Stellungnahme 28. November 2025

Massive Mehrkosten für öffentliche Haushalte, verfassungsrechtliche Risiken und unnötige Bürokratie: Die pauschale Beihilfe ist ein Irrweg ohne sozialen Absicherungsbedarf. Die PKV-Öffnungsaktion garantiert Beamten bereits einen attraktiven und bezahlbaren Zugang – unabhängig von Vorerkrankungen.

Die Einführung der pauschalen Beihilfe…

… hat ideologische Motive: die Realisierung der Bürgerversicherung. Laut Friedrich-Ebert-Stiftung ist ein Weg zur Bürgerversicherung, dass sich mehr Beamte in der GKV versichern.

… lässt sich durch keinen sozialen Absicherungsbedarf begründen: Durch die Öffnungsaktionen haben alle Beamtinnen und Beamten sowie ihre Angehörigen Anspruch auf Aufnahme in die PKV – unabhängig von Vorerkrankungen oder Behinderungen.

… ist teuer: Die Mehrausgaben für die öffentlichen Haushalte überwiegen erheblich und die Kostenrisiken für Land und Kommunen nehmen zu.

… ist mit hohen Unsicherheiten verbunden: Das strukturelle Defizit der GKV im demografischen Wandel wird deren Leistungsversprechen unter Druck setzen. Leistungseinschränkungen muss der Dienstherr kompensieren.

… führt zu neuen bürokratischen Aufwänden: Die pauschale Beihilfe ist eine zusätzliche Leistung für die Beamten, für deren Abwicklung neue Prozesse der Antragstellung, Prüfung und Auszahlung aufzubauen sind.

… ist verfassungsrechtlich bedenklich, denn sie beschneidet die Beamten in ihrer Wahlfreiheit.

I. Allgemeine Anmerkungen

Mit dem Gesetzentwurf für ein Landesgesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes legt die CDU-Fraktion u. a. einen Vorschlag zur Einführung einer pauschalen Beihilfe für Beamtinnen und Beamte vor, indem das Landesbeamtengesetz um einen neuen §66a erweitert wird (Art. 1 Nr. 2 LBG(neu)).

Beamte haben im Krankheitsfall einen Anspruch auf Beihilfe. Der Dienstherr übernimmt dann mindestens 50 Prozent der Behandlungskosten. Die Restkosten werden über einen Beihilfetarif der Privaten Krankenversicherung abgesichert. Für diese klassische Kombination aus individueller Beihilfe und PKV haben sich 93 Prozent der Beamtinnen und Beamten in Deutschland entschieden. Aufgrund der Öffnungsaktionen der Privaten Krankenversicherung haben alle Beamtinnen und Beamten sowie ihre Angehörigen – auch bei Vorerkrankungen oder Behinderungen – eine Aufnahmegarantie in der Privaten Krankenversicherung ohne Leistungsausschlüsse und mit einem maximalen Risikozuschlag von 30 Prozent.

II. Bewertung

Schritt in Richtung „Einheitsversicherung“ – Schwächung des dualen Krankenversicherungssystems

Initiator für die Einführung einer pauschalen Beihilfe war das Land Hamburg, das seit 1. August 2018 allen Beamtinnen und Beamten, die sich für die GKV entscheiden, einen Arbeitgeberzuschuss in Form einer pauschalen Beihilfe zahlt. Der Zuschuss ist begrenzt auf den halben Beitrag zur GKV (bzw. auf den hälftigen Beitrag des Basistarifs bei einer Krankenvollversicherung in der PKV). Bedingung für den Arbeitgeberzuschuss ist in jedem Fall, dass die Beamten ihren Anspruch auf die individuelle Beihilfe unwiderruflich aufgeben; sie können nicht mehr zur individuellen Beihilfe zurückkehren.

Das Angebot des Landes Hamburg hatte einen politischen Hintergrund: Die Beamten unterliegen heute als eine der wenigen Personengruppen nicht der Versicherungspflicht in der GKV. Sie haben die Möglichkeit, sich in der Privaten Krankversicherung abzusichern, und bilden hier die größte Versichertengruppe. Mit dem Arbeitgeberzuschuss sollen die Beamten zur Absicherung in der GKV motiviert werden. Laut Friedrich-Ebert-Stiftung ist ein Weg zur Bürgerversicherung, dass sich mehr Beamte in der GKV versichern.  Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach sieht in dem sog. „Hamburger Modell“ einen „großartigen Schritt in Richtung Bürgerversicherung“. Abgeordnete in den Bundesländern folgen der Einschätzung: „Mit der Einführung einer pauschalen Beihilfe nähern wir uns der Idee einer Bürgerversicherung, die wir, die SPD, schon seit Langem fordern“  oder „Unser eigentliches Ziel als SPD ist eine grundsätzliche Reform unseres Krankenversicherungssystems, bei dem Menschen mit allen Einkommensarten in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied sind (die sogenannte Bürgerversicherung). Eine solche Reform war in den letzten Legislaturperioden (…) nicht zu vereinbaren. So kam es überhaupt erst zu der Idee, die GKV als Zwischenschritt für Beamt/innen zu öffnen.“

Dabei ist belegt, dass die angestrebte Einheitsversicherung die medizinische Versorgung durch den Wegfall von Mitteln gefährdet – auf dem Land sogar noch stärker als in den Städten. Bundes-weit beträgt der PKV-Mehrumsatz 14,46 Milliarden Euro (2023).  Davon entstehen jährlich 703,9 Millionen Euro in Rheinland-Pfalz. Dieses Geld kommt vor allem Ärztinnen und Ärzte auf dem Land zugute. So erzielte eine niedergelassene Ärztin/ein niedergelassener Arzt in der wirtschafts-starken Ankerregion Rhein-Pfalz als Teil der Wirtschafts- und Metropolregion Rhein-Neckar einen Mehrumsatz von 43.151 Euro pro Jahr (Realwert). Im strukturschwachen Eifelkreis Bitburg-Prüm sind es 77.210 Euro (Realwert), in der Vulkaneifel sogar 81.631 Euro (Realwert). Diese Mehrumsätze können Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Therapeutinnen und Therapeuten in Fachpersonal oder moderne medizinische Infrastruktur investieren.

Die Einführung der pauschalen Beihilfe folgt der politischen Zielsetzung, diese Vorteile der Privaten Krankenversicherung für die Versorgung aller Versicherten zu beseitigen, indem alle Bürge-rinnen und Bürger Leistungen in der GKV erhalten und der PKV-Mehrumsatz entfällt.
 

Kein Mehr an Wahlfreiheit: Beamte haben bereits Wahlfreiheit und eine Garantie auf Aufnahme in die PKV unabhängig vom Gesundheitszustand

Beamte gehören heute zu den Wenigen, die die Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV haben. Diese Wahlfreiheit wird mit der pauschalen Beihilfe beschränkt, da die Beamten ihre einmal getroffene Wahl – anders als heute – nicht mehr revidieren können: Bedingung für den Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung ist, dass der Anspruch auf die individuelle Beihilfe unwiderruflich auf-gegeben wird. In der heutigen Praxis haben Beamte zum Beispiel die Möglichkeit, sich nach zehn oder mehr Jahren in der GKV doch noch für die Beihilfe mit ergänzender PKV zu entscheiden. Würden es die ursprünglichen Initiatoren des Hamburger Modells mit dem Argument der „Wahlfreiheit“ ernst meinen, müssten sie sich für eine Senkung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte einsetzen, die heute für knapp 90 Prozent der Arbeitnehmer eine Pflichtmitgliedschaft in der GKV zur Folge hat. Das zeigt, dass es im Hamburger Modell nur um eine Einbahnstraße zur GKV geht und nicht um echte Wahlfreiheiten.

Als Begründung für die pauschale Beihilfe werden in dem Gesetzentwurf die Beamten mit Kindern und die Beamten mit Vorerkrankungen genannt. Auch mit Blick auf diese Personengruppen gibt es keinen Handlungsbedarf: Im Rahmen der Öffnungsaktionen der PKV erhält heute jeder Beamte unabhängig von seinen Vorerkrankungen und seinem Gesundheitszustand eine attraktive und bezahlbare Zugangsmöglichkeit zur PKV. Seit dem 1. Januar 2019 beziehen PKV-Unternehmen darüber hinaus auch die Beamten auf Widerruf in diese Öffnungsaktion ein. Es gibt keine Leistungsausschlüsse und der Risikozuschlag ist auf maximal 30 Prozent des Zahlbeitrags begrenzt. Zuletzt wurde zudem eine befristete Sonderöffnungsaktion für alle freiwillig GKV-Versicherten Beamten und deren Angehörige durchgeführt. Und schließlich gilt: Auch Kinder von Beamten erhalten Beihilfe. Außerdem stellen Kinderzuschläge einen erheblichen Teil der Besoldung dar. 

Belastung für den Landeshaushalt und die Steuerzahler

Die Einführung des Hamburger Modells ist mit hohen, langfristigen Belastungen für das Land verbunden: „Erst ab dem Eintritt in den Ruhestand nach durchschnittlich 40 Jahren (ca. 2060) wird sich diese Steigerung (…) reduzieren (…). Geht man von durchschnittlich 40 Jahren Dienst-zeit und 16 Jahren Versorgungsbezug aus, so überwiegen auch bei den neu hinzukommenden Beamtinnen und Beamten, die durch das Hamburger Modell profitieren, insgesamt die Mehrausgaben für den Landeshaushalt erheblich.“  

Durch die Einführung der pauschalen Beihilfe investiert das Land Rheinland-Pfalz ohne Not hohe Summen und nimmt weitere, nicht kalkulierbare Kosten in Kauf: „In Pflegefällen und in Fallkonstellationen, in denen eine ergänzende Beihilfe notwendig ist, um dem Mindestmaß an verfassungsrechtlicher Fürsorgepflicht gerecht zu werden, wird der Dienstherr auch weiterhin – zusätzlich zu den finanziellen Aufwendungen für das Hamburger Modell – Beihilfeleistungen erbringen müssen.“

Die pauschale Beihilfe ist auf viele Jahrzehnte hinaus teurer als das geltende Recht, weil vom ersten Tag an für den Beamten der volle GKV-Arbeitgeberzuschuss gezahlt werden muss, die klassische Beihilfe hingegen nur im konkreten Krankheitsfall. Die Mehrausgaben für den Landeshaus-halt überwiegen selbst bei Betrachtung des gesamten Beamtenlebens. Gerade aber in den aktiven Jahren der Beamtinnen und Beamten kostet die Kombination aus Beihilfe und PKV deutlich weniger als ein GKV-Arbeitgeberzuschuss: Für einen Durchschnittsverdiener werden im nächsten Jahr in der GKV rund 758 Euro Krankenversicherungsbeitrag monatlich fällig (je 379 Euro für den Dienstherrn und für den Beamten). Bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze (69.750 Euro Jahresbrutto) sind es 1.020 Euro pro Monat (510 Euro für den Dienstherrn und 510 für den Be-amten). In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Durchschnittsbeitrag derzeit rund 230 Euro pro Monat.

Beim Vergleich der Beiträge ist freilich auch die Familiensituation zu berücksichtigen: GKV-Versicherte zahlen für Kinder keinen Beitrag; privatversicherte Beamte erhalten für Kinder eine Beihilfe von derzeit 80 Prozent und müssen die restlichen 20 Prozent über eine PKV abdecken – können dies aber wiederum von der Steuer absetzen.

Mit Blick auf die Belastung des Landeshaushalts ist zu berücksichtigen, dass die GKV unter einem erheblichen Finanzdruck steht. Vertreter der GKV warnen angesichts der Milliardendefizits vor unaufhaltsamen Beitragserhöhungen; einzelne Leistungserbringer stellten bereits das GKV-Leistungsangebot zur Debatte – eine Gefahr, die PKV-Versicherten im Übrigen nicht droht, denn die vertraglich festgelegten Leistungen bleiben ein Leben lang garantiert.

Zuwachs an Bürokratie und Verwaltungskosten

Nicht zu vernachlässigen sind überdies die steigenden Kosten für Land und Kommunen durch erhöhte Verwaltungs- und Bearbeitungsaufwände. Die pauschale Beihilfe ist eine neue, zusätzliche Leistung für die Beamten für die es auch neue Verfahren der Antragstellung, Prüfung und Auszahlung der Beihilfeabwicklung bedarf.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die pauschale Beihilfe stößt auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG, was mehrfach gutachterlich bestätigt wurde. Sie würde insbesondere gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen: Der Dienstherr darf seine verfassungsmäßig vorgegebene Fürsorgepflicht nicht gänzlich auf ein anderes System delegieren, in-dem er die Beihilfe durch den Arbeitgeberzuschuss unwiderruflich ablöst und dem Beamten da-mit seine Vorsorgefreiheit nimmt. Für verfassungsrechtlich fragwürdig halten die Gutachter den Zwang zu einer unwiderruflichen Entscheidung für die GKV, die der Beamte nicht mehr rückgängig machen kann. Dies verstoße gegen die Vorsorgefreiheit. Diese Bewertung teilte auch Lutz Lienenkämper (CDU), ehemaliger nordrhein-westfälischer Finanzminister: „Es bestehen zudem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung einer pauschalen Beihilfe. Das Land hätte keinen Einfluss mehr auf die konkrete Ausgestaltung der Leistungen im Krankheitsfall.“

Neben dem Risiko entsprechender Verfassungsbeschwerden oder Verfahren der Normenkontrolle besteht damit jederzeit die Gefahr, dass sich einzelne Beamte, die sich am Anfang ihrer Laufbahn für die GKV mit Arbeitgeberzuschuss entschieden haben, im Laufe ihres Erwerbslebens wieder in das System der Beihilfe einklagen können. Für den Dienstherrn hätte das wiederum zur Folge, dass er in vielen Fällen zunächst die höheren Aufwendungen für den GKV-Arbeitgeberzuschuss zu finanzieren hätte, später aber dennoch in die Pflicht genommen werden kann, die Kosten der Beihilfe zu tragen.

Entscheidung zulasten der Nachhaltigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem „Klimaschutz-Urteil“ vom 29. April 2021 die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit für die nachfolgenden Generationen anerkannt. Diese Bewertung kann auch als Leitlinie für andere gesellschaftliche Bereiche, z. B. die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, herangezogen werden. Die Alterung der Bevölkerung, der medizinisch-technische Fortschritt und teure Reformen werden die Finanzen der GKV in den nächsten Jahren weiter belasten und hohen Druck auf die Beitragssätze ausüben. Ob steigender Beitragssatz oder Steuerzuschüsse – die Kosten der Älteren gehen dann voll zu Lasten der künftigen Beitragszahler.

Der demografische Wandel stellt das umlagefinanzierte System der GKV vor große Probleme. In den Sozialversicherungen verteilen sich immer höhere Lasten auf immer weniger Schultern. Ver-sichern sich künftig mehr Menschen in der GKV, wird sich das finanzielle Defizit im demografischen Wandel weiter erhöhen, die Beitragssätze – und damit Lohnzusatzkosten – werden weiter steigen – zum Schaden des Arbeitsmarktes und zu Lasten der jüngeren Generationen.