Stellungnahme 24. Februar 2022

Stellungnahme zum Entwurf einer Dritten Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie.

Eine weitere, nicht an die aktuelle Entwicklung der Pandemie angepasste Verlängerung der Regelungen des Pflege-Rettungsschirms bis zum 30. Juni 2022 ist nicht angezeigt. Insbesondere das jetzige Verfahren zur Erstattung der Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtungen ist intransparent und nützt nicht der Versorgung der Pflegebedürftigen. Eine Erstattung von Mindereinnahmen erscheint nur für Fälle von Angebotseinschränkungen durch hoheitliche Maßnahmen erforderlich. Die Erstattung der Kosten der notwendigen Testungen in den Pflegeeinrichtungen über den Pflege-Rettungsschirm ist beizubehalten.    

Der PKV-Verband weist erneut auf die verfassungsrechtlich fragwürdige Ungleichbehandlung der Sozialen (SPV) und der Privaten Pflegeversicherung (PPV) hin. Die Aufwendungen der PPV für den Pflegerettungsschirm liegen bei 7% der Gesamtkosten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die SPV einen steuerfinanzierten Aufwendungsersatz erhält, die Privatversicherten die pandemiebedingten Kosten hingegen über ihre Beiträge selbst finanzieren müssen. Zugleich müssen sie mit ihren Steuerzahlungen den Zuschuss an die SPV finanzieren. Diese Doppelbelastung durch Steuern und Beiträge für den gleichen Zweck verstößt gegen das Grundgesetz.

Zu § 1 - Verlängerung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung

Absatz 1 und Absatz 2 (§ 147 SGB XI)

Vorgeschlagene Regelung

Die Pflegebegutachtung nach § 18 SGB XI kann auch ohne Untersuchung des Versicherten in seinem Wohnbereich aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und auf Grundlage strukturierter telefonischer oder digitaler Befragung erfolgen. Die bestehenden Maßnahmen nach § 147 Absatz 1 und 6 SGB XI werden bis zum 30. Juni 2022 verlängert.

Bewertung

Die Verlängerung der Regelungen zur Durchführung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI in digitaler Form wird befürwortet.

Unabhängig von der befristeten Möglichkeit sollte diese Form jedoch dauerhaft durch Änderungen in § 18 SGB XI aufgenommen werden. Mit dieser Art der Begutachtung konnten in der Praxis sehr gute Erfahrungen gesammelt werden.

Absatz 3 (§ 148 SGB XI)

Vorgeschlagene Regelung

Die Durchführung des Beratungseinsatzes nach § 37 Abs. 3 SGB XI kann telefonisch, digital oder per Videokonferenz erfolgen. Diese Möglichkeit wird bis zum 30. Juni 2022 verlängert.

Bewertung

Die Verlängerung der Flexibilisierung der Möglichkeiten zur Durchführung des Beratungseinsatzes wird befürwortet. 

Absatz 4 und 5 (§ 150 SGB XI)

Vorgeschlagene Regelung

Der Pflege-Rettungsschirm wird bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Dies gilt für die Pflicht zur Anzeige von wesentlichen Beeinträchtigungen der Leistungserbringung, den Regelungen zu Mindereinnahmen und Mehrausgaben der Pflegeeinrichtungen und Angebote zur Unterstützung im Alltag, der Möglichkeit des flexiblen Einsatzes des Entlastungsbetrages bei Pflegegrad 1 sowie die Ausweitung des Anspruchs auf Pflegeunterstützungsgeld für bis zu insgesamt 20 Arbeitstage.

Bewertung

Eine erneute pauschale Verlängerung der bestehenden Regelungen des Pflege-Rettungsschirms, insbesondere zur Erstattung der Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtungen und Angebote zur Unterstützung im Alltag ist nicht angezeigt. Bei der Ausgestaltung des Pflege-Rettungsschirms muss berücksichtigt werden, dass sich die Gegebenheiten seit Ausbruch der Pandemie, z. B. durch die Möglichkeit der Impfungen, der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und durch Testkonzepte etc., wesentlich geändert haben. Das Leben hat sich durch das Coronavirus SARS-CoV-2 nachhaltig verändert. Für die pflegerische Versorgung bedeutet dies ebenfalls dauerhafte Veränderungen, die nicht durch einen nicht endenden Pflege-Rettungsschirm aufgefangen werden können und sollen.      

Veränderungen lassen sich auch an den bisherigen Kosten des Pflege-Rettungsschirms ablesen: Die Aufwendungen betrugen nach den Daten des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) im ersten Quartal 2021 ca. 1,45 Mrd. Euro, im zweiten Quartal 2021 ca. 1,6 Milliarden Euro, im dritten Quartal 2021 ca. 1,1 Mrd. Euro und im vierten Quartal 2021 ca. 750 Mio. Euro. Für die bereits erfolgte Verlängerung bis zum 31. März 2022 wurden für die Soziale Pflegeversicherung Mehrausgaben in Höhe von 900 Mio. Euro und für die Private Pflegepflichtversicherung 75 Mio. Euro benannt. Die weitere Verlängerung wird mit Mehrausgaben für die Soziale Pflegeversicherung in Höhe von 525 Mio. Euro und für die Private Pflegepflichtversicherung mit 40 Mio. Euro beziffert. Die Private Pflegepflichtversicherung hat sich bis Ende 2021 am Pflege-Rettungsschirm nach § 150 SGB XI im Umfang von rund 353 Mio. Euro beteiligt; zusätzlich erfolgte bislang eine finanzielle Beteiligung an den Testkosten nach § 7 Abs. 2 Coronavirus-TestVO in Höhe von rund 120 Mio. Euro

Diese Zahlen deuten auf eine Veränderung der pandemischen Lage hin. Auch der aktuelle Bund-Länder-Beschluss stellt fest, dass die Infektionszahlen hoch sind – jedoch nicht mehr steigen. Daher wurde sich darauf verständigt, die weitreichenden Corona-Maßnahmen bis zum 20. März 2022 in kontrollierten Schritten zurückzufahren. Durch eine mittlerweile hohe Impfquote in den stationären Pflegeeinrichtungen und umfassende Testkonzepte erfolgt eine Normalisierung der Versorgung. Dazu wird auch die ab 16. März 2022 geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht beitragen, die gerade dem Schutz der Pflegebedürftigen dient. Es ist widersprüchlich, einerseits mit der Begründung, die pandemische Lage ändere sich, Corona-Sonderregelungen zurückzunehmen, und andererseits mit der Begründung, es komme wegen der Omikron-Mutation weiter zu Infektionen, kostenintensive Regelungen im Bereich der Pflegeversicherung unverändert beizubehalten. Auf Kosten der Versicherten der Pflegeversicherung werden durch den Pflege-Rettungsschirm nicht genutzte Pflegeplätze – jedoch keine Versorgung – finanziert.

Durch die Pandemie kann es zu einer anhaltenden Veränderung der Inanspruchnahme von Pflegeeinrichtungen kommen. Diese Entwicklung kann und darf jedoch nicht dauerhaft über den Pflege-Rettungsschirm finanziert werden. Vielmehr obliegt es den Betreibern von Pflegeeinrichtungen auf die veränderten Bedingungen, z.B. durch ggf. vorübergehende Platzzahlreduzierung oder Neuverhandlung der Pflegesätze nach § 85 Abs. 7 SGB XI, zu reagieren und somit unternehmerische Eigeninitiative zu zeigen - wie dies auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Altenheim (11.2021, Seite 4) durch Hinweise für Vergütungsverhandlungen bestätigt wird.

Angesichts der insgesamt abklingenden Infektionszahlen ist im zweiten Quartal 2022 auch nur noch mit eingeschränkten Versorgungsproblemen und Belastungen für die Pflegeeinrichtungen zu rechnen. Sollte dennoch der Pflege-Rettungsschirm verlängert werden, sollte zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit allenfalls nur noch eine Erstattung der Mindereinnahmen erfolgen, die aufgrund behördlicher Anordnungen, z.B. wegen eines Corona-Ausbruchgeschehens, entstehen. Darüber hinaus sollten die Wirkungen des Pflege-Rettungsschirms transparent gemacht werden.