Meldung 09. Februar 2023

Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig verpflichtend von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung bezahlt werden. Ein aktuelles Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis: Diese Form der Zwangsfinanzierung verstößt gegen das Grundgesetz.

Dass Patientenberatung eine versicherungsfremde Leistung ist, wurde bereits im Herbst 2022 in einer Anhörung des Bundestags-Gesundheitsausschusses deutlich: In großer Mehrzahl hatten die geladenen Experten betont, dass es sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Leistung handelt, die deshalb aus Steuermitteln finanziert werden muss. Auch der renommierte Bonner Jurist Prof. Dr. Gregor Thüsing schließt sich dieser Bewertung an. 

In einem aktuellen Gutachten im Auftrag des PKV-Verbands kommt er sogar zu dem Schluss: Die im Gesetzentwurf vorgesehene Finanzierung ist verfassungswidrig – weder PKV noch GKV dürften dazu zwangsweise herangezogen werden (s. Stellungnahme des PKV-Verbands). Dass die UPD keine Versicherungsleistung, sondern allgemeiner Verbraucherschutz sei, werde durch ihre geplante Organisationsform untermauert: Die Regierung will die UPD als Stiftung aufstellen, auf deren Tätigkeit GKV und PKV keinen Einfluss nehmen dürfen.  

Bundestagsjuristen sehen Verfassungsverstoß

Auch nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist die geplante Reform der UPD verfassungswidrig. Die verpflichtende Finanzierung durch Gesetzliche und Private Krankenversicherung sehen die Bundestagsjuristen kritisch, denn die Aufgaben der UPD gingen weit über die Pflichten von Kassen und Versicherern hinaus. Zudem hätten sie trotz Finanzverpflichtung keinen Einfluss auf die Arbeit der UPD, heißt es in einer Ausarbeitung.

Deutliche Kritik an Gesetzesbegründung

Besonders scharf kritisiert Thüsing nun auch die Gesetzesbegründung für den Regierungsentwurf. Darin wird behauptet: „Die privaten Krankenversicherer haben die UPD bislang freiwillig mit einem finanziellen Beitrag unterstützt. Dies deutet darauf hin, dass auch seitens der privaten Krankenversicherung erhebliche Vorteile darin gesehen werden, ihre Versicherten am Beratungsangebot der UPD partizipieren zu lassen. Dieser Nutzen für privat Versicherte und für die privaten Versicherungsunternehmen rechtfertigt die Beteiligung der PKV an der Finanzierung der Stiftung.“

Gemeint ist damit die freiwillige Beteiligung der PKV an der Finanzierung der UPD. Mit aktuell 713.000 Euro pro Jahr, fördert sie gezielt die fremdsprachige Beratung auf türkisch, russisch und arabisch. Thüsing schreibt dazu: „Ebenfalls unzutreffend ist die sodann aus dem Umstand der freiwilligen Finanzierung der UPD durch die PKV gezogene Schlussfolgerung, die PKV sehe erhebliche Vorteile darin, ihre Versicherten am Beratungsangebot der UPD partizipieren zu lassen. Die freiwillig zugesicherten Beiträge in Höhe von rund 7 Prozent der Fördersumme werden insbesondere für gezielte Beratungsangebote für schwer erreichbare Zielgruppen, wie etwa Menschen mit Migrationshintergrund, die auf eine Beratung in ihrer Muttersprache angewiesen sind, verwendet.“

Zum Start dieses Engagements im Jahr 2016 hatte die PKV diese freiwillige Zahlung wie folgt begründet: „Die Private Krankenversicherung trägt gesamtgesellschaftliche Verantwortung und leistet einen ganz konkreten Beitrag zur Integration von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft.“

Dazu folgert Thüsing. „Vor dem Hintergrund dieses gemeinnützigen Engagements für vulnerable Gruppen, die nicht in der PKV versichert sind, erscheint die Begründung des Regierungsentwurfs, die freiwillige Finanzierung der PKV lasse auf erhebliche Vorteile für ihre eigenen Versicherten schließen, kontrafaktisch und geradezu aberwitzig.“

Sowohl GKV- als auch PKV-Verpflichtung verstößt gegen das Grundgesetz

Hinsichtlich der GKV stellt Thüsing unter anderem auf die engen Grenzen des Transfers von Beitragsgeldern ab. Diese hat auch das Bundessozialgericht in seinem jüngsten Urteil zur GKV-Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hervorgehoben. Die Legitimation erstrecke sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der SozialversicherungDaher fehle dem Bund im Hinblick auf die GKV von vornherein die Gesetzgebungskompetenz.

Eine Finanzierungsverpflichtung der PKV erfülle als Sonderabgabe ebenfalls nicht die strengen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen: Es sei nicht ersichtlich, warum eine besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabenpflichtigen bestehen soll - denn die PKV sei nicht verantwortlich für die Finanzierung von Kosten, die durch Patientenberatung auch zugunsten von GKV-Versicherten entstehen, so das Gutachten.

PKV prinzipiell zur Fortsetzung ihres freiwilligen UPD-Engagements bereit

Die PKV sieht sich durch das Gutachten in ihrer Ablehnung einer Zahlungsverpflichtung bestärkt – was nicht heißt, dass sie ihre Unterstützung der UPD als Teil ihres gesamtgesellschaftlichen Engagements grundsätzlich einstellen will. Bereits seit 2011 beteiligt sich die Private Krankenversicherung freiwillig an der Finanzierung der Unabhängigen Patientenberatung und wirkt im UPD-Beirat stimmberechtigt mit. 

Sie kommt dabei dezidiert für die muttersprachliche Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund auf sowie für die Verbesserung der Gesundheitskompetenz schwer erreichbarer Zielgruppen. 2015 wurde der PKV-Fördervertrag mit der damals neu gegründeten UPD gGmbH geschlossen, er galt verbindlich von 2016 bis 2022. Zur vorgesehenen Verlängerung der Tätigkeit der UPD gGmbH um 12 Monate hat der PKV-Verband wiederholt seine Bereitschaft erklärt. Zudem wurden die vertraglichen Grundlagen mit der UPD gGmbH und Prognos AG um 12 Monate verlängert, wie dies § 65b Abs. 1 Satz 4 SGB V vorsieht und wie es im UPD-Beirat vereinbart wurde.