Die Bundesregierung hat sich mit dem Klimagesetz das Ziel gesteckt, in Deutschland bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Das Gesetz geht in seiner aktuellen Fassung auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 zurück. Darin heißt es: „Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, erlegt Art. 20a GG dem Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht auf. Danach müssen bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen berücksichtigt werden.“
Gerade wenn es um wichtige Zukunftsfragen geht, sollte wissenschaftliche Expertise die Grundlage politischen Handelns sein. So war es in der Corona-Pandemie und so ist es bei der Klimapolitik. Doch wenn es um die Folgen der Demografie geht, scheint die Politik jede Warnung in den Wind zu schlagen.
Verantwortung für künftige Generationen als Staatsziel
Artikel 20a des Grundgesetzes bezieht sich auf die staatliche „Verantwortung für die künftigen Generationen“. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Urteil lediglich unter dem Aspekt des Klimaschutzes bewertet, bisher aber nicht auf finanzielle Nachhaltigkeit. Sonst hätte die Politik auch hier längst handeln müssen. Denn von „wissenschaftlicher Ungewissheit“ kann hier keine Rede sein. Die finanziellen Auswirkungen des demografischen Wandels werden von Wissenschaftlern seit Jahren beschrieben. Dramatische Folgen werden dabei vor allem für die umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme prognostiziert.
Datengrundlage zum demografischen Wandel ist eindeutig
Grundlage für fast alle wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Demografie sind die Daten des Statistischen Bundesamtes. Dort heißt es: „Die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen verschieben den demografischen Rahmen in bisher nicht gekannter Art und Weise.“ Und weiter: Diese als schleichend empfundenen Prozesse werden sich in naher Zukunft deutlich beschleunigen.“ Dies bestätigen die Zahlen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, demzufolge Deutschland 2021 zum 50. Mal in Folge ein Geburtendefizit verzeichnete.
Dramatische Folgen für Sozialsysteme und Staathaushalt
An Warnungen über die Auswirkungen dieser Entwicklung für unser Gesundheitssystem mangelt es ebenfalls nicht. „In der Konsequenz trägt das zu einem Wandel des Krankheitsspektrums bei, der durch das Gesundheitsversorgungssystem bewältigt werden muss“, schreibt etwa das Robert Koch-Institut. Selbst in ein Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung haben die Erkenntnisse Einzug gefunden. Darin heißt es: „Fest steht: Die Veränderungen in der Alterszusammensetzung der deutschen Gesellschaft haben potenziell enorme Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme. Denn die sind größtenteils umlagefinanziert: Der jeweils erwerbstätige Teil der Bevölkerung zahlt also für die aktuellen Rentner beziehungsweise Leistungsbezieher, auch in der Pflege.“
Gerade auf die Pflege wirkt sich der wachsende Anteil älter Menschen in der Bevölkerung massiv aus. Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) hat einen Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen von heute rund 5 Millionen auf 7,25 Millionen im Jahr 2050 berechnet. In der Folge attestieren so gut wie alle wissenschaftlichen Institutionen dem Staat massive Ausgabenprobleme in der Zukunft. Ein paar Beispiele:
- Die Professoren Thiess Büttner und Martin Werding warnen vor einem Anstieg der Sozialabgabenquote auf 45 Prozent.
- Die Stiftung Marktwirtschaft hat die implizite Verschuldung der Kranken- und Pflegeversicherung berechnet. Demnach beträgt die Nachhaltigkeitslücke der öffentlichen Haushalte 398,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
- Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) warnt in einem Gutachten, die Pflege-Pläne der Ampel-Regierung würden die jüngeren Generationen massiv belasten.
- Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem Schluss, ass die Ausgaben der sozialen Sicherung durch die Alterung der Bevölkerung bis 2045 von derzeit 890 Milliarden Euro auf etwa 1,6 Billionen Euro anwachsen werden – selbst dann, wenn die Geburtenraten wieder steigen sollten.
- Und der Bundesrechnungshof warnt sogar eindeutig vor einem „Kontrollverlust bei den Bundesfinanzen.“
All diese Warnungen renommierter Wissenschaftler perlen jedoch an der Politik ab. In der gesetzlichen Krankenversicherung schließt der Bundesgesundheitsminister trotz massiver Finanzierungsproblem Leistungskürzungen kategorisch aus. Und in der Pflege hat es in den vergangenen Jahren sogar massive Leistungsausweitungen gegeben, die das überlastete System weiter strapazieren. Ohne Frage. Vielen Betroffenen helfen die beschlossenen Mehrleistungen sicher weiter. Sie dürften in der Gesellschaft jedoch zugleich den Eindruck verstärken, der Staat werde alle Probleme schon richten. Das fördert die in weiten Teilen der Bevölkerung ein falsches Sicherheitsgefühl und verhindert tendenziell die Bereitschaft zu mehr Eigenverantwortung und privater Vorsorge. Die aber ist zwingend notwendig, um dem Finanzierungsproblem in Folge der alternden Gesellschaft zu begegnen.