch den Begriff Nachsorge ersetzt.
Bewertung
Die Gesetzesänderung sollte zum Anlass genommen werden, die Evaluation und Qualitätssicherung bei Lebendorganspenden zu verbessern, insbesondere mit Blick auf die nicht gerichtete anonyme Spende. Bislang finden sich Indikatoren in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL), dort als Verfahren 5 –Transplantationsmedizin (§ 1, lit. g, Nierenlebendspenden). Die Erfassung beschränkt sich allerdings neben dem akuten Krankenhausaufenthalt der Operation auf einen Zeitraum von maximal 3 Jahren Nachbeobachtung. Erhoben werden die Parameter Dialysepflicht bei Entlassung, innerhalb von 3 Jahren Tod, eingeschränkte Nierenfunktion (ohne nähere Klassifikation oder Definition) oder Albuminurie (ohne nähere Definition).
Erforderlich wären eine Ausweitung des Erfassungszeitraumes auf z.B. 10 Jahre sowie eine Aufnahme ergänzender Parameter wie z.B. die Erfassung der Arbeitsfähigkeit oder weiterer typischer Folgeprobleme wie Fatigue. Diese Parameter sollten möglichst für alle Nierenlebendspender erfasst werden, insbesondere aber für diejenigen, die anonym und ungerichtet spenden.