Stellungnahme 09. November 2022

In den Änderungsanträgen zum Entwurf der Bundesregierung für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) kritisieren wir insbesondere Vorschläge zur Pflege und zum Krankenhaus.

Zusammenfassung

  • Pflege: Die Verlängerung der Möglichkeit, der Sozialen Pflegeversicherung pandemiebedingt Steuermittel zu überweisen, kritisieren wir. Nach wie vor ist nicht nachvollziehbar, warum allein die Private Pflegepflichtversicherung die pandemiebedingten Mehrkosten vollständig aus Beitragsmitteln aufbringen muss. Zudem kritisieren wir, dass die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats beim BMWK nicht berücksichtigt werden.

  • Krankenhaus: Es ist nicht sachgerecht, derart komplexe Regelungsinhalte kurzfristig einzubringen. Eine öffentliche Diskussion hat dazu bislang nicht stattgefunden; auch die Anhörung wird dazu nicht den erforderlichen Rahmen bilden können. Die schnelle Einführung der tagesstationären Behandlung und der speziellen sektorenübergreifenden Vergütung ab dem Jahr 2023 ist äußerst fragwürdig, weil sich die entsprechende Struktur für Tagesbehandlungen in den Krankenhäusern und die Anpassung der Prozesse nicht so schnell werden implementieren lassen.

Zu ausgewählten Änderungsanträgen

Änderungsantrag 9 – zu Art. 8a (§ 135 Abs. 3 SGB XI)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Zuführung von Mitteln zum Pflegevorsorgefonds für das Jahr 2023 erfolgt in einer Jahresrate im Dezember 2023.

Bewertung

Um die Finanzierung der Pflege zu sichern, hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Oktober einen deutlichen Ausbau der Vorsorge gefordert – zum einen durch eine Stärkung des bestehenden staatlichen Pflegevorsorgefonds und zum anderen durch eine verpflichtende private kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung. Die Wissenschaftler mahnten, der staatliche Fonds müsse „wirksam vor einer vorzeitigen Entnahme der Mittel durch Politiker geschützt werden“. Diese Empfehlungen werden durch die die Pflegeversicherung betreffenden Änderungsanträge nicht berücksichtigt.

Zu begrüßen ist, dass auf den zunächst vorgeschlagenen Eingriff in das Sondervermögen des Pflegevorsorgefonds verzichtet wurde. Der Eingriff wäre zu Lasten der jungen Generation erfolgt, die mit dem Fonds eigentlich entlastet werden soll. Die nun vorgeschlagene Maßnahme ist freilich nicht überzeugend, da völlig offengelassen wird, woher die Mittel für den Pflegevorsorgefonds am Ende des Jahres 2023 kommen sollen. Es steht zu befürchten, dass diese über eine erhöhte Steuerfinanzierung der SPV aufgebracht werden sollen.

Wachsende Steuerzuschüsse für die Sozialversicherung sind mit Blick auf den demografischen Wandel nicht nachhaltig, sie erhöhen die implizite Verschuldung zu Lasten der jüngeren Generation und belasten den Wirtschaftsstandort Deutschland. Sie befördern eine Finanzierungsillusion und tragen dazu bei, notwendige Strukturreformen zu verschleppen. Sie unterminieren die Beziehung von Beiträgen und Leistungen und führen die Sozialversicherung in immer größere Abhängigkeit vom Bundeshaushalt. Wachsende Steuerzuschüsse in die Sozialversicherung gefährden die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Sie erhöhen die Schuldenaufnahme und führen zu zukünftigen Steuererhöhungen. Ein Gutachten der Professoren Thüsing und Waldhoff stützt zudem verfassungsrechtlich die Position, dass ein Steuerzuschuss für die SPV allein der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen dienen dürfe und dabei verfassungsrechtlich das Gebot der Gleichbehandlung von SPV und PPV zu beachten sei.

Änderungsantrag 13 - Zu Artikel 2 Nummer 1a (§ 4a KHEntgG)

Vorgeschlagene Regelungen

Zur Sicherstellung und Förderung der Kinder- und Jugendmedizin wird jeweils für die Jahre 2023 und 2024 ein Erlösvolumen für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen garantiert, das sich unter prozentualer Erhöhung am Erlösvolumen des Jahres 2019 orientiert. Zur Auszahlung des erhöhten krankenhausindividuellen Erlösvolumens wird auf die nach DRG abgerechneten Fälle von Kindern und Jugendlichen, die zum Tag der Aufnahme in das Krankenhaus über 28 Tage und unter 16 Jahren alt sind, ein bundeseinheitlicher Zuschlag jeweils für 2023 und 2024 erhoben. Sofern ein Krankenhaus jeweils für die Jahre 2023 und 2024 ein niedrigeres Erlösvolumen erwirtschaftet als auf Basis des Erlösvolumens des Jahres 2019 ermittelt, werden die Mindererlöse bei einer Unterschreitung des ermittelten Erlösvolumens von bis zu 20 Prozent vollständig ausgeglichen.

Bewertung

Die finanzielle Unterstützung für Krankenhäuser, die Patientinnen und Patienten im Alter von über 28 Tagen und unter 16 Jahren stationär versorgen, soll auf Basis einer Erlösfortschreibung erfolgen. Damit kommt die Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip auch denjenigen Einrichtungen zugute, die auskömmlich wirtschaften. Folglich kann es bei dieser Form der Förderung zu einer Fehlallokation von Mitteln kommen. Fragwürdig ist zudem, dass im Rahmen der im Grunde zu begrüßenden Förderung der Pädiatrie keine Strukturveränderung und keine qualitativen (Mindest-)Anforderungen als Voraussetzung für eine zusätzliche leistungsunabhängige Förderung vorgesehen sind.

Änderungsantrag 14 - Zu Artikel 2 Nummer 1a (§ 5 Abs. 2b und 2c KHEntgG)

Vorgeschlagene Regelungen

Für die geburtshilfliche Versorgung in Krankenhäusern werden leistungsunabhängig zusätzliche finanzielle Mittel für die Jahre 2023 und 2024 zur Verfügung gestellt. Von der Förderung profitieren Krankenhausstandorte, die über eine Fachabteilung für Geburtshilfe oder über eine Fachabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe verfügen. Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde legt jeweils die Höhe eines standortindividuellen Förderbetrags fest. Die Gesamtsumme der zusätzlichen finanziellen Förderung in Höhe von 120 Millionen Euro wird nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder aufgeteilt. Der vom Land festgelegte standortindividuelle Förderbetrag je Krankenhaus wird fallbezogen durch einen Zuschlag gegenüber den Patientinnen oder Patienten oder deren Kostenträgern abgerechnet.

Bewertung

Die Finanzierung von Vorhaltekosten der Geburtshilfen durch eine leistungsunabhängige Förderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher (auch) über Steuermittel und nicht nur über die Beitragszahler zu finanzieren. Auch die Regierungskommission hat in ihrer Stellungnahme die „gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen“ betont und darauf hingewiesen, dass eine Finanzierung durch Bundesmittel oder eine Mischfinanzierung in Betracht kommt. Die einseitige Belastung der Beitragszahler ist nicht akzeptabel.

Änderungsantrag 15 – zu Art. 1 Nr. 1a (§§ 115e, 115f SGB V – Einführung Krankenhaustagesbehandlung, spezielle sektorengleiche Vergütung)

Vorgeschlagene Regelungen

Zugelassene Krankenhäuser können in medizinisch geeigneten Fällen, wenn eine Indikation für eine stationäre somatische Behandlung vorliegt, mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten anstelle einer vollstationären Behandlung eine tagesstationäre Behandlung mit einer täglich mindestens sechsstündigen ärztlichen oder pflegerischen Behandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus erbringen. Die Abrechnung der tagesstationären Behandlung erfolgt mit den Entgelten für vollstationäre Krankenhausleistungen, die für alle Benutzerinnen und Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen sind. Für die nicht anfallenden Übernachtungskosten ist pauschal ein Abzug von den für den vollstationären Aufenthalt insgesamt berechneten Entgelten vorzunehmen, der 0,04 Bewertungsrelationen je betreffender Nacht entspricht, wobei der Abzug einen Anteil von 30 Prozent der Entgelte für den Aufenthalt insgesamt nicht überschreiten darf. Ambulante Behandlungen unter sechs Stunden werden nicht als Tagesbehandlung vergütet, sondern sind entsprechend der Systematik des § 39 SGB V als ambulante Behandlung abzurechnen. Zudem gilt der Vorrang der ambulanten Behandlung in allen Fällen, in den der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) Abrechnungsmöglichkeiten für die Behandlung von mehr als sechs Stunden vorsieht. Leistungen, die bisher ambulant im Krankenhaus erbracht werden und nach dem EBM vergütet werden können bzw. durch auf regionaler oder lokaler Ebene vereinbarte Pauschalen, dürfen nicht als tagesstationäre Leistung abgerechnet werden. Die Grenzverweildauern finden gleiche Anwendung wie bei Behandlung mit Übernachtung. Tage, an denen der Patient oder die Patientin nicht im Krankenhaus war, werden bei der Ermittlung der Verweildauer und der Vergütung nicht berücksichtigt. Die Entscheidung, in welchen medizinischen Fällen eine tagesstationäre Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung möglich ist, obliegt den behandelnden Ärztinnen und Ärzten; die medizinische Geeignetheit der tagesstationären Behandlung kann nicht von den Kostenträgern geprüft werden.

Durch die Einführung einer speziellen sektorengleichen Vergütung für Leistungskomplexe des ambulanten Operierens nach § 115b SGB V, die grundsätzlich ambulant erbracht und nach dem EBM vergütet werden, für die im Einzelfall jedoch eine stationäre Leistungserbringung und -abrechnung nicht ausgeschlossen ist, sollen die getrennten ambulanten und stationären Vergütungssysteme ein Stück weit harmonisiert werden. Durch die Inbezugnahme der häufigsten stationär erbrachten Leistungen des Katalogs nach § 115b SGB V soll der finanzielle Anreiz für eine ambulante Leistungserbringung erhöht und der vertragsärztliche Bereich im Verhältnis zum stationären Sektor gestärkt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Einführung einer speziellen sektorengleichen Vergütung einschließlich der Vergütung zu regeln.

Bewertung

Der Regelungsinhalt ist überaus komplex; es ist nicht sachgerecht, den Vorschlag derart kurzfristig fachfremd in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Eine öffentliche Diskussion hat dazu bislang nicht stattgefunden; auch die Anhörung wird dazu nicht den erforderlichen Rahmen bilden können.

Die schnelle Einführung der tagesstationären Behandlung und der speziellen sektorenübergreifenden Vergütung ab dem Jahr 2023 ist äußerst fragwürdig, weil sich die entsprechende Struktur für Tagesbehandlungen in den Krankenhäusern und die Anpassung der Prozesse nicht so schnell werden implementieren lassen.

Insbesondere angesichts der angespannten finanziellen Situation der Krankenhäuser ist damit zu rechnen, dass in der Praxis – entgegen dem Gesetzeszweck – in die Entscheidung über die Durchführung einer tagesstationären Behandlung anstelle der vollstationären Versorgung neben medizinischen und sozialen Kriterien auch wirtschaftliche Überlegungen einfließen werden, z.B. im Hinblick auf Wahlleistungspatienten. Daher sollte die Vorschrift des § 115e SGB V geeignete Regelungen zu Vorkehrungen gegen wirtschaftlich induzierte Behandlungsentscheidungen im Krankenhaus enthalten, was bisher allerdings fehlt. Auch sollten die Kostenträger das Recht erhalten, die medizinische Geeignetheit einer tagesstationären Behandlung prüfen zu können.

Zu beanstanden ist überdies, dass in § 115e Abs. 1 SGB V zugunsten der GKV geregelt ist, dass die auf Basis des EBM vergüteten ambulanten Behandlungsformen nicht durch die neue tagesstationäre Behandlung verdrängt werden dürfen, eine entsprechende Regelung für Privatversicherte indes fehlt, obwohl im Bereich der PKV der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gleichermaßen gilt, was auch wiederholt gerichtlich bestätigt wurde. Werden etwa im AOP-Katalog enthaltene Leistungen gegenüber Privatversicherten erbracht, muss ebenfalls sichergestellt sein, dass diese Leistungen grds. ambulant abgerechnet und nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen als tagesstationäre Behandlung ausgewiesen werden. Es bedarf mithin im Gesetzestext einer Ergänzung dahingehend, dass bisher für Versicherte der Privaten Krankenversicherung ambulant im Krankenhaus erbrachte Leistungen nicht künftig als tagesstationäre Leistung abgerechnet werden können. 

Positiv ist dagegen zu bewerten, dass die Grenzverweildauern gleiche Anwendung wie bei Behandlung mit Übernachtung finden und Tage, an denen der Patient oder die Patientin nicht im Krankenhaus war, bei der Vergütung nicht berücksichtigt werden.   

Hinsichtlich der separaten sektorenübergreifenden Vergütung gem. § 115f SGB V wird dringend gefordert, dass in § 115f Abs. 2 SGB V geregelt wird, dass das BMG durch Rechtsverordnung das Nähere zu einer für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnenden speziellen sektorengleichen Vergütung regelt. Denn gem. § 115f Abs. 1 SGB V soll die spezielle sektorengleiche Vergütung für diejenigen Leistungen des AOP-Katalogs nach § 115b SGB V gelten, die bislang überwiegend stationär erbracht und abgerechnet wurden. Da es sich also der Art nach um stationäre Leistungen handelt, muss der in § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG geregelte Grundsatz der Einheitlichkeit der Entgelte zur Anwendung kommen mit der Konsequenz, dass die vom BMG festgelegte sektorenübergreifende Versorgung auch bei der Behandlung von Privatversicherten gilt. Dies sollte im Gesetzestext unmissverständlich klargestellt werden, zumal gem. § 115f Abs. 3 SGB V die für den Bericht erforderlichen Daten auch von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung übermittelt werden sollen.  Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Entgelte im Krankenhaus gehört die Regelung zudem ins Krankenhausentgeltrecht.

Änderungsantrag 16 – zu Art. 8a (§ 153 SGB XI – Verlängerung der Geltung)   

Vorgeschlagene Regelungen

Angesichts der anhaltend schwierigen Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung wird die Möglichkeit einer Zuschussgewährung des Bundes zur Erstattung pandemiebedingter Kosten um ein Jahr verlängert.

Bewertung

Die Finanzierung der pandemiebedingten Zusatzkosten in der Pflege sollte auch aus Sicht der PKV aus Steuermitteln finanziert werden.  Nach wie vor ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum allein die PPV die Mehrkosten vollständig aus Beitragsmitteln aufbringen muss. Diese Ungleichbehandlung ist nicht zu rechtfertigen.

An der Finanzierung des Pflege-Rettungsschirms muss sich die PPV mit 7% ­- entsprechend dem Anteil der Pflegebedürftigen - beteiligen. Bei der Finanzierung der Einnahmeausfälle der Pflegeeinrichtungen, für die ein Teil dieser Mittel eingesetzt wird, ist noch nicht einmal zu erkennen, dass sie der pflegerischen Versorgung dienen. Sie verhindert möglicherweise einen Bankrott einzelner Einrichtungen, aber sie verhindert auch, dass die knappen Pflegeressourcen dort eingesetzt werden, wo eine Nachfrage besteht. Das Programm weist damit eher den Charakter einer Subvention auf. Warum die Privatversicherten ihren Finanzierungsanteil aus eigenen Mitteln finanzieren müssen, ist nicht nachvollziehbar.

Da die Privatversicherten außerdem die Steuermittel, die die SPV erhält, mit aufbringen müssen, handelt sich um eine klassische Doppelbelastung für den gleichen Zweck, die verfassungsrechtlich nicht haltbar ist.

II. ZU AUSGEWÄHLTEN REGELUNGEN DES GESETZENTWURFS

Zu Art. 1 Nr. 3 (§ 137l SGB V – Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus)

Vorgeschlagene Regelungen

Das BMG erlässt bis zum 30. November 2023 durch Rechtsverordnung als Übergangsinstrument Vorgaben zur Ermittlung und Festlegung des Pflegepersonalbedarfs in der Versorgung von Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen auf somatischen bettenführenden Stationen zugelassener Krankenhäuser. Die Vorgaben des BMG sollen unter Berücksichtigung einer repräsentativen Erprobung des Konzepts der PPR 2.0 bzw. Kinder-PPR 2.0 sowie eines diesbezüglichen Abschlussberichts des/der mit der Erprobung beauftragten Einrichtung/Sachverständigen ausgestaltet werden.

Bewertung

Um den demografischen und sonstigen Herausforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden, bedarf es u.a. einer Modernisierung und besseren Digitalisierung der Krankenhäuser. Dies wird nicht zuletzt auch von den im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegerinnen und Pfleger angemahnt. Daher ist es für die beabsichtigten Vorgaben zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus gemäß dem Konzept der PPR 2.0 bzw. Kinder-PPR 2.0, falls der Gesetzgeber daran festhalten möchte, von essenzieller Bedeutung, dass diese in einen digitalen Betriebsprozess im Krankenhaus integriert werden. Hierzu sollte die Personalbemessung aus einer digital verfügbaren (Routine-)Dokumentation generiert werden können. Nur so kann verhindert werden, dass sich die Anforderungen zur Personalbemessung zu einer unverhältnismäßigen bürokratischen Belastung entwickeln, zumal – zumindest für eine gewisse Übergangszeit – weiterhin auch die gesetzlichen Anforderungen zu den Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) im Krankenhaus zu erfüllen sind. Die vom BMG vorgelegten Eckpunkte zur Umsetzung der PPR 2.0 erwähnen – überraschend – nicht die Notwendigkeit einer digitalen Umsetzung; umso wichtiger erscheint nun, im Rahmen der Erprobungsphase auf arbeitsentlastende digitale Prozesse zu setzen.

Zu Art. 1 Nr. 8 (§ 275d Abs. 1a SGB V – Abrechnung auch ohne vorherige Prüfung von Strukturmerkmalen durch den Medizinischen Dienst)

Vorgeschlagene Regelungen

Vorgesehen ist eine Ausnahmeregelung, der zufolge Krankenhäuser in bestimmten Fällen Leistungen abrechnen können, bevor der Medizinische Dienst (MD) die Einhaltung von Strukturmerkmalen auf Grund des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) begutachtet hat. Die Ausnahmeregelung ist erforderlich, damit die Krankenhäuser übergangsweise Leistungen abrechnen können, die sie auf der Grundlage erstmals vergütungsrelevanter OPS-Schlüssel erbringen. Die Ausnahmeregelung greift ferner, wenn Krankenhäuser Leistungen erstmals oder nach einer längeren Unterbrechung erneut erbringen wollen. Voraussetzung für die Abrechnung ist stets, dass die Einhaltung der Strukturmerkmale bis zum 31. Dezember des jeweiligen Vorjahres beim zuständigen MD und bei den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen angezeigt wird.

Bewertung

Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 KHEntgG dürfen Krankenhäuser keine Entgelte abrechnen, wenn die Prüfung nach § 275d SGB V ergibt, dass die für die Leistungserbringung maßgeblichen Strukturmerkmale nicht erfüllt sind. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Entgelte gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG gilt dieses Abrechnungsverbot gleichermaßen für GKV- und PKV-Patienten. Praktisch erfolgt der Nachweis der Erfüllung der Strukturmerkmale und damit der Abrechnungsmöglichkeit dergestalt, dass der MD die Einhaltung von Strukturmerkmalen prüft und dem Krankenhaus über das Ergebnis eine Bescheinigung ausstellt, die seitens des Krankenhauses den Pflegesatzparteien vor Ort übermittelt wird, die das Ergebnis im Rahmen der Pflegesatzvereinbarung berücksichtigen. Da die PKV die Pflegesatzvereinbarungen erhält, hat auch sie Kenntnis über die jeweils erfüllten Strukturmerkmale.

In der vorgesehenen Ausnahmeregelung gem. § 275d Abs. 1a SGB V ist nun allerdings festgelegt, dass nur die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, nicht aber der Landesausschuss des Verbandes der Privaten Krankenversicherung über die Einhaltung der Strukturmerkmale und damit die Zulässigkeit einer übergangsweisen Abrechnung auf Grundlage vergütungsrelevanter OPS-Schlüssel ohne MD-Prüfung informiert werden. Mithin besteht eine erhebliche Informationslücke zu Lasten der PKV, schließlich müssen auch die PKV-Unternehmen wissen, ob die Ausnahmeregelung des § 275d Abs. 1a SGB V greift.        

Daher wird vorgeschlagen, in § 275d Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 Nr. 1 SGB V zu ergänzen, dass die Anzeige auch an den Landesausschuss des Verbandes der Privaten Krankenversicherung zu erfolgen hat.

Zu Art. 1 Nr. 11 d (Terminverschiebungen digitale Identität - § 291 Abs. 8 SGB V)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Frist für die Einführung einer sicheren digitalen Identität in Ergänzung bzw. als vollwertige Alternative zur eGK für die GKV wird auf Anfang 2024 verschoben.

Bewertung

U. a. infolge ungelöster datenschutzrechtlicher Probleme und Engpässen bei der gematik GmbH werden gegenüber dem Referentenentwurf im Kabinettentwurf wichtige Fristen um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben. Das von der Bundesregierung im Rahmen der Digitalisierungsstrategie formulierte ehrgeizige Ziel wird damit ad absurdum geführt. Diese Verschiebungen haben immense Auswirkungen auf die Planung, Entwicklung und Finanzierung auf IT-Projekte zur Einführung der ePA, in der die digitale Identität das Kernelement des Gelingens darstellt. Von Seiten des Gesetzgebers sollte alles dafür getan werden, die ursprünglich benannten Fristen im Gesetz zu belassen und dafür Sorge zu tragen, die vorhandenen datenschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen und die erforderlichen technischen Festlegungen geschaffen werden.

Es ist dringend erforderlich, die bestehende al.vi-Lösung zumindest solange bestehen zu lassen, bis eine rechtsichere und funktionsfähige Nachfolgelösung zur Identitätsfeststellung gefunden wurde, die aus Verbrauchersicht anwenderfreundlich ist und eine ebenso hohe Akzeptanz bei den Nutzern hat. Die kurzfristige gesetzliche Abschaffung des al.vi-Verfahrens ohne Verfügbarkeit einer praktikablen Alternative würde einer zügigen Akzeptanz der ePA und deren Nutzung entgegenstehen. Ihr Abschalten würde die begonnenen Schritte in Richtung Digitalisierung abrupt stoppen und das Gesamtprojekt in Frage stellen.

Zu Art. 1 Nr. 16 (Fristenverschiebung zur Ermöglichung digitaler Identitäten bei der gematik - § 312 Abs. 1 Nr. 8 SGBV)

Vorgeschlagene Regelung

Die Frist für die Durchführung erforderlicher Maßnahmen, die für eine digitale Identität erforderlich sind, wird im Kabinettsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf um ein Jahr vom 01.04.2022 auf den 01.04.2023 verschoben.

Bewertung

Zur Bewertung wird auf vorstehende Anmerkung zu § 291 Abs. 8 SGB V verwiesen. Es ist in der Sache nicht zielführend, wenn Fristen immer weiter verschoben werden und so der Handlungsdruck für die Beteiligten sinkt.  

Zu Art. 1 Nr. 19 c (Zugriffsrechte der Versicherten - §336 Abs. 8 SGB V)

Vorgeschlagene Regelung

Neu aufgenommen wurde in den Kabinettentwurf eine Regelung, nach der im Monat des Inkrafttretens des Gesetzes die gematik im Benehmen mit dem BFDI und dem BSI die erforderlichen technischen Vorgaben für die Identifizierung der Versicherten festzulegen habe.

Bewertung

Die Ergänzung wird begrüßt.

Zu Art. 1 Nr. 22 (Terminverschiebungen diverser ePA-Funktionalitäten - § 342 Abs. 2 SGB V)

Vorgeschlagene Regelungen

Bei diversen Funktionalitäten der ePA werden Terminverschiebungen vorgesehen.

Bewertung

Es fällt auf, dass nicht mehr wie zuvor ein Termin für den Start mehrerer ePA-Funktionalitäten festgelegt wurde, sondern individuelle sowie zum Teil auch nicht quartalsgebundene Termine vorgesehen werden. Da es nach den Erfahrungen des Roll-Outs der bisherigen ePA-Versionen bekannt ist, dass es in der Praxis ohnehin schon schwierig ist, neue ePA-Versionen insbesondere bei den Komponenten der Leistungserbringerumgebung zu implementieren, sollten die neu gesetzten Termine mit der Releaseplanung der ePA und deren Komponenten korrespondieren. Insbesondere eine Orientierung an Quartalszyklen sollte gegeben sein.

Art. 1 Nr. 27 Buchstabe e (E-Rezept - § 360 Abs. 13 SGB V, § 361a SGB V)

Vorgeschlagene Regelung

Um ggf. vorliegende Fehler in den Rechnungs- oder Dispensierdaten zu einem eingelösten Rezept bzw. einer Verordnung digitaler Anwendungen (DiGA) korrigieren zu können, wird für Versicherte die Möglichkeit geschaffen, bei elektronischen Rezepten, die nicht dem Sachleistungsprinzip unterliegen (z.B. Privatrezepte), Rechnungs- oder Dispensierdaten entsprechender Rezepte mit dem Leistungserbringer, z.B. Arzt, Apotheke, oder dem DiGA- Anbieter zu teilen, der die Verordnung im Vorfeld erstellt hat bzw. bei dem die entsprechende Verordnung eingelöst wurde.

Durch die TI authentifizierte Berechtigte sollen mit eigenen Mehrwertangeboten den Nutzen der elektronischen Verordnung für die Versicherten noch vergrößern können. Zu diesem Zweck werden Schnittstellen benötigt, die gleichsam als Bindeglied zwischen den Produkten der Berechtigten einerseits und den Komponenten und Diensten der sicheren TI andererseits dienen. Mit dem neuen § 361a SGB V werden die Schnittstellen des E-Rezept-Fachdienstes für die elektronischen Produkte der Berechtigten geregelt.

Bewertung

Die hierdurch für Versicherte geschaffene Prozessvereinfachung bei der Korrektur vorliegender Fehler bei den Rechnungs- oder Dispensierdaten wird begrüßt. Des Weiteren begrüßt wird die Neuaufnahme von § 361a SGB V, der die einwilligungsbasierte Übermittlung von E-Rezept-Daten an durch die TI authentifizierte Berechtigte mit dem Ziel ermöglicht, dass diese mit eigenen Mehrwertangeboten den Nutzen des E-Rezeptes für die Versicherten vergrößern können. In Bezug auf die in § 361a Abs. 1 Nummer 3 SGB V für Unternehmen der privaten Krankenversicherung genannten Szenarien der Datennutzung sind zudem folgende Ergänzungen erforderlich: Zum einen sollte für die Nutzung zu Abrechnungszwecken klargestellt werden, dass die in § 361a Abs. 1 SGB V benannten „Daten aus elektronischen Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“ auch die von den abgebenden Leistungserbringern eingestellten Rechnungsdaten nach § 360 Abs. 14 SGB V umfassen.

Zu Art. 2 Nr. 4 (§ 11 Abs. 3, 4 und 6 KHEntgG – Pflegesatzverhandlungen und Tätigwerden der Schiedsstelle)

Vorgeschlagene Regelungen

Die Budgetverhandlungen sollen zeitlich gestrafft und besser strukturiert werden. Werden seitens des Krankenhauses für die Budgetverhandlung benötigte Unterlagen nicht fristgemäß vorgelegt bzw. Auskünfte nicht fristgerecht erteilt, greift ein Rechnungsabschlag von 1 Prozent des Rechnungsbetrages. Unter bestimmten Voraussetzungen entscheidet die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG ohne vorherigen Antrag.

Bewertung

§ 18 Abs. 3 KHG legt für Pflegesatzvereinbarungen den Prospektivitätsgrundsatz fest. Demnach soll die Pflegesatzvereinbarung „nur für zukünftige Zeiträume“ getroffen werden. Diese Vorgabe hat mittlerweile den Charakter einer unverbindlichen Wunschvorstellung angenommen, werden doch nahezu alle Pflegesätze im Verlauf des neuen Pflegesatzzeitraums oder häufig sogar erst (Jahre) nach dem Ablauf des betreffenden Pflegesatzzeitraums vereinbart bzw. festgelegt. Die beabsichtigten Neuregelungen dürften in der Praxis zwar nichts daran ändern, dass Pflegesatzvereinbarungen in der Regel nicht prospektiv geschlossen werden, aber voraussichtlich werden sie dazu beitragen, dass die Pflegesätze und sonstigen Vertragsinhalte zumindest im ersten Halbjahr des betreffenden Pflegesatzzeitraums vereinbart bzw. festgesetzt werden. Hierdurch bleibt der Zeitraum der Rückwirkung überschaubar und die Verhandlungen auf Ortsebene werden insgesamt gestrafft. Letztlich kann die vorgesehene Dynamisierung des Verhandlungsgeschehens als weiteres Instrument zur Stärkung der Liquidität der Krankenhäuser angesehen werden.

Mit entsprechenden Fristvorgaben für die Krankenhäuser zur Unterlagen- bzw. Auskunftserteilung soll sichergestellt werden, dass im weiteren Verfahren keine weiteren Unterlagen oder Auskünfte mehr angefordert oder vorgelegt bzw. erteilt werden dürfen. Diese Regelung erscheint im Hinblick auf die intendierte grundsätzliche Beschleunigung des Verhandlungsgeschehens zielführend, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass sich in Einzelfällen die Frage des ausreichenden rechtlichen Gehörs z.B. im Rahmen eines Schiedsstellenverfahrens stellen kann.

In diesem Zusammenhang ist es durchaus zu begrüßen, dass der Gesetzentwurf einen Rechnungsabschlag von 1 Prozent des Rechnungsbetrages für diejenigen Krankenhäuser vorsieht, die bis Ende November des vorausgehenden Jahres die gesetzlich genannten Unterlagen bzw. binnen sechs Wochen die angeforderten weiteren Unterlagen oder Auskünfte nicht vorlegen. Zur Vermeidung von Informationslücken sollte in § 11 Abs. 4 KHEntgG am Ende geregelt werden, dass der Landesausschuss des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, der sich gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 KHG am Pflegesatzverfahren beteiligen kann, über einen vereinbarten und landesbehördlich genehmigten Rechnungsabschlag stets in Kenntnis gesetzt wird. 

Es ist zu erwarten, dass es im Zuge der Neuregelungen zumindest vorübergehend zu einer Ausweitung der Tätigkeit der Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG, deren Mitglied auch der Landesausschuss des Verbandes der Privaten Krankenversicherung ist, kommen wird, zumal nunmehr die Schiedsstelle unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne vorherigen Antrag tätig werden muss. Aufgrund der Erfahrungen mit Schiedsstellenverfahren in den letzten Jahren halten wir die Bewältigung des möglichen gesteigerten Arbeitsaufkommens für herausfordernd.

Zu Art. 7 (§ 17 Abs. 4 Satz 2 IRegG – Clearing)

Vorgeschlagene Regelung

Es ist vorgesehen, dass § 17 Abs. 4 Satz 2 IRegG dahingehend ergänzt wird, dass zusätzlich zu den bereits entsprechend anwendbaren Vorgaben für die Vergabe einer Krankenversichertennummer (KVNR) im Bereich der TI (§ 362 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V künftig auch § 290 Abs. 3 Satz 5 SGB V entsprechend gilt, wenn PKV-Unternehmen die KVNR für ihre Versicherten im Anwendungsbereich des IRegG bereitstellen.

Bewertung

Durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16.09.2022 (BGBl I Nr. 32) wurde die zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Sozialdaten an die in § 362 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Unternehmen der privaten Krankenversicherung, die Postbeamtenkrankenkasse, die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, die Bundespolizei oder die Bundeswehr zur Durchführung des sog. Clearing-Verfahrens nach § 290 Abs. 3 Satz 3 SGB V und Kapitel 7 der Richtlinie zum Aufbau und zur Vergabe einer Krankenversichertennummer und Regelungen des Krankenversichertennummernverzeichnisses nach § 290 SGB V geschaffen. Das Clearing-Verfahren dient der Sicherstellung der sogenannten Eineindeutigkeit der KVNR und soll Mehrfachvergaben des unveränderbaren Teils der Krankenversichertennummer ausschließen. Die KVNR ist bei Privatversicherten nicht nur für den Zugang zur und die Nutzung der Services der TI erforderlich, sondern auch im Anwendungsbereich des IRegG. Die PKV-Unternehmen sind verpflichtet, die KVNR nach § 17 Abs. 4 Satz 1 IRegG für ihre Versicherten bereitzustellen und für die vorgesehenen Meldungen zum Implantateregister zu nutzen (§ 17 Abs. 2, 3 IRegG). Die im vorliegenden Entwurf vorgenommene Ergänzung des § 17 Abs. 4 Satz 2 IRegG stellt die erforderliche datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage, die der GKV ein systemübergreifendes Clearing auf der Basis der Richtlinie gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V auch im Anwendungsbereich des IRegG klar und wird daher begrüßt.

Spiegelbildlich zur GKV erscheint es darüber hinaus – ungeachtet des Umstandes, dass die PKV bei der Vergabe der KVNR gemäß § 362 Abs. 2 SGB V der Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V unterliegt, so dass eine rechtliche Verpflichtung zur dauerhaften Teilnahme am Clearing und die entsprechenden Datenverarbeitungsbefugnisse für die PKV bereits angelegt sind – wünschenswert, dass auch die Datenübermittlungsbefugnisse von den PKV-Unternehmen samt Beihilfeträgern sowie die Datenverarbeitungsbefugnisse zwischen den PKV-Unternehmen bzw. Beihilfeträgern für das KVNR-Clearing gesetzlich klargestellt werden.

Es sollte daher klarstellend bzw. bestätigend (bspw. in § 362 Abs. 2 SGB V) geregelt werden, dass die in § 362 Abs. 2 Satz 1 genannten Stellen befugt sind, die Daten ihrer Versicherten zu verarbeiten, soweit dies für das dauerhafte Clearing-Verfahren zum Abgleich des tagesaktuellen Standes des KVNR-Verzeichnisses gemäß den Richtlinien nach § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V erforderlich ist.

III. WEITERER GESETZLICHER ANPASSUNGSBEDARF

Berücksichtigung der PKV bei der Verwendung von Verordnungen und Überweisungen in elektronischer Form (§§ 86, 86a SGB V)

Nach diesen Vorschriften vereinbart die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) als Bestandteil der Bundesmantelverträge notwendige Regelungen für die Verwendung von Verordnungen und Überweisungen in elektronischer Form. Dies umfasst in der praktischen Umsetzung eine Zertifizierung der Umsetzung der getroffenen Regelungen für die Verwendung der digitalen Muster und Primärsysteme. Um die PKV-Spezifika in der TI abbilden zu können, ist deren Prüfung / Zertifizierung durch die KBV im Zertifizierungsverfahren erforderlich. Um zukünftig im gleichen Sinne auch die PKV-spezifischen Formulare für Rezepte und Überweisungen digital zu standardisieren und deren Eignung für die Verwendung über die TI festzulegen, ist für den PKV-Verband grundsätzlich eine analoge gesetzliche Regelungsbefugnis erforderlich; zumindest wäre es jedoch im Sinne einer vollumfänglichen und durch die Industrie umsetzbaren Digitalisierung des Gesundheitswesens unabdingbar, dass die KBV verpflichtet wird, nicht nur die Erfordernisse der GKV, sondern auch die Belange weiterer Kostenträger (inkl. Beihilfe) bei der Festlegung der Anforderungen und der erforderlichen Zertifizierung zu berücksichtigen.

Daher sollte eine gesetzliche Vereinbarungskompetenz für die KBV und den PKV-Verband zur Festlegung notwendiger Regelungen für die Gestaltung und Verwendung von Verordnungen und Überweisungen in elektronischer Form geschaffen werden. Hilfsweise könnte die KBV zur Berücksichtigung der Erfordernisse weiterer Kostenträger bei der Festlegung von Anforderungen an die Muster und Primärsysteme und deren Zertifizierung verpflichtet werden.

Vergabe der Rentenversicherungsnummer / Generierung der Krankenversichertennummer (§ 290 SGB V)

Nach § 362 Abs. 2 SGB V können die PKV-Unternehmen für den Einsatz von elektronischen Gesundheitskarten (eGK) und die Nutzung einer digitalen Identität den unveränderbaren Teil der KVNR nutzen. (Technische) Voraussetzung für die Nutzung der Anwendungen der TI durch die Privatversicherten ist die Vergabe einer Krankenversichertennummer (KVNR) nach § 290 SGB V. Das Vorliegen einer eineindeutigen KVNR ist bei Privatversicherten darüber hinaus auch für die verpflichtenden Meldungen nach dem Implantateregistergesetz (IRegG) unabdingbar.

Die Generierung der KVNR erfolgt auf der Grundlage der Rentenversicherungsnummer (RVNR) des Versicherten nach den Richtlinien gemäß § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Für die Ermittlung der RVNR sowie für die Bildung und das Clearing der KVNR durch die – insofern einheitlich für die GKV und die PKV zuständige – Vertrauensstelle ist es erforderlich, dass die Privatversicherten die zu ihrer Identifikation erforderlichen Daten (insb. Name, Vorname(n) einschließlich etwaiger Titel, Vorsatzwörter, Geschlecht, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort und Geburtsland, Staatsangehörigkeit) zur Verfügung stellen.

Um den PKV-Versicherten die Nutzung der seitens der PKV-Unternehmen nach aktueller Rechtslage freiwillig angebotenen TI-Services zu ermöglichen, bedarf es der (aktiven) Mitwirkung der Versicherten. Erteilen diese die erforderliche Einwilligung für die notwendigen Datenverarbeitungen bei der Bildung der KVNR und ggf. der RVNR nicht und stellen die in diesem Zusammenhang erforderlichen Daten nicht zur Verfügung, kann die KVNR für diese Personen nicht gebildet werden und dem Versicherten kann der Zugang zu den TI-Services, u.a. zur ePA, nicht ermöglicht werden. Dies erlangt besondere Relevanz, sobald auch für die PKV-Versicherten die ePA obligatorisch wird, wie dies im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vorgesehen ist (sog. „opt-out“). Ohne eine entsprechende einwilligungsunabhängige Verarbeitungsbefugnis sowie die Sicherstellung der Mitwirkung der Versicherten könnten die PKV-Unternehmen einer Verpflichtung nicht nachkommen, jedem PKV-Versicherten eine ePA mit opt-out-Option zur Verfügung zu stellen – das politische opt-out-Ziel und insoweit die Versorgung eines nennenswerten Teils der deutschen Bevölkerung mit ePA würde mithin durch praktische Hindernisse konterkariert.

Unabhängig von der Verwendung der KVNR für die nach aktueller Rechtlage freiwillige Nutzung der TI-Services sind die PKV-Unternehmen nach § 17 Abs. 3 IRegG verpflichtet, Meldungen zum Implantateregister unter Nutzung des unveränderbaren Teils der KVNR vorzunehmen und den Versicherten den unveränderbaren Teil der KVNR zur Verfügung zu stellen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 IRegG). Diese gesetzlichen Verpflichtungen der Versicherungsunternehmen und die damit einhergehenden einwilligungsunabhängigen Datenverarbeitungsbefugnisse knüpfen tatbestandlich an das Vorliegen einer implantatbezogenen Maßnahme an. Vor diesem Zeitpunkt bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung sowie der freiwilligen Mitwirkung des Versicherten. Liegen dem Versicherungsunternehmen die KVNR und/oder die für die Bildung und das Clearing der KVNR und ggf. der RVNR erforderlichen Daten im Zeitpunkt der Implantation nicht vor (z.B. bei ungeplanten Implantationen) bzw. weigert sich der Versicherte, die erforderlichen Daten bei Vorliegen einer implantatbezogenen Maßnahme zur Verfügung zu stellen oder ist hierzu nicht in der Lage, ist es dem betreffenden Versicherungsunternehmen faktisch nicht möglich, seine Verpflichtungen nach dem IRegG zu erfüllen. Darüber hinaus droht den die Implantation vornehmenden Kliniken nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 IRegG ein Vergütungsausschluss, sollte die KVNR nicht für die den Klinken obliegenden Meldepflichten innerhalb der maßgeblichen 6-Monats-Frist zur Verfügung gestellt werden können. Dabei ist zu beachten, dass es neben der Fallgruppe der verweigerten Mitwirkung des Versicherten in der Praxis insbesondere bei ungeplanten Implantationen zu erheblichen Zeitaufwänden für die ggf. erforderliche Einholung bzw. Vervollständigung der notwendigen Daten sowie für die Bildung der RVNR durch die Deutsche Rentenversicherung (Bund) (DRV) und / oder der KVNR durch die Vertrauensstelle kommen kann.

§ 362 Abs. 2 SGB V sollte daher dahingehend ergänzt werden, dass PKV-Unternehmen den unveränderbaren Teil der KVNR – analog zur GKV – ohne vorheriges Einwilligungserfordernis für ihre Versicherten ermitteln und ggf. erstmalig vergeben und zu diesem Zweck auch die RVNR ohne Einwilligung ermitteln und ggf. durch die DRV erstmalig bilden lassen dürfen. Korrespondierend hierzu bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung der Versicherten, den PKV-Unternehmen die für den Abruf bzw. die Bildung der KVNR und der RVNR sowie das fortlaufende Clearing der KVNR gemäß der Richtlinie nach § 290 Abs. 2 Satz 1 SGB V erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen.

Weiterhin sollte (zumindest) § 17 Abs. 4 IRegG zur Sicherstellung der Erfüllbarkeit der Meldepflichten nach dem IRegG um die erforderliche datenschutzrechtliche Grundlage ergänzt werden. Die in § 362 SGB V bzw. § 17 IRegG genannten Kostenträger sollten – analog zur GKV – berechtigt werden, für jeden Vollversicherten ohne vorheriges Einwilligungserfordernis eine KVNR (inkl. Clearing) und ggf. eine RVNR zu bilden und die hierfür erforderlichen Daten zu verarbeiten. Ferner sollte die Verpflichtung der Versicherten aufgenommen werden, die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Auch sollte klarstellend in § 17 Abs. 4 IRegG geregelt werden, worauf sich die Verpflichtung der PKV-Unternehmen, die KVNR für ihre Versicherten barrierefrei bereitzustellen, und die damit einhergehende datenschutzrechtliche Verarbeitungsbefugnis konkret bezieht, insbesondere, an wen und wann die KVNR zu übermitteln ist (z.B. an die eine implantatbezogene Maßnahme vornehmenden Kliniken).

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eAU (§ 295 Abs. 1 SGB V)

Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) sowie im Nachgang im Rahmen des Dritten Bürokratieentlastungsgesetzes die wesentlichen Voraussetzungen für den zukünftigen elektronischen Prozess der Übermittlung der eAU in der GKV geschaffen. Nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB V, in der Fassung, die zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, haben die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen die von ihnen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten aufzuzeichnen und unter Angabe der Diagnose und Nutzung der TI nach § 291a SGB V unmittelbar elektronisch an die Krankenkasse zu übermitteln. Zudem haben die Krankenkassen nach § 109 Abs. 1 SGB IV nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen.

Die PKV strebt grundsätzlich ein analoges Angebot von eAU für ihre Versicherten an und möchte dies in die technischen Prozesse und Systeme (Nutzung der entsprechenden Fachdienste, bspw. Datenübertragung mittels KIM bzw. Ablage in der ePA) integrieren. Allerdings fehlt es derzeit an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, um auch die elektronischen Übermittlungen der eAU für die Privatversicherten reibungslos umzusetzen. Konkret geht es um folgende Problemstellung: Ohne analoge Bestimmungen zur GKV wäre es datenschutzrechtlich grds. erforderlich, zunächst die Einwilligung der Versicherten zur Entgegennahme, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten einzuholen. Darüber hinaus müssten je nach Ausgestaltung des Prozesses auch die Versicherten gegenüber den behandelnden Ärzten ihr Einverständnis abgeben. Dieser Prozess birgt aus Sicht der PKV das Risiko, dass eine nennenswerte Anzahl von Versicherten die erforderlichen Einwilligungen nicht erklären und es folglich auf absehbare Zeit bei einem parallelen papiergebundenen Verfahren bleibt. Dies ist nicht im Sinne der angestrebten vollständigen Digitalisierung des Gesundheitswesens, nicht im Sinne der Versicherten und Leistungserbringer sowie auch nicht im Sinne der PKV.

Die Rechts- und Interessenlage bei der Nutzung der eAU ist für die Versicherten der GKV und der PKV in vielerlei Hinsicht vergleichbar. Beide Versichertengruppen haben nach den Bestimmungen des § 3 EntgFG bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Vergleichbar dem Krankengeld in der GKV sind die PKV-Versicherten bei Leistungen ihrer Krankenversicherung, die an eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit anknüpfen, wie die Krankentagegeldversicherung, durch den Versicherungsvertrag (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 der Musterbedingungen für das Krankentagegeld; MB/KT 2009) verpflichtet, dem Versicherer die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, spätestens aber innerhalb der im Tarif festgesetzten Frist, durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzeigen.

Der PKV-Verband befindet sich derzeit in der Abstimmung mit dem BMG zu konkreten Gestaltungen des „PKV-eAU-Prozesses“. Die insoweit bislang diskutierten Gestaltungsoptionen – unter Berücksichtigung der speziellen Erfordernisse der PKV-Versicherten – setzen die aktive Einwilligung der Versicherten in jedem Einzelfall voraus. Das dürfte zu einem enormen zusätzlichen Bürokratieaufwand bei den Leistungserbringern führen. Analog zur Rechtslage in der GKV sollten daher die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, diese Datenübermittlungseinwilligungen entbehrlich zu machen.

Es sollten daher entsprechende gesetzliche Regelungen vorgesehen werden, damit auch für PKV-Versicherte die Möglichkeit der digitalen Übermittlung von Bescheinigungen über eine Arbeitsunfähigkeit genutzt werden kann. Dabei sollte sichergestellt werden, dass die durch die Leistungserbringer digital zu übermittelnden Arbeitsunfähigkeitsdaten in dem für die Bereitstellung zum Abruf durch den Arbeitgeber sowie in dem für die vertragliche Leistungsfallbearbeitung, der die gemeldete Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegt, erforderlichen Umfang ohne gesonderte Einwilligung des Versicherten verarbeitet werden dürfen. Darüber hinaus ist eine rechtliche Grundlage für den Abruf der Daten durch die Arbeitgeber erforderlich, um zugunsten der Versicherten die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz bei der Verwendung der eAU sicherzustellen.

Telematikinfrastruktur / Gesellschaft für Telematik (§ 306 Abs. 1 und § 310 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V sowie § 316 SGB V)

Am 3. April 2020 hat der PKV-Verband gemäß den Vorgaben des § 310 SGB V mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, also auch des Bundes, 2,45 % der Anteile an der gematik vom GKV-SV übernommen. Entsprechend wäre dieser Umstand insbesondere in § 306 Abs. 1 und § 310 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V zu ergänzen bzw. abzubilden. In diesem Zusammenhang hat der PKV-Verband mit dem GKV-SV, welcher gemäß § 316 SGB V (bislang allein) zur Finanzierung der gematik verpflichtet ist, eine Vereinbarung zur Mitfinanzierung der gematik durch die PKV abgeschlossen, wonach der PKV-Verband dem GKV-SV einen Teil der Aufwendungen zugunsten der gematik sowie für die Erst- und Folgeausstattung samt Betriebskosten der Leistungserbringer (vgl. §§ 376 ff. SGB V) erstattet. Auch dies sollte Berücksichtigung im Gesetzestext finden.

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeiten (§ 307 SGB V)

Hinreichende datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen in Bezug auf alle relevanten Datenverarbeitungen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzbarmachung und für die Nutzbarkeit der Anwendungen der TI in der PKV. Aus Gründen der Rechts- und Anwendungssicherheit sollte daher die Regelung zur Festlegung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit für die Datenverarbeitung (§ 307 SGB V) auch die entsprechenden PKV-Prozesse bzw. PKV-erheblichen Prozesse betreffen.

E-Rechnung als neue Anwendung der TI / Nutzung der ePA als zentraler Datenspeicher (§ 334 Abs. 1 SGB V, § 341 Abs. 2 Nr. 13 SGB V)

Die Abrechnung von Leistungen der Leistungserbringer, z.B. nach der GOÄ bzw. der GOZ, sowie die Abrechnung von ärztlichen Verordnungen erfolgen in der PKV im Regelfall noch durch papiergebundene Rechnungsstellungen. Ziel einer umfassenden Digitalisierung des Gesundheitswesens sollte es sein, dass diese „analoge“ Praxis ebenfalls über die TI abgewickelt werden kann (E-Rechnung). Um dies umzusetzen und sicherzustellen, dass die gematik die E-Rechnungen bei ihren zukünftigen technischen Konzeptionierungen hinreichend berücksichtigen kann, ist es erforderlich, die E-Rechnung in § 334 Abs. 1 SGB V als TI-Anwendung festzulegen.

Parallel sollte die ePA als zentraler Datenspeicher für den Versicherten nutzbar sein, um eine langfristige Speicherung bzw. Archivierung u.a. von E-Rechnungen sowie der Abrechnungsinformationen des E-Rezeptes zu gewährleisten. Entsprechend sollte die Möglichkeit der elektronischen Abwicklung von Rechnungen der Leistungserbringer bei der Gestaltung der ePA berücksichtigt werden. In § 341 Abs. 2 Nr. 13 SGB V sind als potentielle Dateninhalte für die ePA auch „sonstige von den Leistungserbringern für die Versicherten bereitgestellte Daten“ vorgesehen. Darunter können grundsätzlich auch die
E-Rechnungen verstanden werden. Hier wäre insoweit eine redaktionelle Klarstellung sinnvoll, dass auch E-Rechnungen Inhalt der ePA sein können und insoweit die Ablage strukturierter Rechnungsdaten ermöglichen.

Über diesen Weg könnte ein schlanker und gleichzeitig gegenüber dem aktuellen, primär papiergebundenen Verfahren i. S. d. Privatversicherten einschließlich Beihilfeberechtigten erheblich schnellerer Prozess für die Abwicklung der Kostenerstattung etabliert werden. Insoweit könnte gleichzeitig das im Koalitionsvertrag enthaltene Vorhaben einer Direktabrechnung für Kinder und Jugendliche in der PKV technisch und operativ effizienter umzusetzen und die damit verbundenen Ziele noch besser erreicht werden, als dies bei der komplexen und fehler- bzw. streitanfälligen Schaffung einer Direktabrechnungsmöglichkeit der Leistungserbringer der Fall wäre. Zielsetzung der PKV sind technische Gestaltungen, die es den Versicherten erlauben, in wenigen Sekunden nach der digitalen Übermittlung der Rechnungsdaten in die Sphäre des Versicherten diese „mit einem Klick“ an die Versicherer zu übermitteln. Eine Vorleistungspflicht einschließlich der damit verbundenen Liquiditätsbelastungen der Privatversicherten würde vor dem Hintergrund der Zahlungsfristen der Leistungserbringer faktisch nicht mehr bestehen.

E-Rechnung – Zugang für Abrechnungsstellen (PVS) zur TI

In der PKV werden von den Leistungserbringern vielfach Privatärztliche Verrechnungsstellen (PVS) damit beauftragt, die von ihnen erbrachten Leistungen zu liquidieren. Unter Berücksichtigung des in der PKV geltenden Kostenerstattungsprinzips ist daher sicherzustellen, dass auch die PVS Rechnungen in der TI (bspw. in der neu zu schaffenden TI-Anwendung E-Rechnung bzw. einem Fachdienst mit der Option, eine Archivierung in der ePA vorzunehmen) ablegen können.  Ohne eine entsprechende Regelung könnte der überwiegende Teil der privatärztlich erbrachten Leistungen nicht über die TI abgebildet werden und in der PKV würde die Kostenerstattung weiterhin analog, d.h. papiergebunden, erfolgen müssen. Dieser Weg entspricht nicht dem vom Gesetzgeber verfolgten Ansatz der möglichst vollständigen Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dies gilt ebenso für alle weiteren Abrechnungsstellen, die beauftragt werden, Ärzte und andere Leistungserbringer im Abrechnungsgeschehen zu entlasten und kann auch für GKV-Versicherte erforderlich sein, die sich als Selbstzahler behandeln lassen, z.B. IGEL-Leistungen, Bescheinigungen sowie Reiseimpfungen.

Daher sollten alle von den Leistungserbringern beauftragten Abrechnungsstellen (z.B. Privatärztliche Verrechnungsstellen) zum Zweck der elektronischen Rechnungsübermittlung als Ersatz für das bisherige Papierverfahren an die TI angebunden werden, um Daten in den Fachdienst der E-Rechnung einstellen können.

Anspruch der Versicherten auf Nutzung der ePA (§§ 346 bis 349 SGB V)

In den §§ 346 bis 349 SGB V werden Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser verpflichtet, die gesetzlich Versicherten auf deren Verlangen bei der Nutzung der ePA zu unterstützen. Dies betrifft insbesondere die (erstmalige) inhaltliche Befüllung, Aktualisierung, Pflege und Nutzung der ePA. Der Anspruch erfasst alle gesetzlich versicherten Personen; die Verpflichtung besteht für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach § 95 SGB V. Um die angestrebte flächendeckende Nutzung der ePA auch durch die Privatversicherten sicherzustellen, ist es notwendig, diese Ansprüche bzw. Verpflichtungen auch für den PKV-Bereich zu regeln. Ein entsprechender Anspruch besteht zu Gunsten der Privatversicherten bereits nach § 362 Abs. 1 i.V.m. § 358 Abs. 3 SGB V gegenüber Ärzten und Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, für die Notfalldaten in der elektronischen Patientenkurzakte (E-Patientenkurzakte). Dies erlangt besondere Relevanz, falls der Gesetzgeber für die PKV ebenfalls ein opt-out der Versicherten regeln würde.

Daher sollte § 362 Abs. 1 SGB V dahingehend ergänzt werden, dass die §§ 346 bis 349 SGB V in entsprechender Anwendung auch für die PKV gelten.

E-Verordnung – Pflicht der Nutzung der E-Verordnung für Privatversicherte (§ 360 SGB V)

Nach § 360 Abs. 13 Satz 1 SGB V können mit Einwilligung des Versicherten Rechnungsdaten zu einer eVerordnung für eine Dauer von maximal 10 Jahren gespeichert werden. Zudem können die Versicherten nach § 360 Abs. 13 Satz 2 SGB V auf die Abrechnungsdaten zugreifen und diese nach § 360 Abs. 13 Satz 3 SGB V mit dem Kostenträger zwecks Kostenerstattung teilen. In der Gesetzesbegründung zum DVPMG heißt es: „Der Kostenerstattungsanspruch von Versicherungsnehmern der privaten Krankenversicherung gegenüber ihrem Versicherer bleibt zehn Jahre lang bestehen, nachdem die Versicherungsnehmer eine elektronische Verordnung eingelöst haben. Entsprechend muss für sie in diesem gesamten Zeitraum auch die Möglichkeit bestehen, auf die zu Grunde liegende Rechnung zugreifen zu können. Dies wird mit dem neuen Absatz 12 (Anmerkung: aktuell in Absatz 13 geregelt) sichergestellt.“

Insoweit wurde Abs. 13 mit Blick auf die PKV und das für sie geltende Kostenerstattungsprinzip konzipiert. Allerdings ist § 360 Abs. 12 SGB V nicht über § 362 SGB V auf die PKV anzuwenden. Dasselbe gilt für die Regelung in Abs. 14, nach der mit Einwilligung des Versicherten Dispensierinformationen inklusive der Abrechnungsdaten der elektronischen Verordnung automatisiert in der ePA abgelegt werden können. Diese Daten benötigt der Privatversicherte für eine Kostenerstattung durch seine Versicherung, sodass auch diese Bestimmung über § 362 Abs. 1 SGB V auf die PKV anwendbar sein sollte. 

Darüber hinaus sollte, wie bereits oben zu den §§ 346 bis 349 SGB V ausgeführt, nicht nur für die gesetzlich versicherten Personen, sondern auch für die Privat- und Beihilfeversicherten die Verpflichtung bzw. der Anspruch gegenüber den Leistungserbringern auf Nutzung der Anwendungen der TI bestehen. Dieser Gleichklang ist auch mit Blick auf die Anwendung der E-Verordnung herbeizuführen, sodass den Privat- und Beihilfeversicherten ein Anspruch auf Übermittlung und Verarbeitung vertragsärztlicher Verordnungen gegenüber den Leistungserbringern zustehen sollte. Um dem Abrechnungsvorgang in der PKV gerecht zu werden, sollten zudem die abgebenden Apotheker/Leistungserbringer dazu verpflichtet werden, die Abrechnungsdaten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Dieses gilt umso mehr, da in § 360 Abs. 4 bis 7 SGB V weitere Fälle geregelt werden, in denen Verordnungen verpflichtend elektronisch auszustellen sind.

Die Regelungen des § 360 SGB V sollten daher auch für den PKV- und Beihilfebereich zwingend vorgesehen werden, damit alle Versicherten unabhängig von der Zugehörigkeit zum GKV-/PKV-System von der Digitalisierung der ärztlichen Verordnung profitieren können. Um eine Kostenerstattung in der PKV sicherzustellen, sollten klarstellend zumindest § 360 Abs. 13 und Abs. 14 SGB V über einen Verweis in § 362 Abs. 1 SGB V für anwendbar erklärt werden. Darüber hinaus sollte nicht nur für die gesetzlich versicherten Personen, sondern auch für die Privat- und Beihilfeversicherten die Verpflichtung bzw. der Anspruch gegenüber den Leistungserbringern auf Nutzung der E-Verordnung bestehen. Zudem sollten die abgebenden Apotheker/Leistungserbringer dazu verpflichtet werden, die Rechnungsinformationen einer E-Verordnung elektronisch zur Verfügung zu stellen.

E-Verordnung / E-Rezept – Speicherung in ePA (§ 360 Abs. 14 SGB V)

 Um eine flächendeckende Nutzung zu ermöglichen, sollen die Versicherten perspektivisch ein singuläres Frontend (App) für alle ihre Daten in der TI (ePA, E-Verordnung / E-Rezept etc.) nutzen können. Hier bietet sich die ePA als zentraler Datenspeicher des Versicherten, bspw. auch für Daten aus Bestandsanwendungen wie den elektronischen Gesundheitsakten, an. Das gilt auch für die Daten, die der Abrechnung einer E-Verordnung / E-Rezept in der PKV und der Beihilfe zu Grunde liegen. Um die ePA für die Abrechnung der Verordnung zu qualifizieren, ist es erforderlich, dass nach § 360 Abs. 14 SGB V neben den Dispensierinformationen auch die Abrechnungsinformationen speicherbar sind. Die Dispensierinformationen und Abrechnungsinformationen können dann vom Versicherten über das entsprechende Frontend dem Kostenträger zugeleitet werden.

§ 360 Abs. 14 SGB V sollte daher unter Berücksichtigung des Abrechnungsprozesses in der PKV und der Beihilfe dahingehend ergänzt werden, dass auch eine Archivierung der Rechnungsdaten der ePA möglich wird.

Zugriffs- und Verarbeitungsrechte der Leistungserbringer (§§ 346 bis 349 SGB V, § 360 SGB V, § 295 SGB V)

Die in den §§ 346 bis 349 SGB V, § 360 SGB V und § 295 SGB V aufgeführten Verpflichtungen der Leistungserbringer zur Erstellung, Übermittlung und Einstellung von E-Verordnungen bzw. E-Rezepten, eAU etc. in die Anwendungen der TI sowie die Verpflichtung zur Übermittlung und Speicherung von Daten in der ePA sind mangels eines entsprechenden Verweises in § 362 Abs. 1 SGB V bisher nicht auf die PKV anzuwenden. Insoweit steht den Privat- und Beihilfeversicherten ein entsprechender Anspruch nicht zu. Es muss gleichwohl gewährleistet sein, dass die Leistungserbringer wie bei den gesetzlich versicherten Personen Daten in die Anwendungen der TI einstellen und speichern können. Unser Verständnis ist daher, dass die in den § 352 SGB V (Zugriff auf die Daten der ePA), § 356 SGB V (Zugriff auf elektronische Erklärungen zur Organ- und Gewebespende), § 357 SGB V (Zugriff auf Hinweise zu Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen), § 359 SGB V (Zugriff auf elektronische Notfalldaten inkl. Medikationsplan und E-Patientenkurzakte) und 361 SGB V (Zugriff auf E-Verordnungen / E-Rezepte) geregelten Zugriffs- und Verarbeitungsrechte der Leistungsberechtigten, die über § 362 Abs. 1 SGB V auf die PKV anzuwenden sind, auch das Erstellen, Einstellen, Übermitteln, Speichern etc. von Daten in diese Anwendungen der TI umfasst. Dies sollte durch den Gesetzgeber klargestellt werden und erlangt besondere Relevanz, falls der Gesetzgeber für die PKV ebenfalls ein opt-out der Versicherten umsetzen würde.

Es sollte also gesetzlich (bspw. in § 362 Abs. 1 SGB V) geregelt bzw. zumindest klarstellend festgehalten werden, dass unter den Begriff des Zugriffs auf und des Verarbeitens von Daten in den Anwendungen der TI durch Leistungserbringer auch das Erstellen, Einstellen, Übermitteln, Speichern etc. von Daten in den Anwendungen der TI fällt.

Sicherstellung der Finanzierung (§ 362 SGB V)

Bislang ist aus Sicht der PKV die Finanzierung der mit der Beteiligung der PKV an der gematik verbundenen (Hardware-)Ausstattungs- und Betriebskosten der Leistungserbringer nicht hinreichend sichergestellt. Die PKV hat bereits und wird auch zukünftig erhebliche Summen für die Ausstattung von Leistungserbringern und den Betrieb der technischen Infrastruktur investieren. In der PKV können derartige Leistungen allerdings grundsätzlich nur kalkuliert und finanziert werden, wenn es sich um vertragstypische Leistungen der Krankenversicherer handelt. Insbesondere im Hinblick auf die Bestandsverträge in der PKV, bei welchen eine Ergänzung der neuen digitalen Dienstleistungen in den vertraglichen Abreden nicht ohne weiteres möglich ist, bedarf es der Unterstützung des Gesetzgebers. Es muss insoweit klargestellt bzw. gesetzlich geregelt werden, dass alle digitalen Services im Gesundheitswesen Teil der Versicherungsleistungen der PKV-Unternehmen sind. Auf dieser oder einer vergleichbaren Grundlage (siehe unten) wäre es möglich, die Kosten der PKV im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Nutzung der TI und seiner Anwendungen kalkulatorisch abzubilden. Auch für die Beihilfeträger würde insoweit eine belastbare Grundlage geschaffen.

§ 362 SGB V sollte daher dahingehend erweitert werden, dass es sich bei den Kosten der PKV im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Nutzung der TI um Versicherungsleistungen handelt, beispielsweise durch Ergänzung folgenden Satzes / Absatzes:

„Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und die Träger der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften können die Nutzung der Telematikinfrastruktur und deren Anwendungen durch die Versicherten als Versicherungsleistungen zur Verfügung stellen.“

Nutzung von Datenspenden auch für PKV-Versicherte (§ 363 SGB V)

Die PKV ist daran interessiert, ihren Versicherten die Nutzung der Funktionalitäten der TI in gleicher Weise wie den GKV-Versicherten zugänglich machen zu können, was letztlich auch die Möglichkeit der Spende von (Gesundheits-)Daten aus der ePA für die Forschung einschließt. § 363 SGB V, der die Spende von ePA-Daten zu Forschungszwecken regelt, ist aktuell nur auf Versicherte der GKV anwendbar. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelungen zur Spende von (Gesundheits-)Daten aus der ePA zu Forschungszwecken ist für Versicherte der PKV nicht in § 362 SGB V vorgesehen; die für die PKV anwendbare Regelung zu den (technischen) Ausstattungsmerkmalen der ePA in § 342 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) SGB V läuft insofern ins Leere. Es bedarf daher einer gesetzlichen Klarstellung in § 362 SGB V, dass die in § 363 SGB V geregelte Forschungsdatenspende auch für PKV-Versicherte entsprechend anwendbar ist.

Soweit sich die Forschungsdaten künftig zu einem nicht unerheblichen Teil auch aus den Daten der PKV-Versicherten speisen werden, erscheint es zudem geboten, dass auch die PKV (bspw. über das Wissenschaftliche Institut der PKV - WIP) Zugang zu den mittels der Datenspenden generierten Daten erhält.

Nationales Gesundheitsportal (§ 395 SGB V)

Nach § 395 Abs. 1 SGB V errichtet und betreibt das Bundesministerium für Gesundheit ein Nationales Gesundheitsportal, über das Gesundheitsinformationen zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollen die Bürgerinnen und Bürger nach § 395 Abs. 2 SGB V bei ihrer Suche nach einem bestimmten vertragsärztlichen Leistungserbringer unterstützt werden. Die KBV übernimmt dabei die Aufgabe, Daten zu den vertragsärztlichen Leistungserbringern zu erheben und dem Nationalen Gesundheitsportal zu übermitteln. Die Vorschrift des § 395 SGB V ist über § 362 SGB V nicht direkt auf die PKV anzuwenden. Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung sollen die Daten aus dem Nationalen Gesundheitsportal indes allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden, d.h. der Zugang soll nicht auf gesetzlich Versicherte beschränkt werden. Da auch Privatversicherte ein Interesse daran haben, Informationen des Nationalen Gesundheitsportals zu nutzen, sollte § 395 SGB V über einen Verweis in § 362 SGB V auch für Privatversicherte Anwendung finden.

Überdies wäre es im Sinne eines umfassenden Informationsportals ggf. sinnvoll, wenn nicht nur die vertragsärztlichen Leistungserbringer, sondern auch alle weiteren Leistungserbringer, insbesondere auch die rein privat abrechnenden, in dem Portal aufgeführt werden. Hierfür sollte der Gesetzgeber zumindest die notwendigen Grundlagen schaffen.

Schaffung praktikabler datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen

Für die PKV hat der Schutz der hochsensiblen (Gesundheits-)Daten ihrer Versicherten bei der Nutzung der TI-Services höchste Priorität. Die PKV legt bei der Ausgestaltung des Zugangs und der Nutzung der verschiedenen TI-Services für ihre Versicherten größtes Augenmerk darauf, dass die notwendigen Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit umfassend berücksichtigt werden.

Für die GKV enthält das SGB V umfangreiche datenschutzrechtliche Vorgaben und Regelungen, welche nicht zuletzt durch das PDSG weiter ausgeformt und detailliert wurden. Die PKV wird hierbei nur an einzelnen Stellen unmittelbar erfasst. Der aktuell maßgebliche Rechtsrahmen für die PKV bestimmt sich entsprechend grundsätzlich (allein) aus der DSGVO bzw. dem BDSG. Diese allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind naturgemäß nicht in jeder Hinsicht für das Angebot der Nutzung der TI durch die Versicherten zugeschnitten bzw. passend. Auch für die Versicherer wären an verschiedenen Stellen klare Regelungen und Vereinfachungen, wie sie für die GKV Anwendung finden (vgl. dazu bspw. unsere Ausführungen zu § 307 SGB V), wünschenswert. Insgesamt wären praxistaugliche Regelungen zum Datenschutz für alle (PKV-)Beteiligten hilfreich, welche auch die spezifischen Erfordernisse hinreichend abbilden – dies nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz.

Folgende (nicht abschließende) Beispiele verdeutlichen die Herausforderungen der PKV bei der datenschutzrechtlichen Ausgestaltung der TI-Services für Privatversicherte:

  • Sinnvoll erschiene, wenn (z.B. als Bestandteil der Rechtsverordnung nach § 361a Abs. 6 SGB V) ein mit den Datenschutzaufsichtsbehörden abgestimmtes Einwilligungsmuster, das insbesondere Art. 7 DS-GVO und § 203 StGB berücksichtigt, zur Verfügung gestellt wird, um Rechtsunsicherheiten in der Praxis zu vermeiden.
  • Der neue § 290 Abs. 4 SGB V erlangt im Lichte der DSGVO allenfalls im Rahmen der Abwägung von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO Relevanz im Hinblick auf die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. Eine klarere datenschutzrechtliche Ermächtigung wäre wünschenswert.
  • Bei § 361a SGB V fehlt aus Sicht der PKV insbesondere auch ein Hinweis auf Art. 7, 13 und 14 DSGVO, die Anforderungen an eine informierte Einwilligung sowie der Hinweis auf Art. 32 DSGVO bzw. die technische Ausgestaltung oder zumindest ein Hinweis darauf, welche / wessen Vorgaben maßgeblich für die Informationssicherheit einzuhalten sind.
  • Aus Sicht der PKV erscheint es wünschenswert, eine zweckändernde Verarbeitung (§ 361a Abs. 6 SGB V) zur Vermeidung von Widersprüchen zu Art. 6 Abs. 4 DS-GVO vorzusehen (z.B. wenn Daten zu statistischen Zwecken anonymisiert werden).
  • Aspekte der bestehenden bzw. zukünftigen Anforderungen an die Informationssicherheit (welche nicht mit IT-Sicherheit gleichzusetzen ist) sind nur punktuell im SGB V geregelt – konkretere, einheitliche Vorgaben ggf. unter Einbindung des BSI wären sinnvoll.

Es sollten daher punktuell eindeutige und praktikable datenschutzrechtliche Regelungen für die gemeinsame Nutzung der TI durch GKV und PKV geschaffen werden, um die Anwendungssicherheit bei gleichzeitiger Rechtssicherheit für sämtliche Nutzer im Sinne des „Gesundheitsnetzes für alle“ sicherzustellen, ohne allerdings überbordende, zusätzliche Verwaltungs- und Dokumentationserfordernisse zu schaffen, welche die praktische Nutzung der TI-Services zu sehr verkomplizieren und damit unattraktiv machen. Dabei sollten auch datenschutzrechtlich Vereinfachungen, wie sie für die GKV geschaffen wurden, auf die PKV übertragen werden.

Abbildung von Services der elektronischen Patientenakte und digitalen Anwendungen in den Tarifbedingungen der PKV

Auch die Unternehmen der PKV sind schon lange bestrebt, ihren Versicherten digitale Innovationen in der Gesundheitsversorgung, wie DiGA und ePA, möglichst rasch und umfassend zur Verfügung zu stellen. Sie möchten insoweit einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsgerichteten Weiterentwicklung des gesamten Gesundheitssystems zum Nutzen aller Versicherten leisten. So hat auch schon die vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützte CHARISMHA-Studie im Jahr 2016 festgestellt, dass PKV-Unternehmen hier eine Vorreiterrolle für ihre Versicherten einnehmen: „Insgesamt bieten private Versicherungsunternehmen häufiger Apps für ihre Versicherten an, als dies gesetzliche Krankenkassen tun. Mögliche Gründe hierfür sind eine höhere Flexibilität innerhalb der Unternehmen und eine höhere wettbewerbliche Relevanz.“

Allerdings erfolgen die Leistungen gerade im Bereich der DiGA aktuell nicht flächendeckend und auf rechtsunsicherer Grundlage, da die strengen (gesetzlichen) Rahmenbedingungen für die PKV dies noch nicht abbilden. Gleiches wird für viele Services im Zusammenhang mit den Anwendungen der TI, insbesondere der ePA, und für durch diese eröffnete neue Möglichkeiten der digitalen Gesundheitsversorgung der Fall sein. Wenn es der erklärte Wille des Gesetzgebers ist, diese als Schlüsseltechnologien allen Versicherten unabhängig von ihrem Versicherungsstatus zur Verfügung zu stellen, muss den Unternehmen der PKV eine entsprechende Abbildung von Services zu den Anwendungen der TI, aber auch der DiGA in ihren jeweiligen Tarifbedingungen ermöglicht werden.

Die ePA, aber auch die DiGA, eröffnen vielfältige Möglichkeiten, um Menschen bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten sowie auf dem Weg zu einer selbstbestimmten gesundheitsförderlichen Lebensführung zu unterstützen. Die PKV unterstützt das gesetzgeberische Ansinnen, Versicherten einen Anspruch insbesondere auf eine ePA und auf DiGA zu geben. Die Einbeziehung in bestehende Krankenversicherungstarife würde auch die dauerhafte Finanzierung entsprechender Leistungen absichern und entsprechende Angebote der PKV-Unternehmen befördern. Aufgrund der aufsichtsrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Vorgaben ist eine Änderung bestehender Versicherungsverträge allerdings nicht ohne weiteres möglich, sondern vielmehr nur zulässig, wenn die Änderung aufgrund einer Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer erforderlich erscheint (§ 203 Abs. 3 VVG). Die Voraussetzungen, auch die Angemessenheit der Veränderung, hat ein unabhängiger juristischer Treuhänder zu bestätigen. Der zuletzt über § 33a SGB V eingeführte Anspruch der Versicherten der GKV auf DiGA bezieht sich – ausweislich der gesetzgeberischen Begründung – auf zusätzliche Leistungen, die über die bisherige Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln hinausgehen. Auch aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V ist insoweit ersichtlich, dass es sich bei den DiGA um eine neue Leistungsform in der GKV handelt, die nicht unter die „Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln“ fällt. Gleiches gilt in Bezug auf die Anwendungen der TI, allen voran die ePA.

Unter dem Gesichtspunkt der zukunftsoffenen Rechtssicherheit und der systemgerechten, gleichmäßigen Versorgung der Privatversicherten ist eine Verankerung in den Tarifbedingungen der PKV geboten, denn kalkuliert und damit nachhaltig für sämtliche Versichertengruppen finanziert werden können nur tariflich verankerte Leistungen. Letztlich schaffen tarifliche Regelungen auch Transparenz und Verlässlichkeit gegenüber den Versicherten. Die vorstehenden Überlegungen betreffen im Grunde auch (die weiteren) Dienstleistungen im Zusammenhang mit den Anwendungen der TI, z.B. die E-Verordnung /E-Rezept (siehe oben).

Auf diesen Überlegungen begründet sich unser Ansinnen, eine versicherungsvertragsgesetzliche Grundlage zu schaffen, welche bspw. in Form einer Ergänzung des § 192 Abs. 3 VVG um folgenden Satz 2 umgesetzt werden kann:

„Satz 1 gilt auch für die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen sowie Schwangerschaft und Entbindung stehen und diese unterstützen, und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Telematikinfrastruktur und deren Anwendungen durch die Versicherten.“

(Hinweis: Klarstellend handelt es sich im Hinblick auf die „Nutzung der Telematikinfrastruktur und deren Anwendungen durch die Versicherten“ um eine zu bevorzugende Alternativgestaltung zum Regelungsvorschlag unter „Sicherstellung der Finanzierung - § 362 SGB V“.)

Alternativ zur vorgenannten (dauerhaften) Änderung des § 192 Abs. 3 VVG wäre zur Einbindung von Leistungen im Zusammenhang mit den neuesten digitalen Entwicklungen im Gesundheitswesen als Minimallösung auch eine befristete Sonderanpassungsbefugnis bezüglich unserer bestehenden Tarifwerke vorstellbar. Systematisch sinnvoller Regelungsort könnte insoweit das Einführungsgesetz zum VVG (VVGEG, dort bspw. als neuer Abs. 5) sein. Im Ergebnis scheint uns jedoch eine Änderung des § 192 VVG rechtsdogmatisch die bessere Lösung zu sein, da sie dauerhaft manifestiert, dass die mit einer Heilbehandlung im Zusammenhang stehenden DiGA und die Anwendungen der TI als Regelleistung eines privaten Krankenversicherungsvertrages vereinbart werden können und diese nicht mehr nur im Individualfall erstattet werden.

Klarstellend ist mit der vorgeschlagenen Änderung des VVG bzw. VVGEG ausdrücklich keine Befugnis verbunden, die Beiträge zur PKV anzupassen. Die Möglichkeit der Prämienanpassung in der Krankenversicherung richtet sich ausschließlich und unabhängig von den vorgenannten Vorschlägen nach § 203 Abs. 2 VVG i.V.m. § 155 VAG.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hier ausdrücklich gesagt, dass diese Gesetzesänderung sich auf die genannten Anwendungsfälle beschränkt und nicht die Anwendung individualpräventiver Maßnahmen, bspw. Fitness- oder Wellness-Apps, bzw. Anwendungen, an denen Verhaltensbonifikationen anknüpfen, umfasst. Andererseits sollte der digitale Handlungsspielraum der PKV genügend (vertraglichen) Gestaltungsspielraum im Hinblick auf zukünftige – zurzeit noch nicht absehbare – Veränderungen und Weiterentwicklungen der digitalen Möglichkeiten im Gesundheitswesen gewähren; auch in Zukunft sollte dies der PKV ohne neue gesetzliche Anpassungen möglich sein.