Stellungnahme 16. September 2021

Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Festsetzung des ergänzenden Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds für das Jahr 2022 (Bundeszuschussverordnung 2022).

I. Inhalt

Der GKV-Bundeszuschuss ist seit 2017 auf jährlich 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde der GKV ein zusätzlicher Zuschuss in Höhe von 7 Milliarden Euro für 2022 zugesichert. Der GKV-Schätzerkreis ermittelte jüngst ein weiterhin bestehendes Defizit in der GKV im kommenden Jahr. Auf Basis dieser Prognose soll der GKV-Bundeszuschuss mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf um nochmals 7 Milliarden Euro erhöht werden.

II. Bewertung

Der Finanzbedarf der Gesetzlichen Krankenkassen erreicht mit einem Steuerzuschuss von 28,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 eine neue Rekordhöhe. Damit setzt sich ein Trend nach oben fort, der 2004 mit der Einführung des GKV-Bundeszuschusses in Höhe von 1 Milliarde Euro aufgrund der damaligen Konjunkturkrise begann. Fünf Jahre später – dann wegen der Finanzmarktkrise – waren es schon 7,2 Milliarden und ein Jahr später sogar 15,7 Milliarden Euro. Die nun erhöhten Zuschüsse zur GKV werden begründet mit der Corona-Pandemie und mit der Begrenzung des Beitragssatzes zur Sozialversicherung auf maximal 40 Prozent. Dabei haben nach eigenen Angaben der GKV nur 20 Prozent ihrer aktuellen Defizite mit der Pandemie zu tun. Maßgeblich für das wachsende Finanzproblem sind die teuren Leistungsreformen der vergangenen Jahre. Die GKV müsste zur Refinanzierung ihrer Aufgaben eigentlich den Beitragssatz erhöhen. Dies würde den Faktor Arbeit aber ausgerechnet in der wirtschaftlichen Krise verteuern. Mag es wirtschaftspolitisch somit Gründe für eine zeitlich begrenzte Erhöhung des Steuerzuschusses geben, so muss zugleich eine Strukturreform der GKV eingeleitet werden, sodass der Bundeszuschuss wieder auf das Vor-Krisen-Niveau gesenkt werden kann.

Höhere Bundeszuschüsse bedeuten zusätzliche Staatsverschuldung und in der Folge dann höhere Steuern. Sie sind weder nachhaltig noch generationengerecht, denn die Lasten der aktuellen Gesundheitsausgaben werden nur verschoben und den nachfolgenden Generationen auferlegt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem aktuellen Urteil zum Klimaschutz einen klaren Maßstab für Generationengerechtigkeit gesetzt: Die heute Aktiven dürfen nicht so viele Ressourcen verbrauchen, dass dadurch die Handlungsfreiheit der nachfolgenden Generationen massiv eingeschränkt wird. Oder wie Prof. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, es formulierte: „Denn wenn wir heutige Sozialleistungen auf Pump finanzieren und Tilgung sowie Zinszahlungen auf die Zukunft verlagern, lassen wir künftige Generationen für unseren heutigen Konsum bezahlen.“

Die Alterung der Bevölkerung, der medizinisch-technische Fortschritt und teure Reformen werden die Finanzen der GKV in den nächsten Jahren weiter belasten und hohen Druck auf die Beitragssätze ausüben: Steigen nämlich Einnahmen und Ausgaben wie im Schnitt der vergangenen 20 Jahre, dann werden bereits 2030 über 80 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt gebraucht, um die Beiträge stabil zu halten. Unter Annahme eines höheren Kostendrucks kann sich diese Deckungslücke auf bis zu knapp 130 Milliarden Euro vergrößern. Eine solche Entwicklung bringt die Gesundheitsversorgung in eine zunehmende Abhängigkeit vom Bundeshaushalt, wo sie in Konkurrenz zu anderen wichtigen Staatszielen wie Klimaschutz, Digitalisierung oder Bildung tritt – bzw. in Konkurrenz zu notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen zur Einhaltung der Schuldenbremse. Es droht eine Versorgung nach Kassenlage.

Überdies sind solch hohe Steuerzuschüsse nicht nur eine wirtschaftliche Belastung, sondern schaden auch dem Wettbewerb zwischen der steuer-kofinanzierten GKV und der ohne staatliche Zuschüsse auskommenden PKV. Denn es ist gerade der aus der Dualität heraus entstehende Wettbewerb, der sich positiv auf die medizinische Versorgung und das Voranbringen von Innovationen auswirkt und einen Beitrag zur Dämpfung der demografischen Lasten leistet.