Stellungnahme 18. März 2022

Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 21. März 2022 zu mehreren Vorlagen für eine Impfpflicht.

Vorlagen

  • Gesetzentwurf der Abgeordneten Heike Baehrens, Dr. Janosch Dahmen, Katrin Helling-Plahr, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Dr. Till Steffen, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Dirk Wiese u.a: Entwurf eines Gesetzes zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2 (SARSCovImpfG) - Drucksache 20/899
  • Gesetzentwurf der Abgeordneten Dieter Janecek, Gyde Jensen, Konstantin Kuhle, Dr. Paula Piechotta, Kordula Schulz-Asche, Dr. Andrew Ullmann u.a: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer verpflichtenden Impfberatung für Erwachsene und einer altersbezogenen Impfpflicht ab 50 Jahren unter Vorbehalt gg. das Coronavirus SARS-CoV-2 - Drucksache 20/954
  • Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Impfvorsorgegesetz – Ein guter Schutz für unser Land - Drucksache 20/978
  • Antrag der Fraktion der AfD: Keine gesetzliche Impfpflicht gegen das COVID-19-Virus - Drucksache 20/516
  • Antrag der Abgeordneten Wolfgang Kubicki, Christine Aschenberg-Dugnus, Tabea Rößner, Jana Schimke, Dr. Gregor Gysi, Dr. Sahra Wagenknecht u.a: Impfbereitschaft ohne allgemeine Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 erhöhen - Drucksache 20/680

Allgemein

Die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung unterstützen alle geeigneten Aktivitäten, um die COVID-19-Impfquote zu erhöhen. Die COVID-19-Impfung leistet einen bedeutenden Beitrag zur Eindämmung der Pandemie: Durch die Impfung wird eine relevante Bevölkerungsimmunität in vergleichsweise kurzer Zeit ausgebildet. 

Die in den Gesetzentwürfen vorgesehene Pflicht der Krankenversicherungen, ihre Versicherten über die gesetzlichen Regelungen, die Abläufe und Beratungsangebote aktiv zu informieren, entspricht ihrem Aufklärungsauftrag. Deshalb unterstützen die privaten Krankenversicherungen die Impfkampagne der Bundesregierung.

Die Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht anhand von geeigneten Nachweisen und durch Bußgelder ist Aufgabe staatlicher Stellen. Das Vertrauen der Menschen in die Krankenversicherungen für den besonders sensiblen Gesundheitsschutz darf nicht gefährdet werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Übernahme einer Kontrollfunktion widerspricht den Aufgaben und dem Zweck einer Krankenversicherung und verletzt das Vertrauensverhältnis zum Versicherer.  

Den Impfstatus von etwa 66 Millionen volljährigen Bundesbürgern zu ermitteln, ist nicht praktikabel. Diese Daten müssten die Krankenversicherungen erst komplett neu erfassen. Hinzu kommen die Echtheitsprüfungen für die eingereichten Nachweise. Für Versicherte, die keine Nachweise einreichen, müssten die Daten an mehrere Hundert verschiedene Ordnungsämter gemeldet werden. Vorzugswürdig und eine langfristige Lösung wäre der Aufbau eines Impfregisters.

Sollte sich der Gesetzgeber dennoch für eine Umsetzung über die Krankenversicherungen entscheiden, ist es unabdingbar, dass die Regelungen rasch und effektiv umgesetzt werden können. Es darf kein „soft law“ geschaffen werden, das für Verdruss bei den rechtstreuen, geimpften Menschen führt, Impfverweigerer aber nicht spüren.

Für eine effektive Umsetzung der Impfpflicht im Rechtskreis PKV sind folgende Regelungen zwingend erforderlich:

  1. Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Clearing-Verfahren für Fälle einer doppelt vergebenen Rentenversicherungsnummer (§ 290 SGB V)
  2. Implementierung der Anzeigepflicht als unmittelbare gesetzliche Verpflichtung
  3. Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Datensammel- und Verteilplattform für die Privatversicherten
  4. Übernahme des Meldeverfahrens nach § 51 SGB XI: PKV-Unternehmen melden über den Verband an das BAS; das BAS verteilt an die von den Ländern bestimmten Stellen.

Im Detail

1. Gesetzliche Grundlage für Clearing-Verfahren für einheitliche KV-Nr und Abfrage der RV-Nr

Die Identifikation der Versicherten im gesamten Prozess soll anhand der Krankenversicherungsnummer (KV-Nr) erfolgen. Die PKV nutzt die KV-Nr bislang nicht. Es besteht zwar der Prozess, die Rentenversicherungsnummer als Grundlage bei der Rentenversicherung abzufragen. Die Informationstechnische Stelle der gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG) kann für Privatversicherte aber derzeit keine KV-Nr zuteilen. Voraussetzung hierfür ist ein clearing-Verfahren für die Fälle einer doppelt vergebenen Rentenversicherungsnummer (RV-Nr; sogenannte Mehrfachvergabe). Das clearing-Verfahren mit einem Datenaustausch zwischen GKV und PKV soll technisch ab dem 1.7.2022 zur Verfügung stehen, ab 1.10.2022 produktiv.

Derzeit fehlt hierzu die vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) geforderte gesetzliche Grundlage für das clearing-Verfahren unter Einbeziehung der PKV. Der Gesetzgeber müsste das aufgreifen, damit die ITSG als Vertrauensstelle für privat Versicherte überhaupt tätig werden kann. Die gesetzliche Grundlage ist in § 290 SGB V zu schaffen.

Hilfreich wäre auch die Möglichkeit, zumindest für einen befristeten Zeitraum die Rentenversicherungsnummer ohne Einwilligung des Versicherten abfragen zu können, analog der GKV-Regelung. Der technische Prozess hierzu und eine Vereinbarung zwischen PKV-Verband und Rentenversicherung liegen vor. Andernfalls kann der Prozess vom Versicherten aufgehalten werden, wenn der Versicherer über keine RV-Nr verfügt und der Versicherte die Einwilligung in die Abfrage einer Rentenversicherungsnummer verweigert.

2. Anzeigepflicht als unmittelbare gesetzliche Verpflichtung
Den Gesetzentwürfen zufolge sind sämtliche der Impfpflicht unterliegenden Personen verpflichtet, auf Anforderung des PKV-Unternehmens einen Nachweis über die Erfüllung der Impfpflicht oder über eine Ausnahme vorzulegen. Dies ist kritisch, da in einem Massenverfahren der Nachweis darüber, ob die Aufforderung tatsächlich eingegangen ist, nicht erbracht werden kann. Impfgegner werden sich leicht mit der Behauptung der Impfpflicht entziehen, dass sie die Anforderung nicht erhalten haben. Dies ist eine Sollbruchstelle für den Vollzug.

Darüber hinaus leuchtet es nicht ein, aus welchem Grund die gesetzlich begründete Anzeigepflicht erst auf eine Anforderung durch das PKV-Unternehmen/die gesetzliche Krankenkasse gelten soll. Auch im übrigen Recht entstehen Rechtspflichten unmittelbar aus dem Gesetz, ohne dass es einer Vollzugshandlung oder einer Information eines Privaten bedürfte.

Auf das Erfordernis der Anforderung als Voraussetzung für die Anzeigepflicht sollte verzichtet werden, auch um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Adressbestände Fehlstellen aufweisen werden, da sie für andere Zwecke erhoben wurden und nicht unbedingt die amtlichen Meldeadressen erfassen. Bei mitversicherten Personen liegt häufig nur die Adresse des Versicherungsnehmers vor. Gilt die Rechtspflicht für alle unmittelbar, kommt es darauf nicht an.

3. Prüfung der Nachweise und Übermittlung an PKV-Unternehmen aus App oder durch Apotheke – Zentrale Stelle der PKV

Die Entwürfe lassen offen, wie der Nachweis technisch aussehen soll. Hierzu besteht zwar eine Verordnungsermächtigung. Eine rechtzeitige technische Umsetzung, die bis zum 1.10.2022 für Millionen Versicherte funktioniert, setzt aber frühzeitige Klarheit über die Anforderungen voraus. Dies gilt besonders für die Fälle der bislang Ungeimpften. PKV-Unternehmen werden im Massenverfahren nicht in der Lage sein, Nachweise über Schwangerschaft oder ärztliche Bescheinigungen über eine medizinische Kontraindikation zu prüfen. Hier ist eine Standardisierung erforderlich.

Ggf. soll für die Weiterleitung aus der App an die Krankenversicherung ein zentrales Portal der ITSG genutzt werden. Schnittstellen zwischen PKV und ITSG bestehen derzeit nicht. Auch kann die KV-Nr nicht genutzt werden. Die ITSG ist derzeit nicht in der Lage, Meldungen von PKV-Versicherten entgegenzunehmen und an PKV-Unternehmen weiterzuleiten. Entsprechende Schnittstellen fehlen.

Das Gesetz sollte daher die Möglichkeit schaffen, dass die Meldung an eine von den PKV-Unternehmen benannte Zentrale Stelle erfolgen kann. Der PKV-Verband würde diese Datensammel- und -verteilplattform unter Nutzung vorhandener Schnittstellen zur Verfügung stellen.

4. Datenübermittlung an Vollzugsbehörde

Die PKV-Unternehmen/gesetzlichen Krankenkassen sollen in einem letzten Schritt die für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes nach § 54 örtlich zuständigen Behörden, in deren Bezirk die betroffene Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort begründet hat, über das Nichterfüllen der Nachweispflicht informieren. Hierzu sollen personenbezogene Angaben nach § 2 Nr. 16 Infektionsschutzgesetz übermittelt werden, die grundsätzlich unter den Berufsgeheimnisschutz nach § 206 Abs. 1 Nr. 6 Strafgesetzbuch fallen. Die PKV sieht diese Aufgabe daher nicht als solche einer Krankenversicherung an.

Unabhängig davon ist die vorgeschlagene Lösung anfällig für Vollzugsdefizite. Örtlich zuständige Behörden sind die ca. 400 Stadt- und Landkreise. Die Stadt- und Landkreise werden nicht in der Lage sein, von knapp 40 PKV-Unternehmen und knapp 100 gesetzlichen Krankenkassen entsprechende Nachweise entgegenzunehmen und dann auch weiter verfahrensmäßig bis zur Verhängung eines Bußgeldes zu bearbeiten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Pandemie, in der die für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes erforderlichen Verwaltungseinheiten bereits überlastet sind. Schließlich schafft das Gesetz selbst ein Vollzugshindernis: Zum 31.12.2023 sind die Datensätze bei den PKV-Unternehmen bzw. Krankenkassen im Zusammenhang mit der Nachweispflicht zu löschen. Rückfragen zwischen Vollzugsbehörde und PKV wären damit ausgeschlossen.

Das Meldeverfahren könnte deutlich vereinfacht werden, wenn an bestehende Verfahren angeknüpft würde. Hier bietet sich die Übernahme des Meldeverfahrens nach § 51 SGB XI für die Pflicht zur Versicherung in der Pflegeversicherung an. PKV-Unternehmen melden (über den Verband) an das BAS. Das BAS verteilt an die von den Ländern bestimmten Stellen. Dies vermeidet Schnittstellen zwischen den 40 PKV-Unternehmen und den zuständigen Landesbehörden.

5. Ablage in und Herausgabe einer ePA

Der PKV-Verband würde es sehr begrüßen, wenn perspektivisch alle relevanten Nachweise und Dokumente in die ePA eingebunden werden können, auch der Impfnachweis. PKV-Versicherte verfügen derzeit über keine ePA; geplant ist die Herausgabe ab dem 1. Quartal 2023. Die ePA kann nur genutzt werden, wenn die KV-Nr genutzt werden kann. Hier gilt das oben bereits Dargestellte.

Die PKV setzt auf die eID als Authentifikationsmittel zum Anschluss an die TI als Grundlage für eine Speicherung in der ePA. Zur Umsetzung fehlt noch die Spezifikation der eID durch die gematik, angekündigt zum 1.4.2022, und deren Umsetzung.

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