Stellungnahme 27. Mai 2024

Das BMF möchte die Verwaltungspraxis für Krankenkassenprämien vereinfachen. Der PKV-Verband weist auf eine fehlende gesetzliche Grundlage für individuelle Präventionsangebote in der PKV hin. Weiterer Regelungsbedarf wird bei der Unterstützung von kapitalgedeckter Pflegevorsorge gesehen.

I. Zu ausgewählten Regelungen

Artikel 4 Nr. 1 (§ 10 Abs. 2b Satz 2 und 3 EStG – Sonderausgaben/Krankenkassenprämien)

Durch die Änderung des Einkommenssteuergesetzes soll eine Verfahrensregelung des BMF zur administrativen Bearbeitung von gewährten Bonusleistungen der Krankenkassen verstetigt werden. Danach gelten Bonusleistungen auf der Grundlage von § 65a SGB V bis zur Höhe von 150 Euro pro versicherter Person und Beitragsjahr als Leistungen der Krankenkasse, die den Sonderausgabenabzug nicht mindern. Übersteigen die Bonuszahlungen diesen Betrag, liegt in Höhe des übersteigenden Betrags eine Beitragsrückerstattung vor. Die vorgesehene Regelung vereinfacht die Praxis für Krankenkassen und Beitragszahler.

Die gesetzlichen Krankenkassen haben seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention im Jahr 2015 flexible Möglichkeiten, Maßnahmen der Prävention sowie Zuwendungen in Form von Bonifikationen anzubieten. In ihren Satzungen bestimmen die Krankenkassen, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die an Programmen der Früherkennung von Krankheiten, der Primärprävention und der Gesundheitsförderung teilnehmen, Anspruch auf einen Bonus haben (§ 20 Abs. 1 i.V.m. § 65a SGB V).

In der Privaten Krankenversicherung indes gibt es bislang keine gesetzliche Grundlage, Versicherten vergleichbare bzw. im Sinne des Leistungswettbewerbs innovative Angebote der primären Prävention einschließlich Vorsorge und Früherkennung zu machen. Nach Lesart der BaFin werden lediglich Dienstleistungen, die in „unmittelbarem Zusammenhang“ (vgl. § 192 Abs. 3 VVG) mit bereits eingetretenen Behandlungsfällen stehen, als zulässige Leistungselemente der PKV angesehen. Eine enge Ausnahme gilt nur für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlichen Programmen. Darüber hinaus stoßen die Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung bei etwaigen Prävention- und Gesundheitsförderungsangeboten verschiedentlich an datenschutzrechtliche Grenzen. Anders als in der GKV (vgl. bspw. die durch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz jüngst unter § 25b SGB V geschaffene Befugnis zur datengestützten Erkennung individueller Gesundheitsrisiken; vgl. dazu die Stellungnahme des PKV-Verbandes) gibt es insoweit keine ausdrückliche Befugnisnorm, die vorhandenen Versichertendaten für derartige Angebote verwenden zu dürfen. 

Diese Regelungslücken stehen in eklatantem Widerspruch zum allgemeinen Grundkonsens, dass Prävention ein „Leitgedanke“ (Wortlaut Koalitionsvertrag) der Gesundheitspolitik sei, den es auszubauen gilt, um nicht zuletzt die Versorgungslasten unserer alternden Gesellschaft zu reduzieren. Die PKV benötigt weitergehende Spielräume, ihren Versicherten – auch ihren Bestandsversicherten – individuelle Gesundheitsförderungs- und Präventionsangebote zu unterbreiten. Hierzu könnte § 192 Abs. 3 VVG folgendermaßen ergänzt werden:

„Darüber hinaus können Inhalt der Krankheitskostenversicherung Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns (Gesundheitsförderung) sein“.

Letztlich sollten in der PKV Bonifikationen im Rahmen von Präventionsleistungen o.Ä. nicht als Beitragserstattung zu werten sein, die den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 lit. a EStG mindern, was ebenfalls die Verbreitung derartiger Angebote und die damit verbundenen gesundheitsfördernden Wirkungen konterkariert.

II. Weiterer Regelungsbedarf

Förderung der Pflegezusatzversicherung als betriebliches Angebot und Individualvertrag

Der demografische Wandel in Deutschland wird zu einem deutlichen Anstieg an Pflegefällen führen. Der Grund: Das Risiko einer Pflegebedürftigkeit steigt mit dem Lebensalter an. Gleichzeitig erhöht sich der Kostendruck in der Pflege, wenn zukünftig immer mehr Leistungsempfängern immer weniger erwerbstätige Beitragszahler gegenüberstehen. Eine nachhaltige Strategie zur Absicherung der Pflegekosten im Pflegefall muss viel stärker auf die Pflegevorsorge, wie z. B. private Pflegezusatzversicherungen oder betriebliche Absicherungen des Pflegerisikos, setzen.

Im Vergleich zu umlagefinanzierten Systemen haben kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherungen einen zentralen Vorteil: Sie sind keinem demografischen Druck ausgesetzt. Das ist im Zuge unserer alternden Gesellschaft ein entscheidender Stabilitätsfaktor. Jeder Versicherte sorgt für seinen individuellen Pflegebedarf vor. Je früher, desto besser – ob privat oder im Kollektiv eines betrieblichen Vorsorgemodells.

Bisher gibt es weder für die tarifvertraglich vereinbarten noch für die freiwilligen Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Pflegeversicherung eine eigenständige steuerliche Förderung. Die Zuwendungen des Arbeitgebers sind nur im Rahmen der 50-Euro-Sachbezugsfreigrenze steuer- und sozialabgabenfrei. Hier konkurrieren sie mit anderen Zuwendungen des Arbeitgebers. Das Potenzial für weitere steuerfreie Sachbezüge im Rahmen der Pflegevorsorge ist damit eingeschränkt, denn eine Überschreitung der 50-Euro-Sachbezugsfreigrenze führt zum vollständigen Wegfall der Steuer- und der Sozialabgabenfreiheit. Die Förderung der betrieblichen Pflegeversicherung bedarf daher eines eigenständigen Durchführungsweges.

Um die wichtige Vorsorge für den Pflegefall breiter in der Gesellschaft zu verankern, sollten die Beiträge für eine betriebliche Pflegeversicherung in einem eigenen Förderrahmen steuer- und sozialabgabenfrei gestellt werden. Als Voraussetzungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit könnte die Politik bestimmte Produktmerkmale definieren (insbesondere die Einbeziehung mindestens der tarifgebundenen Belegschaft, den Verzicht auf Risikoprüfungen seitens des privaten Krankenversicherers und die Möglichkeit, den Vertrag beim Arbeitgeberwechsel oder Ende des Beschäftigungsverhältnisses individuell weiter fortführen zu können).

Die Pflegevorsorge ist ein wesentlicher Baustein der Altersvorsorge. Daher sollte jedem – auch unabhängig vom Engagement eines Arbeitgebers – ein günstiger Zugang zur Pflegevorsorge ermöglicht werden. Ein sinnvoller Hebel hierfür wäre es, die Pflegezusatzversicherung umfassend steuerlich abzugsfähig zu gestalten – so wie das bei Beiträgen für andere Vorsorgeaufwendungen bereits möglich ist.