Stellungnahme 25. August 2022

Formulierungshilfe für Änderungsanträge (Beschluss des Bundeskabinetts vom 24. August 2022) zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19.

I. Zu ausgewählten Regelungen

Zu Änderungsantrag 4 (Art. 3, § 150c SGB XI)

Vorgeschlagene Regelungen

In zugelassenen voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen erhalten im Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. April 2023 beschäftigte Personen, die nach § 35 Abs. 1 Satz 6 IfSG benannt sind, eine Sonderleistung. Diese beträgt pro Pflegeeinrichtung und Monat 750 Euro. Die an die Beschäftigten auszuzahlende Sonderleistung zahlen die Pflegekassen an die Pflegeeinrichtungen aus. Außerdem erhalten diese Pflegeeinrichtungen in dem genannten Zeitraum von den Pflegekassen einen monatlichen Förderbetrag in Höhe von 250 Euro zur Unterstützung bei der Umsetzung der Aufgaben nach § 35 Abs. 1 S. 6, 7 IfSG.  

Bewertung

Nach dem Koalitionsvertrag werden die pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln finanziert. Eine entsprechende Regelung fehlt im Zusammenhang mit den Kosten, die nach § 150c SGB XI den Pflegekassen entstehen bzw. aus dem Ausgleichsfonds finanziert werden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 6 IfSG haben die Einrichtungsleitungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis einschließlich 7. April 2023 eine oder mehrere verantwortliche Personen zur Umsetzung von im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stehenden Infektionsschutzmaßnahmen und Koordinierungsaufgaben nach § 35 Abs. 1 S. 7 IfSG zu benennen. Diese Infektionsschutzmaßnahmen und Koordinierungsaufgaben stehen im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Daher handelt es sich bei den aus dem Ausgleichsfonds finanzierten Sonderleistungen nach § 150c SGB XI um pandemiebedingte Zusatzkosten, die aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Die Zahlung eines entsprechenden Bundeszuschusses an den Ausgleichsfonds ist daher vorzusehen.

Zu Änderungsantrag 5 (Art. 2, §§ 45, 221a SGB V)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Regelungen zur Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld im Falle von Betreuungsbedarf auch bei nichterkrankten Kindern werden bis zum Ablauf des 7. April 2023 verlängert.

Bewertung

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen ist ein Auftrag des Grundgesetzes. Dies gilt auch und insbesondere in Zeiten der Pandemie. Insofern ist die Verlängerung der Regelung zur Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld im Falle von Betreuungsbedarf auch bei nichterkrankten Kindern nachvollziehbar.

Bis November 2021 gab es allerdings auch eine ergänzende Entschädigungsregelung für Personen, die das Kinderkrankengeld nicht in Anspruch nehmen können (Privatversicherte; GKV-versicherte Selbständige): Gem. § 56 Abs. 1a IfSG hatten während der Geltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages über das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erwerbstätige Personen bei Verdienstausfall Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung, u.a. wenn Kinderbetreuungseinrichtungen vorübergehend geschlossen wurden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Dieser Anspruch bestand unabhängig vom Versicherungsstatus und sicherte so, dass alle Personen eine Kompensation von entsprechenden Verdienstausfällen erhalten konnten.

Die vorgesehene Verlängerung des Kinderkrankengeldes sollte daher – um Ungleichbehandlungen in der Zukunft zu vermeiden – zum Anlass genommen werden, die ergänzende, aber im November 2021 ausgelaufene Regelung im IfSG wieder aufleben zu lassen. Plädiert wird dabei für eine Entschädigungsregelung, die unabhängig von der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite greift. Damit könnten bei allen Betroffenen finanzielle Härten vermieden werden, zumal angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten durch die Inflation und die Energiekrise.

Zu Änderungsantrag 7 (Artikel 2, § 290 SGB V)

Vorgeschlagene Regelung

Mit der Änderung wird eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Sozialdaten an die in § 362 Abs. 2 Satz 1 genannten Unternehmen der privaten Krankenversicherung, die Postbeamtenkrankenkasse, die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, die Bundespolizei oder die Bundeswehr zur Durchführung des sog. Clearing-Verfahrens nach § 290 Abs. 3 Satz 3 und Kapitel 7 der Richtlinie zum Aufbau und zur Vergabe einer Krankenversichertennummer und Regelungen des Krankenversichertennummernverzeichnisses nach § 290 SGB V geschaffen. Das Clearing-Verfahren dient der Sicherstellung der sogenannten Eineindeutigkeit der Krankenversichertennummer (KVNR) und soll Mehrfachvergaben des unveränderbaren Teils der Krankenversichertennummer ausschließen.

Bewertung

 

Es wird ausdrücklich begrüßt, dass die Regelung in diesem Gesetzgebungsverfahren vorgezogen werden soll. Hintergrund: Die Rechtsgrundlage für das systemübergreifende Clearing der KVNR muss mit Wirkung zum 1. Oktober 2022, mindestens aber schnellstmöglich in Kraft treten, um die Möglichkeit zur KVNR-Vergabe rechtzeitig vor dem 1. Januar 2023 zu schaffen.

Die Nutzung der KVNR nach § 290 Abs. 1 SGB V ist den Unternehmen der PKV nach § 362 Abs. 2 SGB V erlaubt, um ihren Versicherten den Zugang zur bzw. die Nutzung der Services der TI zu ermöglichen. Darüber hinaus ist die Bereitstellung und Verwendung der KVNR für die PKV-Unternehmen im Anwendungsbereich des IRegG obligatorisch. Um sicherzustellen, dass die grds. lebenslang zu vergebende KVNR einem konkreten Versicherten zugeordnet wird und dauerhaft bleibt, muss zwingend ein sog. Clearingverfahren zur Erkennung und Vermeidung von Doppelvergaben unter Einbeziehung sämtlicher Nutzungsberechtigter, die die KVNR für ihre Versicherten verwenden, durchgeführt werden, welches umfangreiche Datenverarbeitungsbefugnisse voraussetzt.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) fordert für den systemübergreifenden Austausch für die GKV eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis, um die Übermittlung der erforderlichen Sozialdaten von der GKV an die sonstigen Nutzungsberechtigten der KVNR im Clearingverfahren zu legitimieren. Die Ergänzung in § 290 Abs. 3 SGB V schafft nunmehr die erforderliche datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage, die der GKV ein systemübergreifendes Clearing auf der Basis der Richtlinie gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V für das Clearing bei der Nutzung der KVNR durch Privatversicherte ermöglicht.

Von erheblicher praktischer Relevanz ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelungen, die ein systemübergreifendes Clearing der KVNR ermöglichen, nicht nur für die Möglichkeit der Nutzung der TI durch die Privatversicherten, sondern auch im Anwendungsbereich des IRegG. Bereits ab dem 1. Juli 2022 sind die PKV-Unternehmen verpflichtet, die KVNR nach § 17 Abs. 4 Satz 1 IRegG für ihre Versicherten zur Verfügung zu stellen und ab dem 1. Januar 2024 für die vorgesehenen Meldungen zum Implantateregister zu nutzen (§ 2 IRegBV). Korrespondierend besteht eine Meldeverpflichtung der die Implantationen vornehmenden Kliniken, die die Verwendung der KVNR voraussetzt, beginnend ab dem 1. Januar 2023 mit Brustimplantaten. Das erforderliche systemübergreifende Clearing als Voraussetzung für die Vergabe der KVNR auch an Privatversicherte setzt jedoch voraus, dass die Neufassung der Richtlinie nach § 290 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Kraft tritt, was wiederum voraussetzt, dass die benötigte Neufassung des § 290 Abs. 3 SGB V vorher wirksam wird. Angesichts des Beginns der Meldepflichten der Klinken nach dem IRegG ab dem 1. Januar 2023 und des erheblichen organisatorischen und zeitlichen Vorlaufs bei der Erstvergabe der KVNR ist es dringend erforderlich, sehr zeitnah eine hinreichend belastbare Rechtsgrundlage für ein systemübergreifendes Clearing zu schaffen.

Um das unabdingbare systemübergreifende Clearing der KVNR auch im Anwendungsbereich des IRegG sicherzustellen, ist § 17 Abs. 4 Satz 2 IRegG wie folgt zu ergänzen: „§ 362 Absatz 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 sowie § 290 Absatz 3 Satz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten entsprechend.“

Spiegelbildlich zur GKV erscheint es darüber hinaus – ungeachtet des Umstandes, dass die PKV bei der Vergabe der KVNR gemäß § 362 Abs. 2 SGB V der Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V unterliegt, so dass eine rechtliche Verpflichtung zur dauerhaften Teilnahme am Clearing und die entsprechenden Datenverarbeitungsbefugnisse für die PKV bereits angelegt sind – wünschenswert, dass anlässlich der Neuregelung des § 290 Abs. 3 SGB V, der die Datenübermittlung von der GKV an die PKV für das Clearing legitimiert, auch die diesbezüglichen Datenübermittlungsbefugnisse auf Seiten der PKV-Unternehmen samt Beihilfeträgern gesetzlich klargestellt werden (bspw. in § 362 Abs. 2 SGB V).

Zu Änderungsantrag 12 (Artikel 1a, § 28b Infektionsschutzgesetz)

Vorgeschlagene Regelungen

Mit den Regelungen in Absatz 1 Nr. 3 und 4 werden u.a. Schutzmaßnahmen für ambulante, voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen getroffen, die das Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) sowie einen Testnachweis nach § 22a Absatz 3 für Personen vorsehen, die diese Pflegeeinrichtungen betreten oder dort tätig werden.

Bewertung

Die Festlegung von Schutzmaßnahmen für den besonderen Personenkreis der pflegebedürftigen Personen wird befürwortet. Jedoch gehen diese Neuregelungen über die heute bestehenden Regelungen zur Testung der Prüferinnen und Prüfer bei den Prüfinstitutionen, insbesondere für die teil- und vollstationäre Pflege, ohne erkennbaren Grund hinaus. Die vorgesehene Vorlage eines Testnachweises nach § 22a Abs. 3 Infektionsschutzgesetz bei Prüfungen in teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen ist aufgrund der bisherigen Praxiserfahrungen nicht erforderlich. Die heutige Selbsttestung der Prüferinnen und Prüfer vor dem Betreten einer Pflegeeinrichtung oder der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Antigen-Schnelltest nicht älter als 24 Stunden, PCR-Test nicht älter als 48 Stunden) zum Schutz der pflegebedürftigen Personen wird weiterhin als ausreichend angesehen. Die erforderlichen Tests werden den Prüferinnen und Prüfern dabei von den Prüfdiensten zur Verfügung gestellt.

Die Qualitätsprüfungen der Pflegeeinrichtungen nach § 114 SGB XI durch die Prüfinstitutionen finden im Interesse der Pflegebedürftigen statt, so dass deren Durchführbarkeit auch unter diesem Gesichtspunkt weiterhin unbedingt sichergestellt werden sollte. Die Prüfungen werden auf Grundlage der bewährten Regelungen nach § 114 Abs. 2a SGB XI durchgeführt. Diese sollten weiterhin die Grundlage für die Durchführbarkeit der Qualitätsprüfungen darstellen. Bei den Qualitätsprüfungen wird daher der Schutz der Pflegebedürftigen, der Mitarbeitenden in den Einrichtungen und der Prüferinnen und Prüfer vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 beachtet.