Stellungnahme 28. November 2025

Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung erfordert eine genaue Überprüfung der Leistungen, findet der PKV-Verband und verweist auf seinen 10-Punkte-Plan zur Pflege.

Zusammenfassung

  • Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung erfordert eine genaue Überprüfung der Leistungen. Sie müssen passgenau und zielgerichtet sein.
  • Versicherungsfremde Leistungen, die nicht dem Zweck der Pflegeversicherung dienen, dürfen nicht durch die Beitragszahler finanziert werden.
  • Das Begutachtungsinstrument zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit muss evaluiert werden.

I. Allgemeine Anmerkung

Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) verzeichnet seit Jahren Milliardendefizite. Allein in den letzten 10 Jahren stieg der SPV-Beitragssatz von 2,35 auf 3,6 Prozent (für Kinderlose sogar von 2,69 auf 4,2 Prozent). Nach einer Beitragssatzerhöhung 2024 musste der SPV-Beitragssatz am 1. Januar 2025 erneut angehoben werden, um die SPV zahlungsfähig zu halten. Es ist daher zu begrüßen, dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken sich zum Ziel gesetzt hat, die Soziale Pflegeversicherung mit einer umfassenden Reform nachhaltig aufzustellen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ erarbeitet seit Juli 2025 Eckpunkte, die im kommenden Jahr in ein Gesetzgebungsverfahren einfließen werden.

Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung erfordert eine genaue Überprüfung der Leistungen. Sie müssen passgenau und zielgerichtet sein. Versicherungsfremde Leistungen, die nicht dem Zweck der Pflegeversicherung dienen, dürfen nicht durch die Beitragszahler finanziert werden.

Die PKV plädiert zudem für eine Vereinfachung und Flexibilisierung der Leistungen und eine konsequente Ausrichtung des Pflegegrades 1 auf Prävention. Leistungen des Pflegegrades 1 sollten auf Beratung, Pflegekurse, Hilfsmittel und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds beschränkt bleiben. Diese Aspekte, die ähnlich auch in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe diskutiert werden, stehen nicht für „Leistungskürzungen“, wie sie von der Fraktion Die Linke in ihrem Antrag befürchtet werden. Vielmehr handelt es sich um sinnvolle Maßnahmen, die dazu beitragen, die gesetzliche Pflegeversicherung nachhaltig finanzierbar zu halten.

Mit Blick auf die strukturellen Defizite der Sozialen Pflegeversicherung darf zudem die Umlagefinanzierung nicht ausgeweitet, sondern muss sinnvoll ergänzt werden: Durch eine Stärkung der Eigenverantwortung und der generationengerechten privaten und betrieblichen Vorsorge. Denn eine dauerhaft sichere und tragfähige Finanzierung des Pflegerisikos ist im demografischen Wandel nur durch mehr Eigenverantwortung und Kapitaldeckung möglich.

Diese und weitere konkrete Vorschläge zur pflegerischen Versorgung und zur Pflegefinanzierung hat der PKV-Verband zum Auftakt der Bund-Länder-Arbeitsgruppe in einem 10-Punkte-Plan vorgelegt – generationengerecht, finanzierbar und praxisnah.

II. Zum Antrag

Vorgeschlagener Beschluss
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag, dass es in der Pflegeversicherung keine Leistungskürzungen geben dürfe, wie etwa eine (Teil-)Karenzzeit, Leistungsverschlechterungen im Pflegegrad 1 oder höhere Schwellenwerte zur Zuordnung zu den einzelnen Pflegegraden.

Bewertung
Die schwierige finanzielle Situation der Pflegeversicherung erfordert es, hinsichtlich der Finanzierung und der Ausgaben der Pflegeversicherung Änderungen im Rahmen einer umfassenden Reform vorzunehmen. Das ist erforderlich, um eine stabile, generationengerechte und nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung auf der einen Seite und eine passgenaue und gerechte Versorgung der Pflegebedürftigen auf der anderen Seite sicherzustellen. Dazu können unter anderem folgende Änderungen im Leistungsrecht beitragen:

Der PKV-Verband spricht sich für eine konsequente Ausrichtung des Pflegegrades 1 auf Prävention aus. Details zu diesem Vorschlag finden sich unter Punkt 6 im PKV-Positionspapier „Pflege neu denken - Der 10-Punkte-Plan für eine dauerhaft tragfähige Pflegereform“.

Hintergrund dieser Position ist insbesondere ein wissenschaftliches Dossier der Medicproof GmbH (medizinischer Dienst der PKV) mit dem Titel „Pflegegrad 1 in der Begutachtung - Datenanalyse und Gutachterbefragung“.

Aus der Analyse von Medicproof geht hervor, dass viele der Versicherten mit Pflegegrad 1 noch sehr selbständig sind. Sie sind insbesondere im Bereich der Haushaltsführung eingeschränkt, was auch am häufigsten den Ausschlag zur Antragstellung gibt. Von dem Antrag erhoffen sich die Pflegebedürftigen primär finanzielle Unterstützung, so dass beispielsweise eine Reinigungskraft oder ein Gärtner mit dem Entlastungsbetrag bezahlt werden kann. Die Ergebnisse zeigen recht eindrücklich, dass der Pflegegrad 1 in seiner aktuellen leistungsrechtlichen Ausgestaltung seine ursprünglichen Ziele wie Prävention und Verzögerung der Pflegebedürftigkeit nicht erreicht. Damit die Leistungen des Pflegegrades 1 präventiv wirken, sollten sie auf jeden Fall Beratungsangebote, Pflegekurse, Hilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen umfassen. Würden die anderen Ansprüche, die nicht gezielt präventiv wirken, wie der Anspruch auf den Entlastungsbetrag oder der Zuschuss bei vollstationärer Pflege, entfallen, könnten die Einsparungen stattdessen für die Stärkung präventiver Ansätze zur Vermeidung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit genutzt werden.

Es ist richtig, neun Jahre nach Inkrafttreten des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs das Begutachtungsinstrument umfassend zu evaluieren. Dabei sollte geprüft werden, ob die Leistungen pas-send zur jeweiligen Gesetzesintention und den finanziellen Wirkungen verteilt sind. Das Begutachtungsinstrument ist ein lernendes System. Auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen sollte nun untersucht werden, ob es tatsächlich so wirkt, wie dies von den pflegewissenschaftlichen Experten und vom Gesetzgeber intendiert war. Daher ist insbesondere zu prüfen, ob die Höhe der Schwellenwerte und der Punktbewertungen innerhalb der Module an die ursprünglichen Vorschläge des Expertenbeirats von 2013 anzupassen ist.

Grundsätzlich müssen die Leistungen der Pflegeversicherung passgenau und zielgerichtet eingesetzt werden. Es dürfen nur Leistungen finanziert werden, die Pflegebedürftigen die Hilfe und Unterstützung zukommen lassen, die sie allein aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit benötigen. Versicherungsfremde Leistungen, die nicht dem Zweck der Pflegeversicherung dienen, dürfen nicht durch die Beitragszahler finanziert werden.

Eine Ausweitung der Pflegeleistungen im Jahr 2022 entwickelt sich bereits jetzt zu einer der teuersten Sozialreformen der vergangenen Jahre: Die Zuschüsse zu den Eigenanteilen in Pflegeheimen nach § 43c SGB XI. Nach Berechnungen des IGES werden die Ausgaben für diese Zuschüsse bis zum Ende der Legislaturperiode (2029) auf 8,2 bis 9,4 Milliarden Euro steigen. Wer weitere Wohltaten in der umlagefinanzierten Pflegeversicherung fordert, verursacht eine Kostenexplosion und lebt rücksichtslos zu Lasten der erwerbstätigen Beitragszahler und der nachfolgenden Generationen.

Auch wenn die Finanzierung der Pflegeversicherung nicht expliziter Bestandteil des Antrags ist, weist die Fraktion Die Linke darauf hin, dass sie sich grundsätzlich für eine Pflegevollversicherung ausspricht. Dies soll finanziert werden, indem die Beitragsbemessungsgrenze entfällt, Kapitaleinkommen verbeitragt wird und die privat Pflegeversicherten in die Soziale Pflegeversicherung (SPV) eingegliedert werden.

Die vorgeschlagene „Pflegevollversicherung“ würde die Probleme der umlagefinanzierten SPV im demografischen Wandel weiter verschärfen und wäre weder generationengerecht noch verteilungspolitisch gerecht:

  • Schon im ersten Jahr der Einführung würden dabei allein für die stationäre Pflege Mehrkosten in Höhe von 17,5 Milliarden Euro entstehen. Der SPV-Beitragssatz müsste entsprechend um ca. 0,9 Beitragssatzpunkte angehoben werden.
  • Verteilungspolitisch wäre eine Pflegevollversicherung ungerecht. Gut zwei Drittel der Rentnerhaushalte in Deutschland können die Pflegekosten selbst tragen. Im Fall einer Vollversicherung – von der Solidargemeinschaft finanziert – würde das private Vermögen dieser Haushalte entsprechend geschont. Die Nutznießer einer Vollversicherung wären letztlich die Erben. Eine gezielte Unterstützung Bedürftiger ist über die subsidiäre Sozialhilfe möglich, die eine Vermögensprüfung voraussetzt.

Die Einbeziehung der Privatversicherten in die Soziale Pflegeversicherung oder in deren Finanzierung würde weder die Finanzierung einer Vollversicherung ermöglichen noch die bereits bestehenden finanziellen Probleme der Pflegeversicherung lösen. Ein Risikoausgleich würde nur 70 Cent pro Versicherten einbringen. 9 Millionen Versicherte können nicht die Probleme von 75 Millionen Versicherten lösen.

Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze wäre wirtschaftlich desaströs, denn sie wirkt als Sonderabgabe auf hochqualifizierte Arbeit. Selbst bei einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze der (Kranken- und) Pflegeversicherung auf das Niveau der Rentenversicherung müssten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Mehrbelastungen in Höhe von insgesamt 22,9 Milliarden Euro (davon 4,1 Milliarden Euro durch die SPV) oder eine Pro-Kopf-Zusatzbelastung von durchschnittlich 3.646 Euro und in der Spitze von 5.614 Euro jährlich tragen. Das entspräche in der GKV einer Lohnzusatzkostenerhöhung von 46 Prozent. Die eigentlichen Finanzprobleme der SPV können nicht durch eine Abschaffung oder Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze gelöst werden. Denn die SPV hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.