Stellungnahme

Zukünftig sollen auch für Privatversicherte die niedrigeren, verhandelten Preise für Krebsmedikamente gelten. Der PKV-Verband begrüßt das ausdrücklich. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente, z.B. von Antibiotika, ohne ärztliche Verordnung wird abgelehnt.

I. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs

Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe e (§ 129 Abs. 5c SGB V – Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln) 

Vorgeschlagene Regelungen

Die Neuregelung sieht vor, dass Preise für Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln nicht nur zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband verhandelt werden, sondern dass das Benehmen mit dem PKV-Verband herzustellen ist. Damit gelten die Regelungen der Hilfstaxe auch für die PKV. Gelten für Fertigarzneimittel in Zubereitungen keine derartigen Vereinbarungen, berechnet die Apotheke ihre tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise, höchstens jedoch die Apothekeneinkaufspreise, die bei Abgabe an Verbraucher gemäß Arzneimittelpreisverordnung gelten (jeweils abzüglich der Abschläge nach Arzneimittelrabattgesetz). Kostenvorteile durch die Verwendung von Teilmengen von Fertigarzneimitteln sind zu berücksichtigen. 

Der GKV-Spitzenverband schließt mit dem PKV-Verband eine Vereinbarung über die angemessene Beteiligung der Unternehmen der Privaten Krankenversicherung an den Kosten für den Abschluss der Vereinbarungen und an den Kosten für das Verfahren der Schiedsstelle. 

Bewertung:

Der PKV-Verband begrüßt diese Regelung ausdrücklich. Mit der Einbeziehung der PKV-Versicherten und Beihilfeberechtigten in den Geltungsbereich der Hilfstaxe wird die mehrfach geforderte Gleichstellung mit GKV-Versicherten umgesetzt. 

Die circa 250 Zytostatika-Apotheken in Deutschland erzielen bei der Herstellung von Krebsmedikamenten sehr hohe Gewinne. Diese entstehen, weil pharmazeutische Unternehmen den Apotheken beim Kauf der Arzneimittel teilweise hohe Rabatte gewähren. Die im GKV-Bereich geltende Hilfstaxe garantiert, dass die Krankenkassen an den Rabatten zumindest teilhaben können. Anders im PKV-Bereich: Die Private Krankenversicherung ist bislang an die nominalen Preise nach der Arzneimittelpreisverordnung gebunden. PKV-Versicherte sind also mit den regulären Listenpreisen für parenterale Zubereitungen konfrontiert, die weit über den tatsächlichen Einkaufspreisen der Apotheken liegen. Es ist dringend geboten, die Ungleichbehandlung der PKV-Versicherten und Beihilfeberechtigten zu beenden.               

Mit § 129 Abs. 5c S. 9 bis 13 SGB V wird das Auskunftsverfahren gegenüber den Apotheken zu den Nachweisen der Preise, Bezugsquellen und verarbeiteten Mengen mit elektronischen Vorgaben und strukturierten Abfragen versehen. Diese gesetzliche Grundlage schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern fördert aktiv die Umstellung auf moderne digitale Verfahren. Besonders die Implementierung eines elektronischen Prozesses für Preisanfragen stellt einen wichtigen Schritt zur Effizienzsteigerung und zum Bürokratieabbau dar. Durch die digitale Abwicklung können Informationen strukturierter erfasst, übermittelt und ausgewertet werden. Dies führt zu höherer Transparenz der Preisgestaltung und ermöglicht eine präzisere Steuerung des gesamten Verfahrens. Darüber hinaus dürfte sich der administrative Aufwand auf Seiten der Apotheken, Krankenkassen und Hersteller erheblich reduzieren. Insgesamt wird das Verfahren dadurch schneller, transparenter und für alle Beteiligten praktischer gestaltet. Daher wird die vorgeschlagene Regelung unterstützt.

Hinsichtlich der Beteiligung des PKV-Verbandes im Rahmen des Benehmens besteht Klarstellungsbedarf. Bereits bei vergleichbaren Regelungen, wie bei der Vereinbarung der pharmazeutischen Dienstleistungen (§ 129 Abs. 5e SGB V) hat sich gezeigt, dass die Benehmensregelung in der Praxis regelmäßig zu Auslegungs- und Verfahrensfragen führt. Dies betrifft insbesondere die rechtzeitige Einbindung des Verbandes und die Bereitstellung der für die Beurteilung erforderlichen Informationen und Unterlagen. Um dem PKV-Verband eine sachgerechte Mitwirkung und Entscheidung zu ermöglichen, ist es erforderlich, ihm einen angemessenen Zugang zu den relevanten Unterlagen einzuräumen und die Teilnahme an den Verhandlungsterminen zu gewährleisten. Eine über die bloße Mitteilung des Verhandlungsergebnisses hinausgehende, angemessene Beteiligung des PKV-Verbandes ist daher geboten. 

Vorschlag

Nach § 129 Abs. 5c S. 14 SGB V wird eingefügt:

„Bei einer Vereinbarung nach Satz 1 erhält der Verband der Privaten Krankenversicherung die entscheidungserheblichen Unterlagen und Daten rechtzeitig und vollständig. Ein Vertreter des Verbandes der Privaten Krankenversicherung kann an den Verhandlungsterminen teilnehmen. Ihm steht das Recht zu, während der Verhandlungen mündlich Stellung zu nehmen und Fragen an die weiteren Teilnehmenden zu richten.“

Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe g (§ 129 Abs. 5e SGB V – Pharmazeutische Dienstleistungen)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Neuregelung sieht eine gesetzliche Definition der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) vor. Umfasst sind insbesondere Maßnahmen der Apotheken zur Prävention und Früherkennung von Erkrankungen sowie zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie. Diese pDL sollen insbesondere die pharmazeutische Betreuung von Patientinnen und Patienten in Gebieten mit geringer Apothekendichte berücksichtigen. Insbesondere haben Versicherte jeweils in einem zeitlichen Abstand von je mindestens zwölf Monaten Anspruch auf definierte pDL (Satz 4 Nr. 1-9). 
Die pDL „Pharmazeutisches Medikationsmanagement bei komplexer oder neu verordneter Dauermedikation“ ist zwingend ärztlich zu verschreiben; die anderen pDL können ärztlich verordnet werden. Die pDL ist in der ePA zu dokumentieren. 
GKV-Spitzenverband und DAV treffen eine Vereinbarung im Benehmen mit dem PKV-Verband über das Nähere zu den Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung und Abrechnung.

Bewertung

Mit der Verabschiedung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes wurde die Möglichkeit für Apotheken geschaffen, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten und abzurechnen. Das Ziel war es, Apotheken eine aktivere Rolle in der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. In der Apothekenpraxis haben sich pharmazeutische Dienstleistungen jedoch als Nischenthema erwiesen. Mit der Neuregelung versucht der Gesetzgeber, das Potenzial der pDL für die Versorgung zu heben und kontroverse Diskussionen über Vereinbarungen zu beenden.

Ausdrücklich wird nun geregelt, dass auch Prävention und Früherkennung von Erkrankungen und Erkrankungsrisiken neben den Maßnahmen im Rahmen einer Arzneimitteltherapie von den pDL umfasst sind. Konkret soll in den Apotheken eine Beratung zu verhaltensbezogenen Risikofaktoren (zum Beispiel Aspekte des Lebensstils wie Rauchen, Bewegungsmangel, Fehlernährung, Stress), zu Risikoerkrankungen (wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas) sowie zu Möglichkeiten der lebensstilbezogenen Prävention und zu Früher-kennungsangeboten (beispielsweise zum „Check-up“) erfolgen. Dabei sollen insbesondere Blutdruckmessungen und Bestimmungen des Body-Mass-Index (BMI) berücksichtigt werden.

Es steht nicht in Frage, dass mit pDL ein gesicherter Mehrwert für Patientinnen und Patienten einhergehen sollte. Bei Beratungen zu den beschriebenen verhaltensbezogenen Risikofaktoren muss dieser gesicherte Mehrwert bezweifelt werden. Apotheken sind auf Pharmakologie spezialisiert, nicht auf Ernährungs- oder Bewegungstherapie. Das pharmazeutische Personal ist primär für die sichere Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln ausgebildet, nicht für die tiefgehende Beratung in Ernährungswissenschaft oder Trainingslehre. Während Ernährungsberater, Diätassistenten oder Physiotherapeuten gesetzlich geregelte Qualifikationen besitzen, gibt es in Apotheken keine einheitlichen Standards für entsprechende Beratungen.

Die Krankenkassen finanzieren bereits Beratungsangebote durch Ärzte, Ernährungsberater und Präventionskurse (§ 20 SGB V). Eine zusätzliche Finanzierung in Apotheken würde Mittel doppelt binden. Es ist unklar, ob Beratungen in Apotheken tatsächlich zu nachweisbaren gesundheitlichen Verbesserungen führen – ohne diesen Nachweis sollte keine Leistung erfolgen. Eine Ernährungsberatung im Einzelfall dürfte ausgesprochen komplex sein; eine Verlaufs- und Erfolgskontrolle im Rahmen einer pDL abzubilden, ist finanziell nicht darstellbar. Effektive Ernährungs- und Bewegungsberatung muss langfristig erfolgen und erfordert Kooperation mit Ärzten, Trainern und Therapeuten – dies kann eine einzelne Apotheke kaum leisten. 
Die Maßnahmen des Satz 4 Nr. 2 bis 9 entsprechen z. T. den bereits vereinbarten pDL. Abgelehnt wird die „Beratung in Form einer Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen“ wegen fehlender Evidenz.

Warum die Einweisung in Autoinjektoren als pDL gesondert erfasst werden muss, erschließt sich nicht. Dies ist Teil der Aufgaben der Apotheke im Rahmen der Verpflichtung zur Information und Beratung gem. § 20 Apothekenbetriebsordnung. Mithin wird die gesetzliche Verankerung der Nummern 2 und 8 abgelehnt.

Für die Abrechnung der pharmazeutischen Dienstleistungen wäre vorzusehen, dass für die Ver-sicherten der PKV eine Einzelabrechnung entsprechend der üblichen Abrechnungswege einzurichten ist.

Die Ausgestaltung der Beteiligung des PKV-Verbandes im Rahmen des Benehmens bedarf auch hier einer ausdrücklichen Klarstellung. Die Benehmensregelung wirft in der Praxis regelmäßig Auslegungsfragen auf. Dies betrifft insbesondere die Bereitstellung von Informationen im Vorfeld und angemessene Beteiligung, die sich nicht bloß in der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses erschöpft. Mithilfe des Regelungsvorschlages kann eine effiziente Beteiligung der PKV sicher-gestellt werden.

Vorschlag

Nach § 129 Abs. 5e S. 13 SGB V wird eingefügt:

„Bei einer Vereinbarung nach Satz 12 und 13 erhält der Verband der Privaten Krankenversicherung die entscheidungserheblichen Unterlagen und Daten rechtzeitig und vollständig. Ein Vertreter des Verbandes der Privaten Krankenversicherung kann an den Verhandlungsterminen teil-nehmen. Ihm steht das Recht zu, während der Verhandlungen mündlich Stellung zu nehmen und Fragen an die weiteren Teilnehmenden zu richten.“

Zu Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe e (§ 132e Abs. 1a SGB V – Vertrag über Schutzimpfungen) 

Vorgeschlagene Regelungen

Der GKV-Spitzenverband schließt mit dem Deutschen Apothekerverband im Benehmen mit dem PKV-Verband einen Vertrag über die Durchführung von Schutzimpfungen durch Apotheken nach § 20c Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes. Gegenstand sind die Vergütung der Impfleistung (einschließlich Dokumentation) und die Abrechnung der Vergütung. Im Vertrag ist für die Beschaffung von Grippeimpfstoffen eine Vergütung der Apotheken von 1 Euro je Einzeldosis so-wie die Umsatzsteuer vorzusehen.

Bewertung

Die Neuregelung erfolgt mit Verweis auf die Neuregelung in § 20c Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes. Die Regelung wird begrüßt.

Hinsichtlich der Beteiligung des PKV-Verbandes durch die Benehmensherstellung ist eine präzisierende Regelung erforderlich. Vergleichbare Sachverhalte, etwa bei den pharmazeutischen Dienstleistungen nach § 129 Abs. 5e SGB V, haben gezeigt, dass die Benehmensregelung wieder-holt Auslegungsprobleme hervorruft. Diese betreffen vor allem den Umfang der bereitzustellen-den Informationen sowie die rechtzeitige Einbindung in die Verhandlungstermine. Durch die Klarstellung ließe sich eine angemessene Beteiligung der PKV gewährleisten.

Vorschlag

Nach § 132e Abs. 1a S. 4 SGB V wird eingefügt:

„Bei einem Vertrag nach Satz 1 erhält der Verband der Privaten Krankenversicherung die entscheidungserheblichen Unterlagen und Daten rechtzeitig und vollständig. Ein Vertreter des Verbandes der Privaten Krankenversicherung kann an den Verhandlungsterminen teilnehmen. Ihm steht das Recht zu, während der Verhandlungen mündlich Stellung zu nehmen und Fragen an die weiteren Teilnehmenden zu richten.“

Zu Artikel 3 Nr. 4 (§ 20 Abs. 1b und 1c Apothekenbetriebsordnung – Dokumentationspflichten bei Privatversicherten)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Durchführung einer pDL muss auch für Privatversicherte, Beihilfeberechtigte und Selbstzahler in der ePA dokumentiert werden, sofern der Speicherung nicht widersprochen wurde und sie technisch möglich ist. Der behandelnde (Haus-)Arzt ist über die Durchführung der pDL über ein sicheres Übermittlungsverfahren zu informieren. 
Bei einer Arzneimittelabgabe gem. § 48a AMG ist nach definierten Vorgaben zu dokumentieren (einschließlich Dosierungsanweisung).

Bewertung

Wir begrüßen die Dokumentation durchgeführter pharmazeutischer Dienstleistungen sowie von Arzneimittelabgaben nach § 48a AMG. Die Regelungen von § 48b AMG werden zwar abgelehnt; es stellt sich dennoch die Frage, warum die Abgabe an Privatversicherte gem. dieser Regelung nicht in der ePA dokumentiert werden muss, obwohl Informationen zur Dosierung in diesen Fällen deutlich relevanter sind als bei Abgaben von Arzneimitteln nach § 48a Arzneimittelgesetz, bei denen die Dosierungen aufgrund der Anschlussversorgung bekannt sein müssen. 

Zu Art. 5 Nr. 2 – Änderung des Heilmittelwerbegesetzes

Vorgeschlagene Regelungen

Apotheker sollen die Möglichkeit der Werbung für Diagnostik gem. der vorgesehenen Neuregelung von § 24 IfSG erhalten.

Bewertung

Die Neuregelung in Artikel 7 Nr. 6 (§ 24 IfSG; siehe unten) wird abgelehnt. Deshalb sollte auch auf die vorgesehenen Regelungen im Heilmittelwerbegesetz verzichtet werden.

Zu Artikel 6 Nr. 2 (§ 48a und 48b AMG – Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Apotheker zur Anschlussversorgung und bei bestimmten Erkrankungen)

Vorgeschlagene Regelungen

§ 48a: Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen einmalig in der kleinsten Packungsgröße ohne ärztliche Verordnung durch eine Apotheke abgegeben werden. Dabei muss es sich um die Anschlussversorgung mit einem Arzneimittel handeln, das einem Menschen mindestens vier Quartale hinweg verschrieben wurde. Zudem darf die Fortführung der Anwendung keinen Aufschub erlauben. Als Nachweis, dass das betreffende Arzneimittel zuvor bereits über vier Quartale hinweg verschrieben wurde, gelten insbesondere in der elektronischen Patientenakte gespeicherte Daten. 
§ 48b: Auch bei definierten unkomplizierten Erkrankungen soll es Apotheken ermöglicht werden, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abzugeben. Das BMG wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates und auf Empfehlung des BfArM nähere Vorgaben zu machen.

Bewertung

Die Regelung des § 48a AMG wird begrüßt. Sie ermöglicht eine Abgabe von Arzneimitteln ohne ärztliche Verordnung und somit eine niedrigschwellige Anschlussversorgung für Patienten mit Dauermedikation. Damit trägt die Maßnahme dazu bei, vermeidbare Arztbesuche in Notfallsituationen zu reduzieren und die kontinuierliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Es wäre sinnvoll, die Abgabe nach § 48a AMG auf Arzneimittel nach § 48a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG zu beschränken. In der vorgeschlagenen Regelung ist die Abgabe von Arzneimitteln nach § 48 Abs. 1 S. 1 AMG insgesamt möglich. Dies betrifft auch Arzneimittel mit Stoffen, deren Wirkungen in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein anerkannt sind (§ 48 Abs. 1 S.1 Nr. 2 AMG). Um die Patientensicherheit zu gewährleisten und Risiken durch wissenschaftlich nicht belegte Präparate zu vermeiden, sollte diese Abgabemöglichkeit ausgeschlossen werden.

Dagegen wird die Regelung des § 48b AMG abgelehnt. Eine derartige Aufweichung der Verschreibungspflicht für Arzneimittel, deren Begründung das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels ist, wird kritisch bewertet. Für die Verschreibungspflicht gibt es gewichtige Gründe: die Sicherstellung einer fachgerechten Diagnose und Behandlung, die Vermeidung von Fehlanwendung und Missbrauch, die Überwachung von Neben- und Wechselwirkungen, den Schutz vor gesundheitlichen Risiken und die Vermeidung von Resistenzbildungen.

Darüber hinaus sollte das Instrument der Rechtsverordnung zur Definition von (vermeintlich) unkomplizierten akuten Erkrankungen nochmals eingehend überdacht werden. Die Feststellung einer unkomplizierten akuten Erkrankung kann nur sicher erfolgen, wenn eine ausreichende patientenindividuelle Diagnostik (einschließlich Anamnese und erforderlicher Untersuchung) vorgenommen wurde. Diese Voraussetzungen sind ohne Beteiligung von ärztlichem Sachverstand in einer Apotheke schwer umzusetzen. Die Vielzahl der mit der Rechtsverordnung zu hinterlegenden Vorgaben und Pflichten würde zudem einen erheblichen bürokratischen Überbau bedingen, ohne dass in der Sache und für den Patienten eine echte Sicherheit geschaffen würde.  

Das Verfahren vor dem Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim BfArM ist bewährt: Es werden nur solche Arzneimittel aus der Verordnungspflicht entlassen, bei denen der Verzicht auf eine ärztliche Kontrolle mit Blick auf das Nutzen-Risiko-Profil vertretbar ist. Es sollte nicht dadurch unterlaufen werden, dass offiziell verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Verordnung abgegeben werden dürfen.

Die Aufgabenaufteilung zwischen Arzt und Apotheker ist sachgerecht, weil sie auf einer klaren Trennung der Verantwortungsbereiche beruht, die der Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimittelversorgung dient. Im Einzelnen: Der Arzt ist medizinisch ausgebildet und zuständig für Diagnose und Therapieentscheidung. Er beurteilt, welche Krankheit vorliegt und welches Arznei-mittel zur Behandlung geeignet ist. Der Apotheker hat eine pharmazeutische Ausbildung und ist Fachmann für Herstellung, Prüfung, Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln sowie für deren Wirkungen, Wechselwirkungen und richtige Anwendung.

Die Trennung schafft ein Vier-Augen-Prinzip: Der Arzt verordnet, der Apotheker überprüft die Verordnung auf Plausibilität, Dosierung, Wechselwirkungen und mögliche Risiken. Dadurch werden Fehler, Missbrauch und Gefährdungen für den Patienten reduziert. Davon abgesehen soll der Arzt nicht wirtschaftlich vom Verkauf von Arzneimitteln profitieren, damit die Entscheidung für ein Medikament ausschließlich medizinisch begründet ist. Der Apotheker hingegen sorgt für die sachgerechte und wirtschaftliche Abgabe, unabhängig von der ärztlichen Diagnose. Daraus folgt das sog. Dispensierverbot für Ärzte, das aber mit der gesetzlichen Regelung zugunsten der Apotheken aufgeweicht und die tradierte Unterscheidung zwischen Arzt und Apotheker in Frage gestellt wird. An dieser grundsätzlichen Unterscheidung sollte ordnungspolitisch nicht gerüttelt werden.

Bei der Abgabe gem. § 48b AMG sehen wir ernsthafte Gefahren für die Qualität der Versorgung. Weder der Patient noch der Apotheker können zuverlässig bestimmen, ob ein vermeintlich unkomplizierter Harnwegsinfekt nicht doch kompliziert verläuft oder eine andere ernsthafte Erkrankung dahintersteckt. Die geplante Regelung widerspricht an dieser Stelle zudem den Grundsätzen einer rationalen Antibiotikatherapie und den Bemühungen um Resistenzvermeidung.

Zu Artikel 7 Nr. 5 (§ 20c IfSG – Impfungen durch Apotheker)

Vorgeschlagene Regelungen

Apotheker sind unter definierten Voraussetzungen zukünftig, über die bereits bestehenden Impfberechtigungen hinaus, auch zur Durchführung weiterer Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen sowie zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen FSME berechtigt.

Bewertung

Der PKV-Verband begrüßt die definierte, begrenzte Erweiterung der Impfmöglichkeiten in der Apotheke. In Deutschland gibt es teilweise erhebliche Impflücken. Eine Studie der BZgA ergab, dass praktische Hürden – z. B. das Vergessen eines Impftermins oder der Aufwand des Arztbesuchs – dazu beitragen, dass Impfungen nicht durchgeführt werden. Erfahrungen aus anderen Ländern belegen, dass durch den niedrigschwelligen Zugang zur Apotheke die Impfquoten erheblich gesteigert werden konnten.

Impfungen durch Apotheker stärken den Apotheker als Heilberufler auf der einen Seite und können auf der anderen Seite die Kundenbindung verbessern. Impfungen gegen SARS-Cov-2 und Grippe können in Apotheken bereits angeboten werden. Um die präventive Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern, ist es daher sinnvoll, auf die bereits bestehenden Kompetenzen und die vorgenommenen räumlichen Veränderungen in den Apotheken aufzubauen. 

Zu Artikel 7 Nr. 6 (§ 24 IfSG – Feststellung und Heilbehandlung übertragbarer Krankheiten)

Vorgeschlagene Regelungen

Apothekern, in der Apotheke tätigem pharmazeutischen Personal und Pflegefachpersonen in Pflegeeinrichtungen soll die Anwendung von In-vitro-Diagnostika (Schnelltests auf das Adenovirus, Influenza-Viren, das Norovirus, RSV und das Rotavirus) gestattet werden. Unabhängig von der beruflichen Qualifikation sollen In-vitro-Diagnostika, die für Schnelltests auf das HI-Virus, das Hepatitis-C-Virus, SARS-Cov-2-Virus und Treponema pallidum (Auslöser von Syphilis) verwendet werden, gestattet werden.

Bewertung

Die Neufassung wird in der Gesetzesbegründung als Maßnahme zum Erhalt der Testinfrastruktur der Pandemiejahre und mit der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit begründet. Diese Testinfrastruktur ist nicht mehr existent, für die Untersuchung von Stuhlproben hat sie nie existiert. Es wird bezweifelt, ob in Apotheken die räumlichen Voraussetzungen für die Arbeiten mit Infektionserregern im Stuhl geschaffen werden können.

Grundsätzlich sollte die Behandlung mit Anamnese, Untersuchung, ausgewählter Diagnostik und Therapie aus einer Hand erfolgen. Es ist der Arzt, der entscheiden muss, welche Diagnostik im Rahmen einer bestimmten Krankheitssymptomatik überhaupt angezeigt ist. Der Einsatz von Tests muss in diesem Zusammenhang erfolgen; die Ergebnisse müssen in diesem Kontext ausgewertet werden. Die Durchführung eines Tests aus einer definierten Auswahl kann sehr leicht zu Fehlinterpretationen führen, die dann für den Betroffenen selbst und auch sein Umfeld zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen können. Bei Erregern, die für Kinder gefährlich sind, sollte zu-dem kein Anreiz für Elternteile gegeben werden, einen Arzttermin und einen ggf. erforderlichen Behandlungsbeginn durch einen Umweg zum Apotheker zu verzögern. Die Einschätzung einer pädiatrischen Erkrankung/Infektion durch nicht-qualifiziertes Personal birgt erhebliche Risiken und verantwortliche Apotheker werden diese auch nicht durchführen, sondern das Kind/die Eltern zum Arzt weiterleiten.

Inwiefern durch die neuen Möglichkeiten in Apotheken und Pflegeeinrichtungen ärztliche Kapazitäten geschont werden, wird weder quantifiziert noch überhaupt dargelegt. Engpässe in fach-ärztlichen Laboren sind zu keinem Zeitpunkt öffentlich bekannt geworden.

Im Zuge der Neuregelungen durch die vorgesehenen Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes soll für die Diagnostik in Apotheken geworben werden dürfen. Eine Kostentragung durch die GKV wird zwar nicht geregelt; eine Erstattung durch die PKV ist allerdings nicht ausgeschlossen, wenn die entsprechenden versicherungsvertraglichen Voraussetzungen vorliegen. Damit könnten Versicherte die Diagnostik verstärkt nachfragen – mit der Folge medizinisch nicht angezeigter Ausgabensteigerungen.

Auf die vorgesehenen Neuregelungen sollte ersatzlos verzichtet werden. 

II. Zu ausgewählten Regelungen der Änderungsverordnung

Zu Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe a und c (Apothekenzuschläge für Fertigarzneimittel

Vorgeschlagene Regelungen

Der bisherige Zuschlag von 20 Cent zur Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen entfällt, während der Zuschlag zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von 21 auf 41 Cent erhöht wird. Diese Erhöhung erfolgt nur bis zur erstmaligen Anpassung nach § 3a AMPreisV.

Bewertung

Die Regelung wird begrüßt. Angesichts der hohen Finanzreserven im Fonds für pharmazeutische Dienstleistungen ist es sachgerecht, auf eine künftige Erhebung des Zuschlages zu verzichten. Damit wird die fortlaufende Überfinanzierung vermieden. Zudem ist die kurzfristige Förderung von Apotheken, die Nacht- und Notdienste leisten, zu begrüßen. Mit Nacht- und Notdiensten wird die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung außerhalb der regulären Öffnungszeiten gesichert. 

Zu Artikel 2 Nr. 3 (Vergütungsverhandlung nach § 3a AMPreisV)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Neuregelung sieht vor, dass der GKV-Spitzenverband mit dem Deutschen Apothekerverband im Benehmen mit dem PKV-Verband eine Empfehlung zur regelmäßigen Anpassung der Preisbestandteile nach § 3 Abs. 1 S. 1 AMPreisV und eines Zuschlags für Apotheken in ländlichen Gebieten zu vereinbaren.

Bewertung

Die Regelung wird grundsätzlich begrüßt. Sie stellt einen wichtigen Schritt dar, um einen angemessenen Ausgleich zwischen Versorgungssicherheit und Finanzierbarkeit des Krankenversicherungssystems durch Empfehlung der Selbstverwaltung sicherzustellen. Fraglich bleibt jedoch, in welchen Fällen das BMG bei der Umsetzung in der AMPreisV von der Empfehlung abweichen kann.

Hinsichtlich der Beteiligung des PKV-Verbandes in Form des Benehmens bedarf es jedoch einer Klarstellung. Bereits bei den Vereinbarungen zur Durchführung von Impfungen (§ 132e SGB V) sowie bei den pharmazeutischen Dienstleistungen (§ 129 Abs. 5e SGB V) besteht eine Benehmensregelung, die in der Praxis regelmäßig zu Fragestellungen führt. Dies betrifft insbesondere die Bereitstellung von entscheidungserheblichen Informationen im Vorfeld und die angemessene Beteiligung. Vielfach wird dem PKV-Verband lediglich das Verhandlungsergebnis mit der Bitte um Herstellung des Benehmens mitgeteilt.

Die Regelung in § 3a AMPreisV wirkt sich auf die Preisbildung aller Rx-Fertigarzneimittel aus, die einen wesentlichen Bereich der Leistungsausgaben in der Privaten Krankenversicherung dar-stellt. Neben dem Fixum und prozentualen Anteil soll zudem ein neuer Zuschlag für Apotheken in ländlichen Gebieten etabliert werden. Dem PKV-Verband muss eine umfassende Kenntnis der Unterlagen- und Datenlage und Teilnahme an den Verhandlungsterminen ermöglicht werden, um eine fundierte Beurteilung über diesen wesentlichen Bereich des Leistungserbringerrechts und der künftigen Ausgabenentwicklung für PKV-Versicherte und Beihilfeberechtigte treffen zu können.

Vorschlag

Nach § 3a Abs.  4 S. 1 AMPreisV wird eingefügt:

„Bei einer Vereinbarung nach Absatz 1 erhält der Verband der Privaten Krankenversicherung die entscheidungserheblichen Unterlagen und Daten rechtzeitig und vollständig. Ein Vertreter des Verbandes der Privaten Krankenversicherung kann an den Verhandlungsterminen teilnehmen. Ihm steht das Recht zu, während der Verhandlungen mündlich Stellung zu nehmen und Fragen an die weiteren Teilnehmenden zu richten.“

Zu Artikel 2 Nr. 6 (Arzneimittel nach § 48a und § 48b AMG)

Vorgeschlagene Regelung

Bei der Abgabe von Arzneimitteln nach § 48a und § 48b AMG sollen Apotheken einen zusätzlichen Betrag von bis zu 5 Euro berechnen können.

Bewertung

Die Regelung wird abgelehnt. Für die Umsetzung der Regelung des § 48a AMG ist keine gesonderte Vergütung erforderlich, da die Abgabe im Rahmen der bestehenden Pflichten des Apothekers erfolgt. Eine zusätzliche Vergütung würde einen sachlich nicht gerechtfertigten Anreiz einzelner Abgabevorgänge schaffen. Auch im Hinblick auf § 48b AMG lehnen wir eine zusätzliche Vergütung ab. Die etablierte Trennung der Arzneimittelversorgung von der ärztlichen Behandlung und somit die Abgrenzung der Befugnisse des Arztes und des Pharmazeuten sollte aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und Systemkohärenz nicht angetastet werden.