Stellungnahme 29. Juli 2025

Die Modernisierung der Verbraucherschutzvorgaben im digitalen Bereich ist richtig und notwendig. Für eine praxisnahe und rechtssichere Umsetzung schlägt der PKV-Verband Anpassungen vor.

  • Mit dem Referentenentwurf soll ein wichtiger Schritt zur Modernisierung der Verbraucherschutzvorgaben im digitalen Bereich erreicht werden. Für eine praxisnahe und rechtssichere Umsetzung sind allerdings Anpassungen erforderlich.
  • Die Einführung einer elektronischen Widerrufsfunktion bringt erhebliche technische und organisatorisch-prozessuale Herausforderungen mit sich. Es sollten branchenspezifische Einschränkungen der elektronischen Widerrufsfunktion geprüft werden, um eine praxistaugliche Umsetzung sicherzustellen.
  • Problematisch ist der Entfall der Gesetzlichkeitsfiktion für Musterbelehrungen, insbesondere für PKV-Produkte. Von der vorgesehenen Änderung sollte abgesehen werden, da sie zu erhöhter Rechtsunsicherheit für Verbraucher und Versicherer und einem erhöhten administrativen Aufwand führt.

I. Allgemeine Anmerkungen

Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2673 in nationales Recht stellt im Hinblick auf die ge-stiegenen Anforderungen im digitalen Umfeld einen wichtigen Schritt zur Modernisierung des Verbraucherschutzes dar. Die Private Kranken- und Pflegeversicherung (PKV) unterstützt die Zielsetzung des Referentenentwurfs, den Verbraucherschutz unionsrechtskonform umzusetzen und dabei auch den spezifischen Herausforderungen digitaler Vertriebskanäle gerecht zu werden. Dennoch erscheint eine differenzierte Auseinandersetzung mit den vorgeschlagenen Regelungen notwendig, um rechtliche und technische Unklarheiten zu vermeiden.

Die PKV begrüßt die Bemühungen, durch klare gesetzliche Vorgaben sowohl den Versicherten als auch den Versicherern verlässliche Rahmenbedingungen zu bieten. Dies gilt beispielsweise für die Begrenzung des Widerrufsrechts gemäß § 8 Abs. 4 VVG-E, die eine ausgewogene Balance zwischen Verbraucherschutz und Rechtssicherheit herstellt. Hieran sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren festgehalten werden.

Gleichzeitig erfordert die Einführung der elektronischen Widerrufsfunktion gemäß § 356a BGB-E in Verbindung mit § 8 Abs. 1 VVG-E eine umsetzbare und ausgewogene Gestaltung, die Verbraucherinteressen wahrt und für Versicherer rechtlich sowie technisch machbar ist.

Ein bedeutsames Anliegen der PKV bleibt die Wahrung der bewährten Gesetzlichkeitsfiktion für Musterbelehrungen (§ 8 Abs. 4 VVG), die durch den Referentenentwurf für im Fernabsatz vertriebene PKV-Produkte entfallen soll (§ 8 Abs. 5 VVG-E). Diese hat sich als wichtiges Instrument erwiesen, um Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten und Streitigkeiten frühzeitig zu vermeiden. Eine Abkehr von diesem bewährten Ansatz würde die Rechtssicherheit von PKV-Produkten mindern. Angesichts der strukturellen und kalkulatorischen Vergleichbarkeit von PKV-Produkten mit Lebensversicherungen (vgl. § 146 VAG sowie die Solvency II-Richtlinie 2009/138/EG, insb. Art. 206) ist die Beibehaltung der bisherigen Regelung sachgerecht und rechtlich-systematisch geboten.

II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs

Zu Art. 5 Nr. 4 lit. a (§ 8 Abs. 1 VVG-E) i. V. m. Art. 1 Nr. 6 (§ 356a BGB-E) – Einführung einer elektronischen Widerrufsfunktion bei Fernabsatzverträgen

Vorgeschlagene Regelung
§ 356a BGB-E regelt die zwingende Implementierung einer elektronischen Widerrufsfunktion bei Fernabsatzverträgen. Diese Verpflichtung greift aufgrund des neu angefügten Satzes 2 in § 8 Abs. 1 VVG-E auch für PKV-Produkte. Die vorgesehene Widerrufsfunktion muss während des Laufs der Widerrufsfrist auf der Online-Benutzeroberfläche ständig verfügbar, hervorgehoben platziert und für den Verbraucher leicht zugänglich sein. Weiter geregelt sind die Übermittlung, Zurverfügungstellung einer Bestätigungsfunktion, Eingangsbestätigung und die Zugangsmodalitäten der Widerrufserklärung.

Allgemeine / Grundsätzliche Bewertung
Die Umsetzung der elektronischen Widerrufsfunktion bringt rechtliche, technische und organisatorische Herausforderungen mit sich. Verbraucher müssten exakte Angaben zur Identifikation ihres Vertrags machen, wie beispielsweise die Auswahl eines spezifischen Tarifs. Zudem besteht die Verpflichtung, unverzüglich eine Eingangsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger, etwa per E-Mail, zu übermitteln, was insbesondere mit Blick auf die DSGVO eine sorgfältige und komplexe Umsetzung erfordert.

Insbesondere die Bereitstellung einer individuell zugeschnittenen elektronischen Widerrufsfunktion für jeden Kunden während der gesamten Widerrufsfrist ist technisch anspruchsvoll, mit dem Risiko überbordender IT-Gestaltungs- bzw. Prozesserfordernisse. Unbegründete oder unzulässige Widerrufe könnten den Aufwand der Versicherer, insbesondere an der Schnittstelle zwischen Vertrieb und Kundenservice, deutlich erhöhen.

Es sollten daher branchenspezifische Herausforderungen berücksichtigt und sachadäquate, gegebenenfalls einschränkbare Gestaltungsvorgaben der Widerrufsfunktion geprüft werden. Dies könnte dazu beitragen, die Funktion auf die spezifischen Anforderungen einzelner Vertragsarten anzupassen und so eine sachgerechte und praktikable Anwendung sicherzustellen.

Zu Art. 5 Nr. 4 lit. a (§ 8 Abs. 1 S. 3 VVG-E) – Anwendungsbereich der elektronischen Widerrufsfunktion

Vorgeschlagene Regelung
Auf Fernabsatzverträge nach § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, ist § 356a des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.

Bewertung
Der Referentenentwurf stellt klar, dass sich die Pflicht zur Bereitstellung einer elektronischen Widerrufsfunktion gemäß § 356a BGB-E auf online abgeschlossene Verträge beschränkt. Dadurch wird zweifelsfrei klargestellt, dass die Bezugnahme auf § 356a BGB keine Ausweitung der Vorga-ben zur elektronischen Widerrufsoption auf andere Fernabsatzwege (zum Beispiel Telefon oder E-Mail) impliziert.

Zu Art. 5 Nr. 4 lit. b (§ 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VVG-E – Belehrung über das Bestehen des Wi-derrufsrechts) und Nr. 9 lit. b und c (Musterbelehrung als Anlage zu § 8 Abs. 5 S. 1 VVG-E)

Vorgeschlagene Regelung
§ 8 Abs. 2 VVG-E sieht vor, dass die Widerrufsfrist mit dem Vertragsschluss beginnt, jedoch erst nach Zugang der Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform. Diese Belehrung muss Angaben zur Widerrufsfrist, den Modalitäten der Ausübung, einschließlich des Namens und ladungsfähiger Anschrift des Empfängers, sowie den gegebenenfalls zu zahlenden Betrag und die Folgen eines unterlassenen Widerrufs enthalten.

Bewertung
Die im Referentenentwurf enthaltene Musterwiderrufsbelehrung setzt die neuen Anforderungen des § 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VVG-E – insbesondere zu Betrag und Folgen der Nichtausübung des Widerrufsrechts – sachgerecht um. Die PKV begrüßt zudem, dass der Referentenentwurf die Zustimmung des Versicherungsnehmers nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 VVG-E europarechtskonform auf Fernabsatzverträge im Sinne des § 312c BGB beschränkt und für andere Vertragstypen nicht mehr vorsieht.

Für Fernabsatzverträge nach § 312c BGB ist jedoch zu beachten, dass § 9 Abs. 2 Nr. 2 VVG-E weiterhin eine ausdrückliche Zustimmungserklärung des Versicherungsnehmers zum vorzeitigen Beginn des Versicherungsschutzes verlangt. Ein entsprechender Hinweis fehlt in der Musterbelehrung des Referentenentwurfs. Darüber hinaus enthält der Belehrungstext keinen Hinweis auf die Möglichkeit des elektronischen Widerrufs gemäß § 356a BGB-E bei online abgeschlossenen Verträgen. Zwar greifen die Gestaltungshinweise diesen Punkt auf – allerdings nur für Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen.

Die PKV regt daher an, die Musterbelehrung so zu gestalten, dass sie auch im Fernabsatz eingesetzten PKV-Produkten eine vollständige und ordnungsgemäße Belehrung im Sinne der gesetzlichen Vorgaben ermöglicht. Dies erscheint insbesondere deshalb geboten, weil der Referentenentwurf vorsieht, die Gesetzlichkeitsfiktion für Fernabsatzverträge der PKV künftig nicht mehr anzuwenden – eine Änderung, die der Verband kritisch sieht. Die Private Krankenversicherung ist in Struktur, Systematik und Kalkulationsmethodik mit der Lebensversicherung vergleichbar, für die die gesetzliche Fiktion weiterhin ausdrücklich vorgesehen ist. Gerade vor dem Hintergrund dieser geplanten Einschränkung wäre es aus Sicht der PKV sinnvoll, dass die Musterbelehrung alle relevanten gesetzlichen Vorgaben vollständig und rechtskonform abbildet. Denn auch ohne unmittelbare Gesetzlichkeitswirkung entfaltet sie eine erhebliche praktische Bedeutung: Sie dient als wichtige Orientierungshilfe und trägt wesentlich zur Rechtssicherheit und Transparenz für Versicherer und Versicherungsnehmende bei.

Änderungsvorschlag
Die PKV fordert, die Musterwiderrufsbelehrung dahingehend zu ergänzen, dass sie sowohl die für Fernabsatzverträge nach § 312c BGB erforderliche Zustimmungserklärung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 VVG-E als auch die Information zur elektronischen Widerrufsfunktion gemäß § 356a BGB-E ausdrücklich erfasst. Damit ließe sich sicherstellen, dass das Muster auch künftig als verlässliche und praxistaugliche Grundlage für PKV-Produkte im Fernabsatz genutzt werden kann.

Zu Art. 5 Nr. 4 lit. b (§ 8 Abs. 4 VVG-E – Begrenzung des Widerrufsrechts)

Vorgeschlagene Regelung
Das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt ist, bevor der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer nicht gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 über sein Widerrufsrecht nach Absatz 1 belehrt wurde. 

Bewertung
Mit der Begrenzung des Widerrufsrechts für alle Versicherungsverträge, für die ein Widerrufsrecht besteht, wird die dringend erforderliche Rechtssicherheit geschaffen. Der PKV-Verband begrüßt daher die vorgesehene Regelung.

Zu Art. 5 Nr. 4 lit. b (§ 8 Abs. 5 VVG-E – Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrungen)

Vorgeschlagene Regelung 
Gem. § 8 Abs. 5 S. 4 VVG-E sind die Sätze 1 bis 3 auf Fernabsatzverträge nach § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht anzuwenden.

Bewertung
Mit der geplanten Neuregelung des § 8 Abs. 5 S. 4 VVG-E wird die gesetzliche Fiktion der Musterwiderrufsbelehrung für im Fernabsatz abgeschlossene PKV-Produkte ausgeschlossen. Diese Abkehr von der bislang geltenden verlässlichen und transparenten Rechtslage kann aus rechtlicher und praktischer Sicht nicht überzeugen, da sie Rechtsunsicherheiten zulasten der Verbraucher und Versicherer schafft. Ohne die Gesetzlichkeitsfiktion trägt der Versicherer das Risiko der Belehrung auch bei Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung, was insbesondere im Bereich der Fernabsatzverträge zusätzlichen Verwaltungsaufwand und erhebliche Rechtskosten verursachen würde.

Gerade bei Krankenvollversicherungen i. S. v. § 192 VVG, die auf eine lebenslange Absicherung mit entsprechender fortlaufender Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen (z. B. Erstattung von Leistungserbringerrechnungen) ausgerichtet sind und dabei unter besonderer Berücksichtigung der bestehenden Pflicht zur Versicherung nach § 193 Abs. 3 VVG, wären die Folgen eines gegebenenfalls erst viele Jahre später erfolgenden Widerrufs hochkomplex und dabei regelmäßig nicht im wirtschaftlichen Sinne der Versicherten. Im Sinne aller Beteiligten sollte daher eine weitestmögliche Rechtssicherheit auf gesetzlicher Grundlage bestehen.

Der PKV-Verband spricht sich daher dafür aus, die Gesetzlichkeitsfiktion auch weiterhin für im Fernabsatz vertriebene PKV-Produkte beizubehalten. Diese weisen vergleichbare Kalkulations-grundlagen und Regelungssystematiken wie Lebensversicherungen auf, was durch die Richtlinie 2009/138/EG sowie insbesondere § 146 VAG klar unterlegt wird.

Zu Recht wird in der Begründung zum Referentenentwurf bezüglich der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, für die nach § 152 Abs. 1 S. 2 VVG-E die Gesetzlichkeitsfiktion des § 8 Abs. 5 S. 1 bis 3 auch im Fernabsatz weiterhin gilt, auf Art. 186 der RL 2009/138/EG verwiesen und somit die Fortführung der Regelungen zur Musterwiderrufsbelehrung für diese Versicherungssparten befürwortet. Unabhängig von der Frage, ob die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung im Übrigen nicht mit der RL 2023/2673 vereinbar ist, bezieht sich die RL 2009/138/EG ebenfalls auf die PKV und erlaubt mit Blick auf deren Vergleichbarkeit mit Lebensversicherungen spezifische Regelungen durch die Mitgliedstaaten.

Die Erwägungsgründe 84 und 85 sowie Art. 206 der RL 2009/138/EG betonen die besondere Bedeutung der Krankenversicherung im europäischen Rechtsrahmen und ihre Einbettung in den Schutz des Allgemeininteresses.

So konkretisiert Art. 206 der RL 2009/138/EG diese Prinzipien und erlaubt den Mitgliedstaaten, spezifische Rechtsvorschriften für Krankenversicherungsverträge zu erlassen, die die gesetzliche Sozialversicherung ersetzen können.

Vor diesem Hintergrund ist die Gesetzlichkeitsfiktion für PKV-Produkte nicht nur unionsrechtskonform, sondern trägt auch maßgeblich zur Rechtssicherheit und zum Verbraucherschutz bei. Sie gewährleistet, dass Versicherungsnehmer klar und einheitlich über ihre Rechte und Pflichten belehrt werden.

Die Beibehaltung der Gesetzlichkeitsfiktion für PKV-Produkte stellt somit eine sachgerechte und praktikable Lösung dar, die sowohl den rechtlichen Anforderungen als auch den Bedürfnissen der Versicherten gerecht wird.

Änderungsvorschlag
Die gesetzliche Fiktion für im Fernabsatz vertriebene Produkte der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung sollte aufrechterhalten werden, um die bisherige Rechtslage und die damit verbun-dene Rechtssicherheit fortzuführen. Dies schützt die verlässlichen Strukturen, die sowohl für Versicherte als auch für Versicherer entscheidend sind. Entsprechend sollte die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrungen nach den Sätzen 1 bis 3 des § 8 Abs. 5 VVG-E auch auf Fernsatzver-träge der PKV anwendbar sein.

Zu Art. 5 Nr. 5 (§ 9 VVG-E – Rechtsfolgen des Widerrufs)

Vorgeschlagene Regelung
Die Neufassung des § 9 VVG-E präzisiert die Anforderungen an die Zustimmung und Belehrung des Versicherungsnehmers im Falle des Widerrufs. Geregelt werden insbesondere der Zeitpunkt der Belehrung, die vor Abgabe der Vertragserklärung erfolgen muss, die Differenzierung bei Fernabsatzverträgen und die detaillierten Erstattungsfolgen bei in Anspruch genommenen Versi-cherungsleistungen.

Bewertung
Die im Entwurf zu § 9 Abs. 1 bis 4 VVG-E vorgeschlagenen Regelungen passen die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Versicherungsverträgen insbesondere an die im BGB für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen geltenden Vorgaben an.

Änderungsvorschlag
Wie bereits unter Art. 5 Nr. 4 lit. b (§ 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 u. Nr. 9 VVG-E) adressiert, sollte die Musterwiderrufsbelehrung (als Anlage zu § 8 Abs. 5 S. 1 VVG-E) angepasst werden, um ihre Verwendbarkeit auch bei Fernabsatzverträgen der PKV zu ermöglichen.

Im Übrigen schließen wir uns der Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. an.