Stellungnahme 11. November 2024

Der PKV-Verband begrüßt, dass auf die Regelungen zur Errichtung von Gesundheitskiosken verzichtet wurde. Bei der Bekämpfung von Abrechnungsbetrug, Untreue und Korruption im Gesundheitswesen fordern wir eine stärkere Mitwirkung und die gleichberechtigte Einbindung in den Datenaustausch.

I. Allgemeine Anmerkungen

Das GVSG benennt als Ziel, die Gesundheitsversorgung in Deutschland stärker an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten auszurichten und hierbei die Interessen der an der Versorgung mitwirkenden Personen und Berufsgruppen zu berücksichtigen. Hierbei stehen ins-besondere die regionalen und lokalen Bedingungen im Fokus: Kommunen sollen gestärkt werden und eine starke lokale Versorgungsstruktur, insbesondere Medizinische Versorgungszentren, aufbauen können. Zudem sollen sie in der ambulanten Versorgungsplanung stärker in die Gestaltungsverantwortung eintreten und in Zulassungsausschüssen vertreten sein.

Der PKV-Verband begrüßt, dass auf die vormals vorgesehenen Regelungen zur Errichtung von Gesundheitskiosken verzichtet wurde. Damit wären kostenintensive und nicht evidenzbasierte Doppelstrukturen aufgebaut worden, die keinen Mehrwert für die Bevölkerung gebracht hätten. Angesichts des hohen Defizits der GKV und der anstehenden Beitragserhöhungen wären zusätzliche Strukturen und damit verbundene weitere Kosten- und Beitragssteigerungen der Bevölkerung nicht vermittelbar. Der Verzicht auf die verfassungswidrige Zweckentfremdung von Beitragsgeldern der gesetzlich und privat Krankenversicherten für die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben wird explizit begrüßt.

Um das Gesundheitswesen für den Transformationsprozess im demografischen Wandel krisenfest vorzubereiten, sollten die bestehenden Strukturen fortentwickelt werden. Hier ist in der Vergangenheit sehr viel Vorarbeit geleistet worden: Im gesamten Land haben sich Netz-werke gegründet, die gemeinsam an der Verbesserung der Gesundheitsversorgung gerade auch unter der Bedingung von personeller Ressourcenknappheit in strukturschwachen Ge-bieten arbeiten. Es braucht die Stärkung dieser lokalen Akteure und den gezielten Abbau gesetzlicher und bürokratischer Hürden. Dies ist auch das Ergebnis der Studie „Neue Gesundheitsnetze für den ländlichen Raum“ aus dem Jahr 2023, an der der PKV-Verband beteiligt war.  

Das Ziel muss es sein, die Akteure vor Ort im Interesse der Patientinnen und Patienten eng zu vernetzen, so dass eine gut abgestimmte Versorgung entlang von Patientenpfaden möglich wird. Bei weiteren Gestaltungsansätzen und Gesetzesvorhaben sollte dabei an den Strukturen und Projekten angesetzt werden, die bereits vorhanden und in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet fest verwurzelt sind. Die Stichworte hierfür sind Arzt- und Gesundheitsnetze, Lokale Gesundheitszentren oder Medizinische Versorgungszentren.

Viele dieser Zentren sind unter Einbeziehung und Mitfinanzierung von kommunalen und sozialen Trägern sowie unter Unterstützung der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen entstanden. Häufig sind sie projektfinanziert und hinsichtlich ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht optimal aufgestellt. Es fehlt beispielsweise an ausreichenden Klarstellungen in Bezug auf Delegations- und Substitutionsaufgaben, an vereinfachten Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung, beispielsweise wenn ein gesamtes Netzwerk auf die Unterstützung durch nichtärztliches Personal gemeinsam zugreift. Außerdem fehlt es an geeigneten Überführungsstrategien von Projektstrukturen in die Regelversorgung. Heute werden noch zu viele Projekte unter enormen finanziellen und personellen Aufwand aufgebaut und müssen nach Ablauf der Förderphase wieder abgewickelt werden, weil es keine Anschlussfinanzierung gibt. Es kommt dadurch zu Doppelstrukturen und Fehlallokationen. Den Schaden tragen in erster Linie die Patientinnen und Patienten, denen eine optimierte Versorgung vorenthalten wird.

Nur wenn es künftig gelingt, die begrenzten Ressourcen gut vernetzt und unter Einbeziehung aller Säulen der Versorgung, der Medizin und der Pflege, der Prävention, der Selbsthilfe und dem Ehrenamt zusammenzubringen, werden wir langfristig eine hochwertige Gesundheitsversorgung in unserer alternden Gesellschaft sicherstellen können.

Mit dem Gesetzentwurf wird zudem in der Personengruppe der Rentnerinnen und Rentner die Option eines späten Versicherungssystemwechsels zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung beendet, welche infolge der zum 01.01.2017 eingeführten Möglichkeit zur sogenannten „Flexirente“ bestanden hatte. Diese Regelung ermöglichte es Personen, die zuvor nicht gesetzlich krankenversichert waren, über die Familienversicherung in die GKV zurückzukehren, auch wenn sie die sonst üblichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllten. Die jetzt vorgesehene Änderung wird befürwortet, weil sie das solidarische Versicherungsprinzip stärkt, das für die private und die gesetzliche Krankenversicherung konstitutiv ist. Dies impli-ziert, dass jedes System seinen Versicherten in wechselnden Lebenslagen Alternativen anbietet. In der privaten Krankenversicherung gibt es in diesem Zusammenhang neben dem Wechselrecht in den klassischen Tarifen auch ein differenziertes Angebot von Sozialtarifen, die Möglichkeiten zur Beitragssenkung vorsehen.  

Abrechnungsbetrug, Untreue und Korruption im Gesundheitswesen führen zu Schäden in Millionenhöhe. Dies schadet den Beitragszahlenden und unterminiert das Vertrauen in ein leistungsfähiges und gerechtes Gesundheitssystem sowohl auf Seiten der Patientinnen und Patienten als auch der Leistungserbringenden, die sich an die Spielregeln halten. Um das Fehlverhalten im Gesundheitswesen einzudämmen, sollen deshalb die Möglichkeiten zum Datenaustausch erweitert und eine Betrugsdatenbank aufgebaut werden. Obwohl Betrug nicht an den Systemgrenzen zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung halt-macht, sondern beide Systeme sowie auch andere Kostenträger betrifft, sind bislang nur Regelungen für die GKV vorgesehen. Die PKV fordert daher die gleichberechtigte Einbindung in den Datenaustausch für die private Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Berücksichtigung in der Konzeption und dem Betrieb der übergreifenden Betrugsdatenbank.

II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs

Zu Art. 1 Nr. 23 b und d (§ 197a Abs. 3b S. 1, Abs. 7 SGB V – Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen)

Vorgeschlagene Regelungen:

Die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen dürfen aufgrund der Änderungen im SGB V personenbezogene Daten zur Verhinderung und Aufdeckung von Fehl-verhalten auch an Gesundheitsämter, die nach Landesrecht bestimmten heimrechtlichen Aufsichtsbehörden und die nach Landesrecht zuständigen Gesundheitsbehörden übermitteln. Außerdem ist bis zum 31.12.2025 die Erstellung eines Konzepts für den Aufbau und Betrieb einer Betrugspräventionsdatenbank geplant.

Bewertung:

Betrug im Gesundheitswesen macht nicht an den Grenzen zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung halt. Betrügerische Handlungen von Versicherten oder Leistungserbringern schädigen gleichermaßen die jeweiligen Versichertenkollektive. Notwendig ist daher eine systemübergreifende Betrugsprävention und -verfolgung. Dies setzt entsprechende einheitliche und eindeutige Datenverarbeitungsbefugnisse für sämtliche relevanten Stellen ein-schließlich der Betrugsbekämpfungsstellen der Unternehmen der privaten Krankenversicherung voraus. Es soll ein gegenseitiger Informationsaustausch zwischen den Fehlverhaltensbekämpfungsstellen und den Unternehmen der privaten Krankenversicherung ermöglicht werden.

Änderungsvorschlag:

1. Um das Ziel einer umfassenden Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen bei der Betrugsprävention zu erreichen, sollte § 197a Abs. 3a SGB V wie folgt ergänzt werden:

„(3a) Die Einrichtungen nach Absatz 1 sowie die Stellen, die in den Unternehmen der privaten Krankenversicherung für die Betrugsbekämpfung zuständig sind, dürfen personenbezogene Daten, die von ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Sinne des Absatzes 1 erhoben oder an sie übermittelt wurden, untereinander und an Einrichtungen nach § 81a übermitteln, soweit dies für die Feststellung und Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beim Empfänger erforderlich ist. Der Empfänger darf diese nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihm übermittelt worden sind.“

Zusätzlich sollte gesetzlich sichergestellt werden, dass auch den Betrugsbekämpfungsstellen der privaten Krankenversicherungsunternehmen Daten der Fehlverhaltensbekämpfungsstellen der Krankenkassen übermittelt werden dürfen, deren Kenntnis für die Betrugsbekämpfung erforderlich ist und dass die zu diesen Zwecken übermittelten Daten entsprechend verarbeitet werden dürfen. Um dies zu erreichen, sollte § 197a Abs. 3b S. 1 SGB V-E nach Nr. 6 folgende Nr. 7 angefügt werden:

„7. die Stellen, die in den Unternehmen der privaten Krankenversicherung für die Betrugsbekämpfung zuständig sind.“

2. Darüber hinaus sollte in § 197a Abs. 3 S. 2 SGB V die Beteiligung der privaten Krankenversicherungsunternehmen und der privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung betreiben, an dem Erfahrungsaustausch aufgenommen werden.

3. Wir begrüßen den geplanten Aufbau einer zentralen bundesweiten Datenbank, die den Krankenkassen Hinweise über Sachverhalte oder Auffälligkeiten gibt, die auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen hindeuten (Betrugspräventionsdatenbank). Um die systemübergreifende Betrugsprävention zu fördern, sollte bei der Konzeption dieser Datenbank ein optionaler Anschluss der Unternehmen der privaten Krankenversicherung und der Unternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung betreiben, an die Betrugspräventionsdatenbank berücksichtigt werden.

Zu Art. 2 Nr. 2c (§ 47a Abs. 3 S. 1 SGB XI - Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen)

Vorgeschlagene Regelungen:

Die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen dürfen aufgrund der Änderungen im SGB XI personenbezogene Daten zur Verhinderung und Aufdeckung von Fehlverhalten auch an Gesundheitsämter, die nach Landesrecht bestimmten heimrechtlichen Aufsichtsbehörden und die nach Landesrecht zuständigen Gesundheitsbehörden übermitteln.

Bewertung:

Auch im SGB XI ist wie im SGB V ein gegenseitiger Informationsaustausch zwischen den Fehlverhaltensbekämpfungsstellen und den privaten Versicherungsunternehmen erforderlich, weil die Betrugsbekämpfung system- bzw. organisationsübergreifend erfolgen muss, um effektiv zu sein.

Änderungsvorschlag:

Um das Ziel einer umfassenden Betrugsprävention und -bekämpfung im Gesundheitswesen zu erreichen, sollte § 47a Abs. 2 S. 1 SGB XI wie folgt ergänzt werden:

„(2) Die Einrichtungen nach Absatz 1 Satz 2 sowie die Stellen, die für die Betrugsbekämpfung, Leistungsgewährung oder Abrechnung von Leistungen in der privaten Pflegepflichtversicherung zuständig sind, dürfen personenbezogene Daten, die von ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Sinne des Absatzes 1 erhoben oder an sie übermittelt wurden, untereinander übermitteln, soweit dies für die Feststellung und Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beim Empfänger erforderlich ist.“

Zudem sollten in § 47a Abs. 3 S. 1 SGB XI die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung betreiben, aufgenommen werden. Auch ihnen sollten Daten der Fehlverhaltensbekämpfungsstellen der Pflegekassen übermittelt werden dürfen, deren Kenntnis für die Betrugsbekämpfung erforderlich ist, und die zu diesem Zweck übermittelten Daten sollten auch von ihnen verarbeitet werden dürfen. Daher sollte in § 47a Abs. 3 S. 1 SGB XI-E nach Nr. 7 angefügt werden:

„8. die Stellen, die für die Betrugsbekämpfung, Leistungsgewährung oder Abrechnung von Leistungen in der privaten Pflegepflichtversicherung zuständig sind.“

In § 47a Abs. 3 SGB XI sollte darüber hinaus geregelt werden, dass die dort genannten Stellen die personenbezogenen Daten, die von ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben oder an sie übermittelt wurden, an die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen übermitteln dürfen, soweit dies für die Feststellung und Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen durch die Fehlverhaltensbekämpfungsstellen erforderlich ist. Diese Daten dürfen von dem Empfänger nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind.