Stellungnahme 06. Oktober 2025

Der PKV-Verband begrüßt mehr Kompetenzen und Prävention in der Pflege, warnt aber vor zusätzlicher Bürokratie und unnötigen Leistungsausweitungen. Besonders wichtig ist eine schnelle gesetzliche Lösung zur KVNR für Privatversicherte.

  • Der PKV-Verband begrüßt die Ausweitung der pflegerischen Kompetenzen und die Bemühungen, die Arbeit in der Pflege attraktiver zu gestalten. Dies darf allerdings nicht mit einer zusätzlichen Belastung der Pflegefachpersonen durch weitere Aufgaben, insbesondere administrativer Art, und nicht mit einer Steigerung der Bürokratie einhergehen.
  • Die Vermeidung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit sind dringend geboten und für die PKV ein zentrales Anliegen. Die häusliche Pflege bietet große Präventionspotenziale, die bislang nicht systematisch in die pflegerische Versorgung integriert sind. Eine umfassende Präventionsorientierung des Pflegesystems – im Sinne von Health in All Policies – kann dazu beitragen, die absehbar steigende Pflegelast in der alternden Gesellschaft abzumildern.
  • Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung lässt es nicht zu, dass Steigerungen der Leistungsausgaben herbeigeführt werden. Dennoch sind an einigen Stellen des Gesetzentwurfs Leistungsausweitungen und der Aufbau neuer, nicht erforderlicher Strukturen vorgesehen. Diese Regelungen lehnen wir ab.
  • Im Gesetzentwurf wurden fachfremde Regelungen zur Telematikinfrastruktur (TI) aufgenommen. Eine Regelung zur zustimmungsfreien Anlage der Krankenversichertennummer (KVNR) in der PKV fehlt jedoch weiterhin. Es braucht schnellstmöglich eine gesetzliche Grundlage.

I. Allgemeine Anmerkung

In Deutschland sind immer mehr Menschen auf pflegerische Versorgung angewiesen. Dies stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen, denn der steigenden Zahl von Leistungsempfängern stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber. Gleichzeitig trifft die Nachfrage nach ausgebildetem Pflegepersonal auf einen zunehmenden Fachkräftemangel. Allein bis 2030 werden in stationären Pflegeeinrichtungen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt. Das entspricht rund 99.000 Vollzeitstellen. Nur auf die Zuwanderung von Pflegekräften zu hoffen, reicht nicht aus. Die in Deutschland möglichen Potenziale müssen genutzt werden. Der PKV-Verband begrüßt daher gesetzliche Regelungen und andere Bemühungen, um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten. Dies darf allerdings nicht mit einer zusätzlichen Belastung der Pflegefachpersonen durch weitere Aufgaben, insbesondere administrativer Art, und nicht mit einer Steigerung der Bürokratie einhergehen.

Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl Pflegebedürftiger und der zunehmenden Personalengpässe in der Pflege, ist die Vermeidung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit dringend geboten und für die PKV ein zentrales Anliegen. Die häusliche Pflege bietet dabei große Potenziale zur Förderung der Fähigkeiten und der Selbstständigkeit, insbesondere von Menschen mit beginnendem Pflegebedarf. Die Potenziale werden bislang nicht systematisch in die pflegerische Versorgung integriert. Es sollte daher geprüft werden, wie grundsätzlich eine umfassende Präventionsorientierung auch des Pflegesystems – im Sinne von Health in All Policies – sichergestellt werden kann.

Schließlich nimmt das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege im Leistungsrecht des SGB XI Änderungen vor. Darüber hinaus soll die Förderung der Selbsthilfe in der Pflege erhöht werden und es wird bei der Förderung der Netzwerke eine neue Geschäftsstelle geschaffen, die ebenfalls von der Pflegeversicherung finanziert werden soll.

Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung lässt es nicht zu, dass Steigerungen der Leistungsausgaben herbeigeführt werden. Die Annahme, dass es zu Minderausgaben kommen wird, beruht auf Vermutungen zur Entwicklung der Leistungsinanspruchnahme des vorgeschlagenen neuen Leistungsbereichs der gemeinschaftlichen Wohnformen, der zwischen der häuslichen und vollstationären Versorgung angesiedelt ist. Es wurden verschiedene ähnliche Leistungsformen nur in Modellprojekten erprobt, und es bestehen keine Erfahrungen damit, wie die neu gestaltete Leistung in Anspruch genommen wird. Daher ist eine Annahme von so hohen Minderausgaben, die sämtliche Leistungsausweitungen und die Erhöhung der Fördersumme nicht nur aufwiegen, sondern insgesamt zu Minderausgaben führen, sehr gewagt. Diese Annahmen, deren Richtigkeit ungewiss ist, können zu einer weiteren finanziellen Überforderung der Pflegeversicherung führen, wenn die angenommene Entwicklung bezüglich der Ausgaben nicht eintritt.

In der Pflegebegutachtung sollten alle Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, um die Begutachtung so effektiv wie möglich zu gestalten. Eines Modellprojekts zur Übernahme einiger Aufgaben oder der gesamten Pflegebegutachtung durch Pflegefachpersonen, die in Pflegeeinrichtungen arbeiten, bedarf es dafür nicht. Dieser Ansatz der Übertragung der Begutachtung von den Medizinischen Diensten auf Pflegefachpersonen der Pflegeeinrichtungen führt zu einer Verlagerung der Aufgaben. Es belastet die Pflegefachpersonen mit weiteren Aufgaben, u. a. administrativer Art, anstatt sie zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die pflegerische Versorgung zu geben.

Der Entwurf des Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege sieht zudem vor, dass Pflegefachpersonen künftig bestimmte ärztliche Leistungen eigenverantwortlich erbringen dürfen. Der PKV-Verband unterstützt die Erweiterung der Kompetenzen von qualifizierten Pflegefachkräften mit dem Ziel, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen, insbesondere mit Demenz, chronischen Wunden oder Diabetes, zu verbessern. Nachvollziehbar sind auch die Erwägungen, dass die eigenverantwortliche Übernahme der Leistungen durch Pflegefachpersonen eine Entlastung der Ärzte und eine Verbesserung der Compliance bedeuten würde. Eine effiziente und verbesserte Patientenversorgung durch Stärkung der Kompetenzen der Pflegefachpersonen und die dadurch bewirkte Steigerung der Attraktivität des Pflegefachberufs wird seitens des PKV-Verbandes ausdrücklich begrüßt.  

Nach dem Verständnis des PKV-Verbandes ändern indessen die im Rahmen des Gesetzes näher zu definierenden heilkundlichen Befugnisse der Pflegefachpersonen grundsätzlich nichts an der wirtschaftlichen und berufsrechtlichen Letztverantwortung des Arztes für die Tätigkeit der Pflegefachperson (ähnlich der Verantwortung des Praxisinhabers für einen bei ihm angestellten Arzt). Richtigerweise sieht der Gesetzesentwurf keine selbständige Abrechnung heilkundlicher Leistungen durch Pflegefachpersonen vor. Deren Leistungen sind – wie die von Medizinischen Fachangestellten oder Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (VERAH) – der Arztpraxis zuzurechnen.

Für den Fall einer aus dem Gesetzentwurf nicht herleitbaren Statuserweiterung, mit der nicht nur eine berufsrechtliche, sondern gleichzeitig eine wirtschaftliche Eigenständigkeit mit der Option einer von der Arztpraxis unabhängigen, eigenen Praxisführung zugestanden werden könnte, bedürfte es ergänzender, verbindlicher Regelungen über angemessene Vergütungen für die Behandlung privat versicherter Patienten.  

In diesen Gesetzentwurf wurden fachfremde Regelungen zur Telematikinfrastruktur (TI) aufgenommen. Eine Regelung zur zustimmungsfreien Anlage der Krankenversichertennummer (KVNR) in der PKV fehlt jedoch weiterhin. Die KVNR ist die Grundlage für die Gesundheits-ID und gleichzeitig zwingende Voraussetzung für die Bereitstellung und Nutzung der Elektronischen Patientenakte (ePA), des E-Rezepts und aller weiteren Anwendungen der TI. Das Nichtvorhandensein einer flächendeckenden KVNR für alle Privatversicherten erschwert zudem Prozesse im Gesundheitswesen erheblich, u. a. können erforderliche Meldungen der Krankenhäuser an das Implantateregister mangels KVNR für ihre privat- und beihilfeversicherten Patientinnen und Patienten nicht erfolgen.

Insofern ist eine gesetzliche Regelung zur regelhaften KVNR-Ausstattung für privat- und beihilfeversicherte Personenkreise überfällig. Sie sollte schon in der vergangenen Wahlperiode erfolgen. Es liegen seit geraumer Zeit mehrere gleichwertig tragfähige Vorschläge für eine gesetzliche Regelung vor, die schnellstmöglich aufgegriffen und zur Umsetzung gebracht werden sollten.

II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs

Zu Art. 1 Nr. 12 (§ 15 SGB XI – Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument)

Vorgeschlagene Regelung
Bis zum 30. Juni 2026 legt der GKV-Spitzenverband dem BMG einen Bericht zu den Erfahrungen der Pflegekassen und der Medizinischen Dienste mit dem Begutachtungsinstrument und zu möglichen Weiterentwicklungen vor. Dabei ist auch die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen zu berücksichtigen.

Bewertung
Die vorgesehenen Untersuchungen zu den Erfahrungen mit dem Begutachtungsinstrument, möglichen Weiterentwicklungen und zur Analyse der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen ist sinnvoll und wichtig. Denn das Begutachtungsinstrument wurde als ein Instrument eingeführt, das auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen und pflegefachlichen Erkenntnisse ständig weiterentwickelt werden soll. Aufgrund der zu beobachtenden anhaltenden Zunahme an Pflegebedürftigen ist es auch für die weitere Entwicklung der Begutachtung und der Pflegeversicherung wichtig zu wissen, welche Entwicklungen in den einzelnen Pflegegraden stattfinden und was die Ursachen dafür sind.

In der privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) und bei dem Medizinischen Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung, der Medicproof GmbH, wird ebenfalls ein Anstieg der Pflegebedürftigen beobachtet, und aufgrund der bundesweit durchzuführenden Begutachtungen werden vielfältige Erkenntnisse zum Begutachtungsinstrument gesammelt. Diese werden auch genutzt, um Verbesserungsvorschläge zur Begutachtung und zur Durchführung der Begutachtung, z. B. per telefonischer Begutachtung oder Video-Begutachtung, einzubringen. Darüber hinaus hat Medicproof ein wissenschaftliches Dossier „Pflegegrad 1 in der Begutachtung - Datenanalyse und Gutachterbefragung“ (Wissenschaftliches_Dossier_-_Pflegegrad_1_in_der_Begutachtung.pdf (medicproof.de)) erstellt, das wichtige Erkenntnisse zu den Aspekten enthält, die von den Themen des Berichts nach § 15 Abs. 8 SGB XI umfasst wären.

Vorschlag
Der zu erstellende Bericht sollte durch den GKV-Spitzenverband gemeinsam mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. verfasst werden. In dem Bericht sollten nicht nur die Erfahrungen der Pflegekassen und der Medizinischen Dienste dargestellt werden, sondern auch der privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung betreiben, und des medizinischen Dienstes der privaten Pflegepflichtversicherung, der Medicproof GmbH. Dies würde den Erkenntnisgewinn steigern und zu einem umfassenden Bild führen.

Weiterführende Vorschläge
Es wird vorgeschlagen, die Begutachtungsformate zu flexibilisieren. In allen geeigneten Fällen sollten die telefonische oder Video-Begutachtung oder Aktenlagegutachten ermöglicht werden.   Die Erkenntnisse von Medicproof in dem Wissenschaftlichen Dossier zu Pflegegrad 1 in der Begutachtung zeigen auf, dass es wichtig ist, nicht nur die Entwicklung der Zahl der Pflege-bedürftigen zu beobachten. Entscheidend ist es, bereits jetzt zu prüfen, ob die Leistungen der Pflegeversicherung richtig und gerecht verteilt sind. Ein Nachweis, dass Pflegegrad 1 seine ursprünglichen Ziele wie Prävention und Verzögerung der Pflegebedürftigkeit erreicht, liegt nicht vor.

Die Leistungen des Pflegegrades 1 sollten präventiv wirken und nur solche Leistungen um-fassen. Dazu gehören Beratungsangebote, Pflegekurse, Hilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (s. auch: Der 10-Punkte-Plan der PKV für eine Pflegereform).

Zu Art. 1 Nr. 17 (§ 18e SGB XI – Weiterentwicklung des Verfahrens der Pflegebegutachtung durch Modellvorhaben, Studien und wissenschaftliche Expertisen)

Vorgeschlagene Regelung
Nach § 18e Abs. 6 SGB XI beauftragt der Medizinische Dienst Bund bis zum 30. Juni 2026 die Durchführung eines Modellprojekts zur Prüfung der Möglichkeiten der Übernahme von Auf-gaben im Rahmen des Begutachtungsverfahrens durch Pflegefachpersonen, die in der Versorgung nach dem SGB V oder SGB XI tätig sind.

Bewertung
Die Versicherten und Beitragszahler haben einen Anspruch auf eine unabhängige Begutachtung. Die Unabhängigkeit ist besonders wichtig, da die Maßstäbe der Begutachtung Ermessensspielräume lassen und eine Momentaufnahme abbilden. Dies ist in der Krankenbehandlung anders, wo es um medizinische Notwendigkeit geht.

Führen Pflegekräfte der Pflegeeinrichtungen bei von ihnen pflegerisch versorgten Pflege-bedürftigen die Pflegebegutachtung durch, ist die Unabhängigkeit der Begutachtung nicht sichergestellt. Es entstehen Interessenkonflikte, weil die Pflegebedürftigen eine bestimmte Erwartungshaltung haben und sich durch die dauerhafte Pflege ein gewisses Näheverhältnis entwickelt hat. Wenn ein Leistungserbringer gleichzeitig bestimmen kann, welche Leistungen Versicherte von der Pflegeversicherung erhalten, entstehen durch diese Selbstzuweisung wirtschaftlich nachteilige Folgen für die Pflegeversicherung. Schließlich hat die Feststellung der Pflegebedürftigkeit in der Regel auch die dauerhafte Leistungsgewährung zur Folge. Dies ist nicht im Interesse der Versicherten und Beitragszahler.

Die Aufgaben der Medizinischen Dienste dürfen nicht zu deren Entlastung auf die Pflegeeinrichtungen bzw. die dort tätigen Pflegefachkräfte verlagert werden. Dies führt zu einer Mehrbelastung der Pflegefachkräfte und erfordert den aufwändigen Aufbau neuer Strukturen. Die Pflegefachkräfte der Pflegeeinrichtungen mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten, verschärft die aufgrund des Fachkräftemangels bestehenden Probleme.

Es gibt auch keinen Bedarf für eine Eigenbegutachtung: Die Pflegebegutachtung wird bereits seit langer Zeit sehr gut durch Pflegefachkräfte der Medizinischen Dienste durchgeführt. Durch Schulungen, Fortbildungen und ständige Qualitätssicherung gewährleistet Medicproof eine einheitliche, auf gleichen Maßstäben beruhende und damit gerechte Begutachtung. Dies ist wesentlich wirtschaftlicher, als wenn jede Pflegeeinrichtung Schulungen, Fortbildung, Qualitätssicherung, datenschutzrechtlich gesicherte elektronische Kommunikation mit Versicherten, Pflegekassen, Versicherungsunternehmen etc. durchführen muss.

Insgesamt sprechen diese Argumente gegen die Erfolgsaussichten eines solchen Modellprojekts und damit gegen die Durchführung.

Vorschlag
§ 18e Abs. 6 SGB XI sollte nicht eingeführt werden.

Sollte die Regelung dennoch eingeführt werden, sollten folgende Änderungen aufgenommen werden:

Da Medicproof für die gesamte private Pflegepflichtversicherung die Pflegegutachten erstellt, wäre Medicproof auch in das Modellprojekt einzubeziehen. Daher sollte Abs. 6 S. 3 wie folgt gefasst werden (Änderungen kursiv und unterstrichen):

„Die Medizinischen Dienste und der medizinische Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung sind bei der Durchführung des Modellprojekts zu beteiligen.“

Zu Art. 1 Nr. 20 (§ 34 SGB XI – Ruhen der Leistungsansprüche)

Vorgeschlagene Regelung
Bei der Ausnahmeregelung vom Ruhen der Leistungen wird die Weiterzahlung des Pflegegeldes einheitlich auf acht Wochen erweitert. Bislang wurde es in verschiedenen Konstellationen vier, sechs oder acht Wochen weitergezahlt. Entsprechendes gilt für die Weiterzahlung der Leistungen zur sozialen Sicherung nach den §§ 44, 44a SGB XI.

Bewertung
Die Änderungen führen zu einem Anstieg der Leistungsausgaben, weil Pflegegeld und Leistungen zur sozialen Sicherung nach den §§ 44, 44a SGB XI länger als bislang, d. h. teilweise doppelt so lange, während des grundsätzlichen Ruhens weitergezahlt werden. Dass die Dauer des Weiterzahlens für die verschiedenen Konstellationen gleich sein soll, rechtfertigt nicht, dafür einen Anstieg der Leistungsausgaben hinzunehmen. Eine deutliche Vereinfachung des Leistungsrechts ist damit ebenfalls nicht verbunden.

Vorschlag
Die vorgeschlagenen Änderungen sollten nicht eingeführt werden.

Zu Art. 1 Nr. 22 (§ 37 SGB XI – Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen)

Vorgeschlagene Regelung
Nach § 37 Abs. 3 S. 1 SGB XI ist von Pflegegeldbeziehern ab Pflegegrad 2 der Beratungsbesuch einmal pro Halbjahr statt bislang bei Pflegegrad 4 und 5 einmal pro Quartal abzurufen. § 37 Abs. 3a SGB XI wird neu gefasst und um weitere Empfehlungen ergänzt. Der Nachweis über den Beratungsbesuch ist nach dem neuen § 37 Abs. 4 Satz 3 SGB XI durch Pflegedienste oder anerkannte Beratungsstellen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an die Pflegekasse, das private Versicherungsunternehmen oder die Beihilfefestsetzungsstelle zu übermitteln.

Bewertung
Die Reduzierung der verpflichtenden Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI ist sinnvoll und ein positiver Beitrag zur Entbürokratisierung. Dies schont zudem die wertvollen Ressourcen der Pflegefachkräfte.

Es ist sinnvoll, dass Pflegebedürftige gem. § 37 Abs. 3a SGB XI im Rahmen der Pflegeberatung nach § 37 Abs. 3 SGB XI zukünftig auch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Pflegekursen nach § 45 SGB XI sowie geeignete Beratungs- und Hilfeangebote hingewiesen werden sollen. Durch den Ansatz der integrierten Beratung stellt compass private pflegeberatung dies bereits regelhaft sicher.

Die Verpflichtung zur elektronischen Datenübertragung des Nachweisformulars der Beratungen nach § 37 Abs. 3 SGB XI ist eine positive Neuerung, die eine schnelle, bürokratiearme und moderne Übermittlung an die Pflegeversicherung ermöglicht. Compass nutzt diesen Übertragungsweg regelhaft seit mehreren Jahren und bestätigt den positiven Nutzen für alle Beteiligten.

Vorschlag
Die Möglichkeit, jeden zweiten Beratungsbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI per Videokonferenz in Anspruch zu nehmen, sollte entfristet werden. Die Regelung hat sich in der Praxis bewährt und stellt eine moderne Unterstützung für alle Beteiligten dar.  

Zu Art. 1 Nr. 27 (§ 40b SGB XI - Leistungsanspruch beim Einsatz von digitalen Pflegeanwendungen)

Vorgeschlagene Regelung
Der einheitliche Leistungsanspruch von 50 Euro pro Kalendermonat soll erhöht und aufgeteilt werden, so dass monatlich je 40 Euro für digitale Pflegeanwendungen nach § 40a SGB XI und 30 Euro für ergänzende Unterstützungsleistungen nach § 39a SGB XI zur Verfügung stehen.

Bewertung
Eine Erhöhung und Trennung des Leistungsbetrages ist nicht erforderlich. Mangels zugelassener digitaler Pflegeanwendungen fehlt es an Erfahrungen aus der Praxis, die eine Änderung der Regelung rechtfertigen würden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Änderung zu einer Vereinfachung der Handhabung in der Praxis führen würde. Vielmehr ist davon aus-zugehen, dass zwei getrennte Leistungsbeträge die Unübersichtlichkeit für die Versicherten erhöhen. Insbesondere ist mit der Änderung eine Erhöhung der Leistungsausgaben verbunden, die es zu vermeiden gilt.

Vorschlag
Die vorgeschlagene Änderung sollte nicht erfolgen.

 

Zu Art. 1 Nr. 35 (§ 45d SGB XI - Förderung der Selbsthilfe in der Pflege, Verordnungsermächtigung)

Vorgeschlagene Regelung
Die bestehenden Regelungen zur Förderung der Selbsthilfe werden neu gegliedert und transparenter gestaltet. Dies geht einher mit einer Anhebung der Fördermittel von bislang 0,15 Euro pro Versicherten auf 0,21 Euro. Ein Teil dieser Fördermittel im Umfang von 0,05 Euro pro Versicherten wird für die Förderung von bundesweiten Tätigkeiten und Strukturen von Selbsthilfegruppen und Gründungszuschüssen reserviert.

Bewertung
Angesichts der schwierigen finanziellen Situation der Pflegeversicherung stehen keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung. Daher ist eine Erhöhung der Fördermittel nicht angezeigt.

Vorschlag
Die vorgesehene Erhöhung der Förderung sollte nicht eingeführt werden.

Zu Art. 1 Nr. 35 (§ 45e SGB XI - Förderung der Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken)

Vorgeschlagene Regelung
Die Regelungen zur Netzwerkförderung werden aus § 45c Abs. 9 SGB XI in eine eigenständige Regelung überführt. Der maximale Förderbetrag je Netzwerk wird von 25.000 Euro auf 30.000 Euro erhöht. Darüber hinaus werden in den Jahren 2026 bis 2031 Mittel zur Finanzierung einer Geschäftsstelle zur Unterstützung von Netzwerkgründungen und weiteren Tätigkeiten bereitgestellt.

Bewertung
Die Schaffung einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage zur Netzwerkförderung dient der Transparenz und ist sinnvoll.

Die Notwendigkeit der Errichtung einer Geschäftsstelle für die Dauer von sechs Jahren mit einem Finanzierungsvolumen von bis zu 2,4 Mio. Euro erschließt sich jedoch nicht. In den Bundesländern bestehen bereits zahlreiche Strukturen, die diese Aufgaben weitgehend übernehmen. Netzwerke bestehen bereits und haben sich etabliert oder werden neu gegründet. Dazu ist keine Unterstützung durch eine Geschäftsstelle erforderlich. Es bedarf keiner Schaffung weiterer und neuer Strukturen. Im Bedarfsfall kann auf bereits bestehen-de Strukturen zurückgegriffen werden.

Vorschlag
Es sollte keine Errichtung und Finanzierung einer eigenen Geschäftsstelle vorgesehen werden.

Sollte dennoch eine Geschäftsstelle durch den GKV-Spitzenverband errichtet werden, ist angesichts der Finanzierungsbeteiligung der privaten Pflegepflichtversicherung vorzusehen, dass auch das Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. herzustellen ist.

Der Finanzierungsbeitrag der privaten Pflegepflichtversicherung für die Förderung der Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken ist um den Beihilfeanteil zu bereinigen und von zehn auf sieben Prozent zu kürzen.

Zu Art. 1 Nr. 36, Nr. 55 (§ 45h SGB XI - Leistungen in gemeinschaftlichen Wohnformen mit Verträgen zur pflegerischen Versorgung gemäß § 92c SGB XI; § 92c SGB XI – Verträge zur pflegerischen Versorgung in gemeinschaftlichen Wohnformen)

Vorgeschlagene Regelung
Pflegebedürftige in gemeinschaftlichen Wohnformen mit Verträgen nach § 92c SGB XI sollen einen pauschalen Zuschuss zur Sicherstellung einer selbstbestimmten Pflege in Höhe von 450 Euro monatlich erhalten. Zudem besteht für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 ein Anspruch auf häusliche Pflegehilfe gem. § 36 SGB XI und gegebenenfalls anteiliges Pflegegeld. Daneben können auch bestimmte ambulante Leistungen in Anspruch genommen werden.

§ 92c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB XI sieht vor, dass eine Versorgung mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege gem. § 37 SGB V Teil des Basispakets ist, das über den pauschalen Zuschuss abgedeckt wird.

Bewertung
Der Anspruch auf einen monatlichen pauschalen Zuschuss in Höhe von 450 Euro soll der Sicherstellung einer selbstbestimmten Pflege dienen. Gleichzeitig besteht aber – anders als beim Pflegegeld – zusätzlich ein Anspruch auf häusliche Pflegehilfe in voller Höhe, der bei nicht vollständiger Ausschöpfung mit anteiligem Pflegegeld kombiniert wird. Dadurch wird ein Anreiz gesetzt, auf jeden Fall Leistungen der häuslichen Pflegehilfe zusätzlich in Anspruch zu nehmen.

Es ist fraglich, ob die Beschränkung auf bestimmte ambulante Leistungen die Mehrausgaben durch einen pauschalen monatlichen Zuschuss in Höhe von 450 Euro tatsächlich aufwiegt bzw. sogar zu einer Reduzierung der Leistungsausgaben führt.

In der Begründung heißt es, der Sozialen Pflegeversicherung entstehen durch die neue gemeinschaftliche Wohnform mittelfristig Minderausgaben in Höhe von 309 Mio. Euro. Die Annahme, dass es zu Minderausgaben kommen wird, beruht auf Vermutungen. Die vorliegenden Erfahrungen stützen sich auf wenige Modellvorhaben und wenige Nutzer. Es liegen keine ausreichenden Erfahrungen mit der neu einzuführenden Art der Versorgung und so-mit auch mit der Entwicklung von Angebot und Nachfrage vor. Es wurden zwar verschiedene ähnliche Leistungsformen in Modellprojekten erprobt, jedoch bestehen dadurch keine Erfahrungen damit, wie die neu gestaltete Leistung der gemeinschaftlichen Wohnformen in Anspruch genommen werden würde.

Hinzu kommt, dass die neue Leistungsart in Pflegegrad 1 einen neuen Anspruch in Höhe von 450 Euro pro Monat vorsieht. Die Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 sind die Gruppe, die den stärksten Zuwachs verzeichnet. Daher führt auch dieser neue Anspruch für den Pflegegrad 1 zu einem zusätzlichen Anstieg der Leistungsausgaben. Somit ist die Richtigkeit einer Annahme von so hohen Minderausgaben sehr ungewiss. Die Annahme, dass diese Minderausgaben sämtliche Leistungsausweitungen bzw. Erhöhung der Fördersumme, die der Gesetzentwurf vorsieht, nicht nur aufwiegen, sondern insgesamt zu Minderausgaben führen, ist sehr gewagt und kann zu einer weiteren finanziellen Überforderung der Pflegeversicherung führen, wenn die angenommene Entwicklung bezüglich der Ausgaben nicht eintritt.

Daneben wird das Leistungsrecht noch komplizierter gestaltet, weil ein neuer Leistungsbereich geschaffen wird, der weder zum häuslichen noch zum vollstationären Bereich gehört. Dies ist mit Sonderregelungen für die einzelnen Pflegegrade und die Kombination der Leistungen verbunden.

Für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 einen neuen Anspruch, d. h. den pauschalen Zuschuss in Höhe von 450 Euro monatlich vorzusehen, ist nicht angezeigt. Denn für diesen Pflegegrad sollten konsequent nur Leistungen vorgesehen werden, die allein der Prävention dienen. Das ist bei dem Zuschuss nach § 45h Abs. 1 SGB XI nicht der Fall.

Richtig ist es hingegen, Qualitätsprüfungen bei gemeinschaftlichen Wohnformen vorzusehen, weil die Qualität der Leistungserbringung insbesondere auf struktureller Ebene aktuell nicht in den Prüfungen beurteilbar ist.

Vorschlag
Die neue Leistung nach § 45h SGB XI sollte nicht eingeführt werden. Stattdessen sollte eine Inanspruchnahme der dort beschriebenen gemeinschaftlichen Wohnformen im Rahmen der bereits bestehenden Leistung gem. § 45f SGB XI (neu) ermöglicht werden. In einem größer angelegten Modellprojekt sollten mehr Erfahrungen insbesondere hinsichtlich finanzieller Auswirkungen und des Umfangs des potenziellen Nutzerkreises gesammelt werden.
Falls es dennoch zu einer eigenständigen Regelung des § 45h SGB XI kommt, sollte kein pauschaler Zuschuss in Höhe von 450 Euro vorgesehen werden.

Sollte dennoch ein pauschaler Zuschuss eingeführt werden, ist dieser nicht für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 vorzusehen. Zudem darf keine Finanzierung der häuslichen Kranken-pflege über den pauschalen Zuschuss erfolgen. Dazu ist ein Ausschluss in die Regelung auf-zunehmen und § 92c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB XI zu streichen oder entsprechend zu ändern.

Zu Art. 1 Nr. 62 b) (§ 113b SGB XI - Qualitätsausschuss)

Vorgeschlagene Regelung
Bis zu zweimal jährlich kann sich der erweiterte Qualitätsausschuss auf Initiative des unparteiischen Vorsitzenden mit Themen befassen, die über die gesetzlichen Aufträge nach § 113b Abs. 4 SGB XI hinausgehen, und hierzu Entscheidungen treffen. Mit einfacher Mehrheit kann der erweiterte Qualitätsausschuss zu diesen Themen Arbeitsgruppen unter Leitung des unparteiischen Vorsitzenden einrichten.

Bewertung
Die große Bedeutung des Qualitätsausschusses Pflege für die Qualitätsentwicklung in der Pflege ist unbestritten. Die Notwendigkeit einer Ausweitung der Tätigkeit in der vorgeschlagenen Art und Weise wird hingegen nicht gesehen. Die bisherigen Regelungen zur Unterbreitung von Vorschlägen und Themen zur wissenschaftlichen Bearbeitung durch das Bundesministerium für Gesundheit sowie das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sind ausreichend.

Vorschlag
Die vorgeschlagene Regelung sollte nicht eingeführt werden.

 

Zu Art. 1 Nr. 65 a) (§ 114 SGB XI - Qualitätsprüfungen)

Vorgeschlagene Regelung
Ab dem 1. Januar 2028 sollen die Prüfaufträge für Qualitätsprüfungen digital an die Medizinischen Dienste und den Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. (Careproof) übermittelt werden. Zur Umsetzung soll eine digitale Daten- und Kommunikationsplattform für die Planung, Beauftragung und Durchführung von Qualitätsprüfungen er-richtet werden. Darüber hinaus soll Transparenz über die Anzahl der in den Ländern und bundesweit durchgeführten Qualitätsprüfungen hergestellt werden. Die Errichtung soll durch den GKV-Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Medizinischen Dienst Bund und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. bis zum 31. Oktober 2027 erfolgen. Die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung durchführen, sollen sich mit 10 Prozent an den Kosten für den Aufbau und den Betrieb beteiligen.

Bewertung
Die Nutzung der Vorteile der Digitalisierung für die Planung, Beauftragung und Durchführung von Qualitätsprüfungen durch alle Beteiligten ist sinnvoll und daher zu befürworten. Eine Verbesserung des Verfahrens ist auch nach den Erfahrungen von Careproof dringend angezeigt. So besteht bei der Datenqualität der Prüfaufträge der einzelnen Landesverbände der Pflegekassen Verbesserungsbedarf. Fehlerhafte Datensätze führen ggf. zur Nicht-Durchführbarkeit von Prüfungen. Es erfolgen z.B. Zuweisungen von unvollständigen Prüfaufträgen, bei denen sich oft erst am Tag der Prüfung herausstellt, dass die Einrichtung geschlossen ist oder bereits durch den Medizinischen Dienst geprüft wurde. Dadurch entstehen zusätzliche Aufwände für Careproof durch „Leerfahrten“, und eine Ersatzprüfung für diesen Tag ist meist kurzfristig nicht realisierbar.

Darüber hinaus enthalten die Prüfaufträge oftmals nicht die laut QPR festgelegten Inhalte, insbesondere Strukturdaten, und bereits erteilte Maßnahmenbescheide nach § 115 Abs. 2 SGB XI stehen mitunter zur Umsetzung des Prüfauftrages nicht zur Verfügung.

Die Erfüllung der Kriterien für eine unangemeldete Prüfung und für den verlängerten Prüfrhythmus durch die zu prüfende Pflegeeinrichtung sollten ohne Zeitverzug in der digitalen Daten- und Kommunikationsplattform abrufbar sein. Eine gesonderte Kommunikation zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den Prüfdiensten sollte nicht erforderlich sein. Ein Abrufen dieser Informationen ist sinnvoll und würde die internen Prozesse von Careproof unterstützen. Hinsichtlich der unangemeldeten Prüfungen bzw. des verlängerten zweijährigen Prüfrhythmus war die Kommunikation bislang sehr intensiv.

Welche Änderungen hinsichtlich der Anbindung der Datenauswertungsstelle erfolgen sollen, ist unklar, weil bereits Schnittstellen zum Abrufen der Stichproben aus der Datenauswertungsstelle bestehen und diese von den Prüfdiensten genutzt werden.

Sollen bestehende Strukturen der Kommunikation und des Informationsaustauschs eingebunden werden, sollte dies nur erfolgen, wenn diese bereits einheitlich standardisiert sind und von allen Beteiligten genutzt werden können.

Vorschlag
Eine bundesweite digitale Daten- und Kommunikationsplattform sollte auch für die Kommunikation aller relevanter Akteure genutzt werden. Eine Weiterentwicklung um zusätzliche Schnittstellen und Funktionen sollte ermöglicht werden.

Der Finanzierungsanteil der privaten Pflegepflichtversicherung ist um den Beihilfeanteil zu bereinigen und von zehn auf sieben Prozent zu reduzieren.

Bei der statistischen Datenauswertung sollte auch erhoben werden, wie viele Pflegeeinrichtungen von den Medizinischen Diensten geprüft werden. Daher ist § 114 Abs. 1a S. 5 Nr. 2 SGB XI wie folgt zu ergänzen (Änderungen kursiv und unterstrichen):

„2. zur Prüfquote des Prüfdienstes des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und zu den Prüfquoten der jeweiligen Medizinischen Dienste und"

Zu Art. 1 Nr. 66 d) (§ 114a SGB XI - Durchführung der Qualitätsprüfungen)

Vorgeschlagene Regelung
Die Feststellung einer Unterschreitung der Prüfquote des Prüfdienstes des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. (Careproof) soll durch den GKV-Spitzenverband auf Basis der Berichterstattung nach § 114c Abs. 3 S. 3 SGB XI erfolgen. Bei Unterschreitung der Prüfquote werden die Daten an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) übermittelt. Durch das BAS soll der in dem Fall zu zahlende Finanzierungsanteil festgesetzt werden.

Bewertung
Eine Unterschreitung der Prüfquote durch Careproof ist seit Beteiligung an der externen Qualitätssicherung nicht eingetreten. Vielmehr erfolgte eine Übererfüllung. Die Schaffung von Transparenz zum gesamten Prüfgeschehen durch die Berichterstattung nach § 114c Abs. 3 S. 3 SGB XI ist sehr zu befürworten und sollte auch die Prüfquoten der Medizinischen Dienste abbilden.

Vorschlag
Das BAS sollte weiterhin selbst feststellen, ob die Prüfquote erfüllt wurde. Dazu sollte die Berichterstattung nach § 114c Abs. 3 S. 3 SGB XI genutzt werden. Daher sollte auch weiter-hin eine eingetretene Überschreitung der Prüfquote durch Careproof durch das BAS festgestellt werden.

Darüber hinaus sollte unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch für die Medizinischen Dienste eine Pflicht zur Ausgleichszahlung eingeführt werden, wenn sie ihre Prüfquote nicht erfüllen.

Zu Art. 1 Nr. 67 b) (§ 114c Richtlinien zur Verlängerung des Prüfrhythmus)

Vorgeschlagene Regelung
Die bereits bestehende Möglichkeit der Verlängerung des Prüfrhythmus auf zwei Jahre bei einem hohen Qualitätsniveau in vollstationären Pflegeeinrichtungen wird ab dem 1. Januar 2027 auf teilstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen ausgeweitet.

Bewertung
Das Ziel einer Reduzierung von Aufwand bei den Prüfdiensten und den Pflegeeinrichtungen ist grundsätzlich zu befürworten. Der ebenfalls vorgesehene Aspekt der Entbürokratisierung sollte sich jedoch auch auf das eigentliche Verfahren zur Feststellung der möglichen Verlängerung beziehen. Insofern ist eine intensive Nutzung der vorgesehenen Daten- und Kommunikationsplattform nach § 114 Abs. 1a SGB XI notwendig. Dies kann die Landesverbände der Pflegekassen entlasten, die Einheitlichkeit des Verfahrens durch Nutzung digitaler Entscheidungsprozesse sicherstellen und die Prüfdienste frühzeitig über die zu prüfenden bzw. nicht zu prüfenden Pflegeeinrichtungen informieren.
Im Gegensatz zu den vollstationären Pflegeeinrichtungen stehen für teilstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen jedoch keine Indikatoren zur Verfügung. Sollen die vorliegen-den Abschlussberichte für die ambulante und stationäre Pflege sowie die Instrumente für die Prüfung der Qualität und die Qualitätsprüfungs-Richtlinien keine ausreichenden Kriterien beinhalten, ist weitere wissenschaftliche Expertise heranzuziehen.

Zu Art. 1 Nr. 69 (§ 117 SGB XI - Zusammenarbeit mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden)

Vorgeschlagene Regelung
Es wird für die Heimaufsichtsbehörden die Möglichkeit geschaffen, die Medizinischen Dienste mit der vollständigen Übernahme der Überprüfung nach heimrechtlichen Vorschriften zu beauftragen.

Bewertung
Das Anliegen, Doppelprüfungen zu vermeiden und den Aufwand, der für die Pflegeeinrichtungen durch die Prüfung durch mehrere Prüfinstanzen entsteht, zu reduzieren, befürworten wir. Daher steht auch Careproof, der Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V., gerne zur Verfügung, ebenfalls die Überprüfung nach heimrechtlichen Vorschriften im Auftrag der Heimaufsichtsbehörden vollständig zu übernehmen. Dazu müsste in der vorgesehenen Regelung jedoch neben dem Medizinischen Dienst auch Careproof genannt werden. Diese Änderung sollte auch aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten vorgesehen werden, weil Qualitätsprüfungen sowohl durch den Medizinischen Dienst als auch durch Careproof erbracht werden. Darüber hinaus würde der Sinn und Zweck der Regelung, die Einrichtungen zu entlasten und Doppelprüfungen zu vermeiden, verfehlt, wenn Careproof die Überprüfung nach heimrechtlichen Vorschriften nicht ebenfalls im Auftrag der Heimaufsichtsbehörden übernehmen dürfte.

Vorschlag
Daher sollte § 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XI wie folgt gefasst werden (Änderungen kursiv und unterstrichen):

„2. Terminabsprachen für eine gemeinsame oder arbeitsteilige Überprüfung von Pflegeeinrichtungen einschließlich der vollständigen Übernahme der Überprüfung nach heimrechtlichen Vorschriften durch den Medizinischen Dienst oder durch den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Auftrag der Heimaufsichtsbehörden und nach Maßgabe von dazu zwischen diesen getroffenen Vereinbarungen über Verfahrensweise und Kostentragung sowie“

Zu Art. 1 Nr. 77 (§ 150 SGB XI – Sicherstellung der pflegerischen Versorgung, Kostenerstattung für Pflegeeinrichtungen und Pflegebedürftige)

Vorgeschlagene Regelung
§ 150 Abs. 1 SGB XI wird wegen des Ablaufs der befristeten Geltung aufgehoben.
Bewertung
Die Aufhebung veralteter Regelungen ist zu befürworten.

Vorschlag
§ 150 SGB XI war befristet und ist eine auf die SARS-CoV-2-Pandemie bezogene Sonderregelung. Der Grund für die Sonderregelung ist entfallen, so dass die gesamte Regelung des § 150 SGB XI aufgehoben werden kann.

Zu Art. 3 Nr. 2 (§ 15a SGB V - Behandlung durch Pflegefachpersonen, Pflegeprozessverantwortung)

Vorgeschlagene Regelung
Die Regelung sieht vor, dass Pflegefachpersonen, die über eine nach dem Pflegeberufegesetz vorgeschriebene berufliche oder hochschulische Ausbildung, eine staatlich anerkannte, bundesweit einheitliche Weiterbildung oder über eine solcher Weiterbildung entsprechende Berufserfahrung verfügen, die durch eine staatliche Kompetenzfeststellung der Länder nachgewiesen wurde, bestimmte ärztliche Leistungen eigenverantwortlich erbringen dürfen. Es handelt sich um Leistungen, die bislang ausschließlich Ärzten vorbehalten waren. Erfasst sind insbesondere:

  • Leistungen, die nach ärztlicher Diagnose aus festgelegten Leistungskatalogen erbracht werden (§ 73d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V)
  • die eigenständige Verordnung von häuslicher Krankenpflege einschließlich der notwendigen Hilfsmittel nach § 33 SGB V, nach einer erstmaligen ärztlichen Verordnung (§ 73d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V),
  • sowie Leistungen der ärztlichen Behandlung aus Anlage 1 des Rahmenvertrags nach § 64d Abs. 1 Satz 4 bis zum Abschluss eines Vertrages nach § 73d Abs. 1 Satz 1 SGB V.
  • Pflegefachpersonen sollen nach ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung heilkundliche Leistungen eigenverantwortlich erbringen dürfen. Ihnen obliegt die Verantwortung für die rechtzeitige und fachlich gebotene Einbeziehung von Ärzten. Zudem sollen sie eigenständig für eigene Behandlungsfehler haften. Die Regelung gilt sektorenübergreifend – also im ambulanten und stationären Bereich.

Bewertung
Die Ausweitung der pflegerischen Kompetenzen wird begrüßt – vorausgesetzt, dass sie einerseits zur Entlastung ärztlicher Ressourcen beiträgt und damit Freiräume für die originär ärztlichen Kernaufgaben schafft, und andererseits die qualitativ hochwertige und Patienten-gerechte Versorgung durch entsprechend qualifizierte Pflegefachpersonen sichergestellt ist. Ausdrücklich zugestimmt wird der vorgesehenen Regelung, dass Pflegefachpersonen erst nach ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung heilkundliche Leistungen eigenverantwortlich erbringen können sollen. Auf dieser Grundlage können berufsrechtlich weisungsfreie Entscheidungen über Art, Dauer und Häufigkeit der Behandlung getroffen werden.

Der Gesetzesentwurf setzt sich mit der Frage der Beschäftigungsform der Pflegefachpersonen nicht auseinander. Im Fokus steht allein die Frage, ob die Pflegefachperson die fachliche Verantwortung eigenständig übernimmt. Diese erweiterten Kompetenzen können nach Verständnis des PKV-Verbandes nur in nichtselbständiger Beschäftigung in der Arztpraxis (ähnlich angestellten Ärzten) ausgeübt werden. Der Begriff „eigenverantwortlich“ ist in diesem Zusammenhang somit berufsrechtlich zu verstehen – als fachliche Unabhängigkeit in der Durchführung der Leistung, nicht als wirtschaftliche Selbstständigkeit. Die Kompetenz von Pflegefachpersonen in der Versorgung wird durch diese Regelung folglich ausschließlich berufsrechtlich erweitert; ihnen werden eigenständige Handlungsspielräume innerhalb des (vertrags-)ärztlichen Leistungsspektrums eingeräumt.

Fraglich erscheint jedoch, wie die Leistungen der Pflegefachpersonen in der PKV vergütet werden können. Deren Leistungen können dem Arzt gebührenrechtlich nur zugerechnet werden, wenn dies unter ärztlicher Aufsicht und nach fachlicher Weisung geschieht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Im Gesetzesentwurf wird die Eigenständigkeit dahingehend umschrieben, dass es sich bei den Tätigkeiten der Pflegefachperson „nicht mehr um eine (erweiterte) Delegation von Leistungen [handelt]“. Folglich könnten der Abrechnung heilkundlicher Leistungen der Pflegefachkraft durch die Arztpraxis oder das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) bei strenger Auslegung die Bestimmungen der GOÄ entgegenstehen.

Vorschlag
Um eine rechtssichere Abrechnung heilkundlicher Leistungen der Pflegefachpersonen durch die Arztpraxis zu ermöglichen, ist eine Anpassung der GOÄ erforderlich, damit das Ziel, bestimmte Leistungen durch entsprechend qualifizierte Pflegefachpersonen ausdrücklich zuzulassen und diese den Ärzten zuzurechnen, verwirklicht werden kann. Die durch Pflegefachpersonen erbrachten Leistungen sollten zur Abgrenzung gegenüber originär ärztlichen Leistungen nur zu einem niedrigeren Gebührensatz berechnungsfähig sein. Dafür erscheint der Einfachsatz der GOÄ (1,0-fache Gebührensatz) angemessen.

Wichtig ist, dass die jeweiligen Leistungen sowohl in der bestehenden als auch in der künftigen GOÄ in der Rechnung kenntlich gemacht werden, um Transparenz für die Abrechnung zu schaffen.

Zu Art. 3 Nr. 16 (§ 73d SGB V - Eigenverantwortliche Erbringung von Leistungen durch Pflegefachpersonen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung; eigenverantwortliche Verordnung häuslicher Krankenpflege durch Pflegefachpersonen, Evaluation)

Vorgeschlagene Regelung
Die Regelung sieht u. a. vor, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene und die Vereinigungen der Träger von Pflegeheimen bis zum 31. Juli 2027 in einem Vertrag einen Katalog an Leistungen der ärztlichen Behandlung regeln, die Pflegefachpersonen nach § 15a Abs. 1 Nr. 1 SGB V eigenverantwortlich erbringen können. Sie sollen zudem Rahmenvorgaben zur interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und Ärzten bei der Erbringung der nach den Nrn. 1 und 2 vereinbarten Leistungen machen. Die in dem Vertrag zu regelnden Leistungen setzen eine ärztliche Diagnose und Indikationsstellung voraus.

Bewertung
Dieser Paragraf stellt – analog zu § 112a SGB V, der den Krankenhausbereich betrifft – eine Regelung dar, nach der bis zum 31. Juli 2028 eine Vereinbarung zwischen den genannten Trägern getroffen werden soll. Im Unterschied zu § 112a SGB V ist die PKV jedoch nicht in das Verfahren einbezogen. Um die Belange der privat Versicherten und Beihilfeberechtigten bei den Festlegungen der auf Pflegefachpersonen zu übertragenden ärztlichen Leistungen berücksichtigen zu können, sind der PKV analog zu § 112a SGB V auch im Rahmen von § 73d SGB V entsprechenden Beteiligungsrechte am Verfahren einzuräumen.

Zu Art. 3 Nr. 21 (112a SGB V - Eigenverantwortliche Erbringung von Leistungen durch Pflegefachpersonen im Rahmen der Krankenhausbehandlung)

Vorgeschlagene Regelung
Die Regelung sieht eine eigenverantwortliche Erbringung von Leistungen durch Pflegefachpersonen im Rahmen der Krankenhausbehandlung vor. Hierzu vereinbaren die Vertragsparteien auf Bundesebene bis zum 31. Juli 2028 einen Katalog an Leistungen der ärztlichen Behandlung, die Pflegefachpersonen gem. § 15a SGB V-neu in zugelassenen Krankenhäusern eigenverantwortlich erbringen können, sowie Rahmenvorgaben zur interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und Ärzten im Krankenhaus.

Bewertung
Es sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die eigenverantwortliche Erbringung ärztlicher Behandlungen durch Pflegefachpersonen in zugelassenen Krankenhäusern nicht nur gegenüber gesetzlich Versicherten, sondern gegenüber allen Nutzern des Krankenhauses erfolgen kann.

Zudem sollte ein gesetzlicher Hinweis erfolgen, dass ärztliche Behandlungen durch Pflegefachpersonen nicht als eigene Leistungen eines Wahlarztes, die mit einem Wahlarztentgelt zusätzlich zur Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistung abgerechnet werden, gelten können. Denn § 17 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG begrenzt die Berechnung von Wahlleistungsentgelten auf die Leistungen von Ärzten bzw. im Bereich der Psychotherapie auf Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Demnach können Leistungen von Pflegefachpersonen nicht einer Wahlarztleistung zugeordnet werden.

Vorschlag:
In § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V werden hinter dem Wort „Krankenhäusern“ die Worte „für alle Benutzer“ eingefügt.

In § 112a Abs. 1 SGB V wird folgender Absatz 3 angefügt:
„Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 gelten nicht als eigene Leistungen des Wahlarztes.“

Zu Art. 3 Nr. 35b (§ 342 Abs. 2a Nr. 1 SGB V - Sicherer Umgang mit Komponenten zur Authentifizierung von Leistungserbringerinstitutionen)

Vorgeschlagene Regelung
Mit der Regelung werden die zeitlichen Fristen zur Umsetzung der digitalen Unterstützung des Medikationsprozesses angepasst. Als spätester Zieltermin wird der 31. März 2026 genannt.

Bewertung
Aufgrund der Komplexität des digitalen Medikationsprozesses sind ausreichende Umsetzungsvorläufe für die beteiligten Hersteller wichtig, um fehlerfreie und nutzerfreundliche Umsetzungen zu erreichen. Deshalb begrüßen wir die Anpassung des Zieltermins. Dieser ist jedoch so knapp bemessen, dass sich nicht alle vorgesehenen Anforderungen bis zu diesem umsetzen lassen. Dieses betrifft unter anderem Ergänzungen durch Versicherte und die Berücksichtigung AMTS-relevanter Zusatzinformationen.

Zu Art. 3 Nr. 41 (§ 362 Abs. 1 SGB V - Sicherer Umgang mit Komponenten zur Authentifizierung von Leistungserbringerinstitutionen)

Vorgeschlagene Regelung
Mit der Änderung wird die Nutzung des TI-Messengers im Rahmen der ePA auch für privat-versicherte Personen sowie für sonstige beihilfeberechtigte Personenkreise der Postbeamtenkrankenkasse, der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, der Bundespolizei, der Landespolizeien, der Bundeswehr oder von Trägern der freien Heilfürsorge geregelt. Diesen Personenkreisen muss bis zum 01. Januar 2028 ein entsprechender Zugang über elektronische Gesundheitskarten oder digitale Identitäten bereitgestellt werden.

Bewertung
Der Verband der Privaten Krankenversicherung begrüßt ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesentwurf, der die Nutzung des TI-Messengers im Rahmen der ePA auch für privatversicherte Personen zur Kommunikation mit Leistungserbringern vorsieht. Wir bewerten die vorgesehene Fristverlängerung für die Bereitstellung des TI-Messengers innerhalb der ePA bis zum 1. Januar 2028 als sachgerecht und zielführend. Diese Fristverlängerung ermöglicht es den Privatversicherern, die notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine reibungslose und sichere Integration des TI-Messengers zu schaffen. Dadurch wird die Qualität der Umsetzung gesichert und ein stabiler Betrieb von Anfang an gewährleistet.

III. Zu ausgewählten Änderungsanträgen

Zu Art. Nr. 3 (§ 6 SGB V)

Vorgeschlagene Regelung
Die Systemabgrenzung von GKV und PKV in § 6 SGB V wird in zwei Punkten angepasst. Damit soll eine Regelungslücke zur Rückkehr über 55-jähriger PKV-Versicherter in die GKV geschlossen werden.

  1. Die einschränkenden Voraussetzungen für eine Aufnahme in die GKV nach Vollendung des 55. Lebensjahres kommen auch bei Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Deutschland ziehen, wirkungsgleich zur Anwendung. Damit ein Aufenthalt im Ausland weder zu einer Benachteiligung noch zu einer Bevorzugung im Vergleich zu durch-gängig im Inland Versicherten führt, sind die Voraussetzungen bei erstmaliger Wahl einer gesetzlichen Absicherung nach Vollendung des 55. Lebensjahrs zu prüfen, unabhängig davon, ob diese im Inland oder im Ausland erfolgt.
  2. Der LSG-Rechtsprechung vom 19. April 2024 (Az. L 1 KR 441/21) zur Vorversicherungszeit wird Abhilfe geschaffen. Eine nach Vollendung des 55. Lebensjahres wegfallende Versicherungsfreiheit, Befreiung von der Versicherungspflicht oder hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit wirkt fort. Grundsätzlich haben sich diese Personen (weiterhin) in der PKV abzusichern. Für der PKV zugeordnete Personen besteht dabei Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif.

Bewertung
Mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2000 eingeführt, dass ab dem 55. Geburtstag ein Wechsel von der PKV zurück in die GKV grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 6 Abs. 3a SGB V). Privat krankenversicherte Personen können sich nicht mehr in der GKV versichern, wenn sie nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden und sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber eine klarere Abgrenzung zwischen GKV und PKV erreichen und die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten schützen (vgl. hierzu BT-Drs. 14/1245, S. 59 f.).

In der Praxis wird durch fingierte Auslandsarbeitsverhältnisse sowie eine LSG-Rechtsprechung zur Fristsetzung der Vorversicherungszeit die Intention des Gesetzgebers unterlaufen, der mit § 6 SGB V klare Alters- und Vorversicherungsgrenzen definiert hat. Die PKV begrüßt das Vorhaben, mit dem eine Regelungslücke zur Beschränkung der Rückkehr älterer Versicherter in die GKV wirksam geschlossen wird.

Zu Art. Nr. 10 (§ 10 SGB V)

Vorgeschlagene Regelungen
Mit der neuen Regelung wird der Zugang zur GKV über die beitragsfreie Familienversicherung für privat versicherte Rentnerinnen und Rentner ausgeschlossen, deren Vollrentenanspruch oberhalb der Gesamteinkommensgrenze der Familienversicherung liegt und die nur durch die Wahl einer Rente wegen Alters als Teilrente die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllen. Mit der Regelung wird auf vermehrte Fälle reagiert, in denen privat krankenversicherte Rentnerinnen und Rentner durch ein gezieltes, temporäres Absenken ihres Rentenzahlbetrags Zugang zur GKV über ihre Ehegattin und Ehegatten erhalten. Mit der Regelung wird die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bekräftigt, dass Personen, die sich gegen die solidarische Beitragstragung in der GKV zu Zeiten ihres Erwerbslebens entschieden haben, nicht im Alter in die GKV zurückkehren sollen.

Bewertung
Die PKV begrüßt auch diese Regelung, die eine weitere Gesetzeslücke in der Systemabgrenzung zwischen GKV und PKV schließt.

IV. Weiterer gesetzlicher Änderungsbedarf

Regelhafte Ausstattung von Privatversicherten mit Krankenversichertennummern (KVNR)

Die Ausstattung mit einer KVNR stellt für Bürgerinnen und Bürger die Grundvoraussetzung für eine Teilhabe an der Digitalisierung im Gesundheitswesen dar. Die KVNR ist bereits jetzt für die Nutzung der Anwendungen der TI (elektronische Patientenakte, E-Rezept etc.), für Meldungen an das Implantateregister oder Krebsregister sowie für bestimmte Modellvorhaben (Genomsequenzierung) zwingend erforderlich.

In der PKV und bei den weiteren unter § 362 Abs. 2 SGB V aufgeführten Kostenträgern außerhalb der GKV wie die Bundes- und Landespolizeien, erfordert die Bildung der KVNR die aktive Mitwirkung der Versicherten. Nur in Einzelfällen wie bei Vorliegen einer implantatbezogenen Maßnahme, welche (anlassbezogene) gesetzliche Bereitstellungspflichten begründen können, kann die PKV zur entsprechenden Datenverarbeitung zur KVNR-Bildung ohne Einwilligung bzw. Mitwirkung der Versicherten befugt sein. Das führt in der Praxis zu einer unzureichenden Ausstattung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger mit einer KVNR und damit insgesamt zu unbefriedigenden Ergebnissen in Bezug auf das Ziel der Digitalisierung des gesamten Gesundheitswesens. Um möglichst sämtliche Privatversicherte sowie Beihilfeberechtigte mit einer KVNR ausstatten zu können, muss die PKV zu deren regelhafter, einwilligungsfreier Bildung befugt werden. Hierbei handelt es sich um eine überfällige Regelung, die schon in der vergangenen Wahlperiode erfolgen sollte.

Zur Umsetzung der zustimmungsfreien KVNR in der PKV kann auf bereits weit gediehene Vorschläge zurückgegriffen werden. Zur Umsetzung erscheinen insbesondere folgende Varianten gleichwertig tragfähig:

Umsetzungsoption 1:
Eine systematisch tragfähige Lösung könnte die versicherungsvertragsrechtliche Regelung darstellen, wie sie im Änderungsantrag Nr. 14 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (BT-Drs. 20(14)235.1 v. 12.11.2024) vorgesehen war.

Umsetzungsoption 2:
Alternativ könnte die obligatorische – anlasslose - Bereitstellung und Nutzung der KVNR für alle Privatversicherten durch folgende kumulative Änderungen bzw. Ergänzungen des § 17 Abs. 4 IRegG, des § 2 Abs. 1 IRegBV und des § 362 Abs. 2 SGB V erreicht werden (vgl. u. a. die Stellungnahme des PKV-Verbandes zum GDAG-Kabinettsentwurf):

  • Änderung des § 17 Abs. 4 S. 1 und 3 IRegG dahingehend, dass die KVNR künftig nicht nur anlassbezogen, sondern verpflichtend für alle Privatversicherten vergeben wird,
  • Ergänzung des § 2 Abs. 1 IRegBV um eine hinreichende Frist zur Umsetzung der KVNR-Vergabe und
  • Ergänzung des § 362 Abs. 2 SGB V insbesondere um die Verarbeitungsbefugnis einer bestehenden KVNR sowie der für deren Bildung und Clearing erforderlichen personenbezogenen Daten für die Bereitstellung und Nutzung einer eID sowie der Anwendungen der Telematikinfrastruktur nach § 334 Abs. 1 S. 2 SGB V.

Ausgearbeitete Formulierungsvorschläge liegen beim BMG und BMJ seit längerem vor, siehe u.a. Stellungnahme des PKV-Verbands zum Kabinettentwurf zum GDAG.  

Ergänzender Regelungsbedarf für die Umsetzung der KVNR-Vergabe:

1. Zustimmungsfreie Abfrage bei Einwohnermeldeämtern
Ergänzend zu der datenschutzrechtlichen Befugnis für die einwilligungsfreie Bildung der KVNR (unter notwendiger Nutzung der Rentenversicherungsnummer (RVNR)) bedarf es einer Klarstellung dahingehend, dass die PKV-Unternehmen berechtigt sind, in Fällen unzureichender Mitwirkung der Versicherten fehlende Daten (z. B. Geburtsort) bei den Einwohnermeldeämtern abzufragen und dass hierfür sowie für den Gesamtprozess der Bildung der KVNR bzw. RVNR keine vorherige Schweigepflichtenbindung des Versicherten erforderlich ist (§ 203 StGB).

2. Einbeziehung in den GKV-Datenabgleich zur Verhinderung von Mehrfachvergaben
Wie im o. g. Änderungsantrag Nr. 14 zum GVSG vorgesehen, sollte aufgrund bestehender Unsicherheiten zudem – im Sinne sämtlicher Nutzer der TI – geregelt werden, dass die von den PKV-Unternehmen vergebenen KVNR im Verzeichnis nach § 290 Abs. 3 SGB V zu führen sind und der Datenabgleich (auch mit der GKV), um Mehrfachvergaben derselben KVNR auszuschließen oder zu korrigieren, innerhalb des von der Vertrauensstelle geführten Registers zu erfolgen hat. Hierzu wären in § 362 Abs. 2 S. 2 SGB V nach den Wörtern „§ 290 Absatz 1 Satz 4 bis 7“ die Wörter „und Absatz 3“ einzufügen.