Stellungnahme 26. April 2022

Stellungnahme zum Änderungsanträgen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (Pflegebonusgesetz).

Zu Änderungsantrag 1:

Zu Art. 2 (Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch): Beratungsbesuche nach § 37 SGB XI

Vorgeschlagene Regelung

Der vorgeschlagene Änderungsantrag sieht vor, dass die verpflichtend abzurufenden Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI künftig auf Wunsch der/des Versicherten abwechselnd vor Ort und per Videokonferenz in Anspruch genommen werden können.

Bewertung

Der PKV-Verband befürwortet die vorgeschlagene Änderung ausdrücklich. Sein Tochterunternehmen compass private pflegeberatung GmbH, das die Pflegeberatung und Beratungsbesuche bei Privatversicherten durchführt und daher über eine hohe Expertise und große Praxiserfahrung in dem Bereich verfügt, hat während der Corona-Pandemie Erfahrungen mit dem Beratungseinsatz per Videokonferenz gesammelt und diesen umfassend systematisch evaluiert. Dabei kommt compass zu einem durchweg positiven Ergebnis, das auch für die vorgeschlagene Gesetzesänderung spricht.

Die Wahlmöglichkeit und Kombination des Beratungsbesuchs mit Hausbesuch und per Videokonferenz entsprechen den Bedürfnissen der Ratsuchenden. Der Hausbesuch nach § 37 Abs. 3 SGB XI per Videokonferenz ist möglich und wird von den Klientinnen und Klienten gerne in Anspruch genommen. Auch Videokonferenzen ermöglichen den Zugang sowie die Einschätzung der Pflegesituation und weiteren Beratungsbedarfs der pflegebedürftigen Personen und ihrer Angehörigen. Die Bedürfnisse der Ratsuchenden können – verglichen mit dem Hausbesuch – gut identifiziert und bearbeitet werden.

Insgesamt ist es eine zukunftsorientierte Entwicklung, die die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie aufgreift, einen sinnvollen Einsatz neuer digitaler Möglichkeiten fördert und Vorteile insbesondere für die Versicherten mit sich bringt. Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI als Videokonferenz sind eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Beratungsbesuche mit Hausbesuch.

Zu Änderungsantrag 2:

Zu Art. 2 (Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch): Digitale Pflegeanwendungen

Vorgeschlagene Regelung

Es soll eine Befristung der ersten Bewilligung digitaler Pflegeanwendungen eingeführt werden. Nach einer positiven Abfrage zur tatsächlichen Nutzung und zur Erreichung der Zwecksetzung der Versorgung ist eine unbefristete Bewilligung zu erteilen.

Bewertung

Es sollte zur Klarstellung ergänzt werden, dass der Anspruch auf die digitale Pflegeanwendung nicht mehr besteht, wenn nach der unbefristeten Bewilligung die Notwendigkeit der Versorgung der/des Pflegebedürftigen mit einer digitalen Pflegeanwendung nicht mehr besteht.

Zu Änderungsantrag 3:

Zu Art. 2 (Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch): Pandemiebedingte Sonderregelungen

Vorgeschlagene Regelung

Die Erstattung der coronabedingten Mehraufwendungen und Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtungen und Angebote zur Unterstützung im Alltag sollen auf die notwendigen Testkosten beschränkt werden

Die Sonderregelungen zur Gewährung von Pflegesachleistung und des Entlastungsbetrags bei coronabedingten Versorgungsengpässen sollen bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden.

Bewertung

Die Begrenzung der Erstattung auf die notwendigen Testkosten, die den Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag entstehen, ist angemessen und wird begrüßt. Damit wird der Entwicklung der Pandemie Rechnung getragen.

Zusätzlicher Eigener Vorschlag:

Zu Art. 2 (Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch): Digitale Begutachtung

Ebenso wie bei den Beratungsbesuchen (vgl. oben ÄA 1) werden auch bei der Begutachtung der Antragsteller dringend erweiterte Möglichkeiten benötigt, um die Digitalisierung in der Pflege besser nutzen zu können. Die stark steigenden Antragszahlen (PPV 2021: +20 %; 2022: bisher weitere + 8 %) bringen die Gefahr mit sich, dass es bei der Leistungsbewilligung zu Verzögerungen kommt und Rückstände auflaufen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des 2017 eigeführten neuen Pflegebegriffs dürfte es sich bei den Anstiegen nicht nur um vorübergehende Effekte handeln.

Durch die Corona-Pandemie verfügt die Pflegeversicherung glücklicherweise auch in diesem Bereich bereits über umfangreiche Erfahrungen mit einer Alternative zum Hausbesuch. Zum Schutz vor unnötigen Kontakten besteht gem. § 147 SGB XI noch bis zum 30.6.2022 die Möglichkeit, in geeigneten Fällen die Begutachtung mittels strukturierter Telefoninterviews durchzuführen. Neben der Feststellung des Pflegegrades erfolgen dabei auch diverse weitere Feststellungen, u. a. zum Beratungsbedarf, zum Hilfsmittelbedarf oder der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes.

Die Umstellung auf dieses Verfahren war unproblematisch und bei den Pflegegraden und den Empfehlungen der Gutachterinnen und Gutachter wurden keine wesentlichen Abweichungen festgestellt. Die Flexibilität für die Beteiligten (versicherte Personen, Angehörige, Pflegepersonal, Gutachterinnen und Gutachter sowie Pflegeversicherungen) hat sich wesentlich erhöht und der Ressourceneinsatz erfolgt effizienter, insbesondere durch die wegfallende Anfahrt zu dem Hausbesuchstermin. Die Akzeptanz der Versicherten mit dem Verfahren und mit den Ergebnissen ist mindestens ebenso hoch wie bei den Hausbesuchen.

Es hat sich damit gezeigt, dass diese „digitale Begutachtung“ über ihren Nutzen in der Pandemie hinaus eine sehr gut geeignete und zeitgemäße weitere Form eines Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI bietet. Sie sollte daher unabhängig von der Pandemie weiterhin angewendet werden können, sofern die antragstellende Person ihr zustimmt. Dabei könnte der Anwendungsbereich im Rahmen einer Übergangsregelung zunächst auf Folgegutachten begrenzt werden, damit die erste Begutachtung stets im Rahmen eines Hausbesuchs erfolgt. Auch hier wäre der Entlastungseffekt schon sehr groß. Die endgültige Festlegung könnte einer anschließenden Neugestaltung des § 18 SGB XI vorbehalten bleiben. Damit würde vermieden, dass nach Auslaufen des § 147 wieder vollständig auf das alte Verfahren zurückgegangen werden muss, es dadurch erneut zu Umstellungsaufwand kommt und der Erfahrungsaufbau bei der Digitalisierung der Begutachtung einen Rückschlag erleidet.

Gesetzesvorschlag

In § 18 Abs. 2 SGB XI werden nach Satz 1 folgende Sätze eingefügt:

„Die Untersuchung im Wohnbereich kann in geeigneten Fällen durch ein strukturiertes Telefoninterview oder eine Videokonferenz ersetzt werden. Welche Fälle geeignet sind, wird in den Begutachtungs-Richtlinien nach § 17 Abs. 1 SGB XI festgelegt.“

In § 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI wären die Worte „im Wohnbereich des Pflegebedürftigen“ zu streichen und durch „nach Satz 1 oder 2“ zu ersetzen.