Meldung 04. August 2023

Bund und Länder haben sich auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform verständigt. Neue Analysen zeigen, dass die Länder ihre Pflicht zur Krankenhaus-Finanzierung nicht erfüllen. Die Reformpläne zielen nun darauf, diese Lücke auf Kosten der Versicherten zu schließen. Für sie würde es teurer.

Aktuelle Datenanalysen des Ärzteblatts legen offen, dass bei den Krankenhausinvestitionen ein „langjähriger Milliardenstau“ entstanden ist, weil die Bundesländer ihr Versprechen nicht einhalten, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu übernehmen. In den vergangenen acht Jahren (2014 bis 2021) haben die Länder demnach unter dem Strich weniger als die Hälfte der notwendigen Investitionsmittel abgedeckt. In der Summe der Jahre ergibt sich daraus eine enorme Deckungslücke, die je nach Datengrundlage zwischen 17 Milliarden und fast 25 Milliarden Euro beträgt. Um diese Lücke heute zu schließen, dürfte die Deckungssumme schon wegen der Inflation um ein Vielfaches höher liegen, so das Ärzteblatt.

Doch anstelle eines nachhaltigen Finanzierungkonzepts haben Minister Lauterbach und die Bundesländer mit der Krankenhausreform zunächst einmal weitere Mehrkosten für alle Versicherten eingeplant. Zwar heißt es in den von ihnen vereinbarten Eckpunkten, dass es „grundsätzlich keine Erhöhung des Erlösvolumens“ geben solle. Allerdings gibt es davon Ausnahmen. Zum Beispiel für die „Erbringung koordinierender und vernetzender Aufgaben“ oder „zusätzliche Zuschläge“ in bestimmten Leistungsbereichen.

Krankenhausreform verfehlt Kernziele

Hinzu kommt, dass im Laufe der weiteren Beratungen geprüft werden soll, „ob weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung auch in Bezug auf Tarif- und Inflationsentwicklung der Krankenhäuser außerhalb des Bundeshaushalts notwendig sind.“ Mit anderen Worten: gesetzliche und private Krankenversicherungen – und damit alle Versicherten – sollen die entsprechenden Kosten tragen.

Ohnehin zeichnet sich ab, dass die Kernziele der von Minister Lauterbach als „Revolution“ angekündigten Krankenhausreform verfehlt werden. Während nämlich die Finanzierung schon zum Beginn des kommenden Jahres umgestellt werden soll, folgen die entsprechenden Strukturanpassungen erst danach. Drei Jahre - bis Ende 2025 - sollen die Länder dafür Zeit bekommen. Die Idee dahinter war eigentlich, zügig bundeseinheitliche Qualitätskriterien und Anreize zu schaffen, damit Kliniken nur diejenigen Leistungen erbringen, für die sie qualifiziert sind.

Fehlanreize durch Vorhaltepauschalen

Ein weiterer zentraler Bereich der Eckpunkte sind die Vorhaltepauschalen. Gemeint sind damit zusätzliche Zahlungen an die Krankenhäuser, die nicht für tatsächlich erbrachte Leistungen fließen, sondern sich am Vorhalten von Personal und Technik orientieren. So wird etwa auch die Feuerwehr nicht nur dann bezahlt, wenn sie ausrückt, sondern die für die Einsatzbereitschaft erforderlichen Mittel müssen auch ohne Brand vorgehalten werden. In der Krankenhausversorgung sind solche Instrumente für Bereiche sinnvoll, die aufgrund des Versorgungsauftrags regional vorgehalten werden müssen, obwohl sie häufig nur defizitär betrieben werden können. Das sind vor allem Geburtshilfe, Kinderheilkunde und die Notfallmedizin. Dazu kommen spezielle Schlaganfall- und Traumazentren sowie die Intensivmedizin. 

Mit den nun vereinbarten Eckpunkten sollen jedoch 60 Prozent der Kosten aller Kliniken – unabhängig vom Bereich – über Vorhaltepauschalen finanziert werden. Und das unabhängig davon, ob die Häuser diese benötigen oder nicht. Den größten Finanzierungsanteil erhalten die Krankenhäuser damit zukünftig also bevor sie auch nur einen einzigen Patienten untersucht haben. Was Minister Lauterbach als „Entökonomisierung“ bezeichnet, dürfte in der Realität enorme Fehlanreize mit sich bringen.

Die gemeinsamen Eckpunkte von Bund und Ländern zur Krankenhausreform haben einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler. Die Krankenhäuser sollen zukünftig eine Vorhaltevergütung ohne jeglichen Bezug zu ihren erbrachten Leistungen erhalten. Die grundlegenden Reformziele bleiben dabei auf der Strecke: Kosteneffizienz und Qualitätsorientierung. Eine Vorhaltefinanzierung sollte nur dort gezahlt werden, wo sie unabdingbar notwendige Leistungsbereiche sichert, die sich nicht aus dem regulären Betrieb finanzieren können. Die von Minister Lauterbach proklamierte „Entökonomisierung“ darf nicht dazu führen, unwirtschaftliche und nicht bedarfsnotwendige Strukturen zu erhalten.

Joachim Patt, stellvertretender PKV-Verbandsdirektor

Geld fließt unabhängig von Leistungen

Denn einen Großteil des Geldes erhalten die Kliniken dann unabhängig davon, ob sie Leistungen erbringen oder nicht. Dies könnte dazu führen, dass die Liegezeiten im Krankenhaus wieder steigen. Zudem werden unwirtschaftliche und nicht bedarfsgerechte Strukturen so eher gestärkt als abgebaut. Im Extremfall könnte es dadurch sogar zur Unterversorgung kommen, weil der Anreiz für die Kliniken gemindert wird, neue Patienten aufzunehmen. Dies dürfte gerade nicht zu Strukturbereinigungen führen, sondern tendenziell defizitäre Häuser künstlich am Leben halten.

Dass sich Bund und Länder auf die vorliegenden Eckpunkte einigen konnten, kann vor diesem Hintergrund eigentlich nicht verwundern. Letztlich haben sie sich darauf verständigt, schmerzhafte aber notwendige Strukturreformen durch noch mehr Geld im System aus dem Weg zu gehen. Zahlen müssen dafür letztlich die Versicherten – und das, ohne dringend notwendige Qualitätssteigerungen zu erhalten. Nachhaltige Reformen sehen anders aus.