Stellungnahme 21. Mai 2024

Zur Verbesserung der Situation der Organspende in Deutschland möchte das BMG die Möglichkeiten für Lebendspenden – auch nicht gerichteten – ausbauen. Der PKV-Verband setzt sich für umfassende Aufklärungs- und Informationspflichten im Interesse der gesunden Spender ein.

I. Allgemeine Anmerkungen

Zentraler Aspekt bei der Überarbeitung des Transplantationsgesetzes ist die wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten zur Nierenlebendspende. Dabei soll in Deutschland ein nationales Programm für Überkreuzlebendnierenspenden aufgebaut werden, so dass über einen Pool von inkompatiblen Organspenderpaaren neue, immunologisch passende Kombinationen von Spender und Empfänger gebildet werden können. Ergänzend soll die nicht gerichtete anonyme Nierenspende ermöglicht und parallel der bisherige Vorrang der postmortalen Spende aufgehoben werden. Wesentlich ist die Berücksichtigung der Spenderbelange, insbesondere bei der ungerichteten Spende. Hier wird noch Verbesserungspotenzial gesehen.

Die Private Krankenversicherung unterstützt das Ziel, die Situation der Organspende in Deutschland zu verbessern. Neben diesem Maßnahmenpaket sollte bei der Überarbeitung des Transplantationsgesetzes auch die Chance genutzt werden, die allgemeine Information der Versicherten über die Organspende, zu der die Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen verpflichtet sind, in einem digitalen Format zu ermöglichen.

II. Weiterer Änderungsbedarf

Zu § 2 Abs. 1c S. 2 TPG (Bereitstellung von Informationen)

Bestehende Regelung
In § 2 Abs. 1c S. 2 TPG ist geregelt, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen die in Absatz 1 Satz 3 genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, alle fünf Jahre zusammen mit der Beitragsmitteilung nach § 10 Absatz 2a Satz 9 des Einkommenssteuergesetzes zur Verfügung zu stellen haben.

Bewertung
Es hat sich gezeigt, dass sich das Zusammenfassen der Unterlagen zur Information der Versicherten über die Organspende mit der Beitragsmitteilung nach § 10 Absatz 2a Satz 9 des Einkommenssteuergesetzes – bzw. inzwischen nach § 93c Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung – in der Praxis nicht bewährt hat. Die Informationen zur Organspende und zur steuerlichen Behandlung der Beiträge stehen in keinen Zusammenhang und werden von den Versicherten deshalb häufig auch nicht wahrgenommen. Mit der Zusammenfassung ist auch keine bürokratische Erleichterung verbunden. Im Gegenteil: für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung ist die Zusammenfassung verwaltungstechnisch sehr aufwendig; sie erschwert die Übermittlung ergänzender Informationen zur Organspende. Für die Versicherten ergeben sich hierdurch dagegen keinerlei Vorteile. Die Zusammenfassung der Unterlagen zur Or-ganspende mit der Beitragsmitteilung sollte daher gestrichen werden. Zudem sollte klargestellt werden, dass die Übermittlung des Organspendeausweises sowie der geeigneten Unterlagen auch auf elektronischem Wege erfolgen kann. Viele Versicherte kommunizieren heute auf eigenen Wunsch mit ihrem Versicherer auf elektronischem Wege. Gerade in diesen Fällen sollte für den Versicherer auch die Möglichkeit bestehen, die Informationen zur Organspende über den vom Versicherten bevorzugten Weg zu kommunizieren. Auch die oben angesprochene Beitragsmitteilung nach § 93c Abs. 1 Nr. 3 Abgaben-ordnung kann mit Zustimmung des Steuerpflichtigen in elektronischer Form erfolgen. Die Regelung in § 2 Absatz 1c Satz 3 kann wegen Zeitablauf zudem gestrichen werden.

Vorschlag zur Änderung für den § 2 Absatz 1c:

  • Neufassung des Satzes 2 wie folgt:
    „Die privaten Krankenversicherungsunternehmen haben die in Absatz 1 Satz 3 genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, alle fünf Jahre in Textform zur Verfügung zu stellen.“
  • Streichung des Satzes 3.

III. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs

Zu § 8 Absatz 1 Satz 1 lit. d) (Beratungserfordernis eines Lebendspenders)

Vorgeschlagene Regelungen:
Für Lebendspender wird verpflichtend vorgesehen, dass eine umfassende psychosoziale Beratung und Evaluierung durch eine unabhängige sachverständige Person durchgeführt wird.

Bewertung:
Der Ansatz der ausführlichen und umfassenden Beratung für einen lebenden Spender vor seiner Entscheidung zur Spende einer Niere ist richtig und erforderlich. Die vorliegende Regelung unterscheidet dabei aber nicht zwischen Lebendspendern im Rahmen einer Paarspende und solchen mit ungerichteter Spende. Die Ausgangssituation bei ungerichteter, altruistischer Lebendspende unterscheidet sich aber für den Spender deutlich, sowohl im Entscheidungszusammenhang für eine Spende als auch für das weitere Leben nach der Spende. Im Falle von psychischen oder physischen Beeinträchtigungen durch oder nach der Spende werden Lebendspender in einer Paarsituation in der Regel emotional deutlich besser stabilisiert.

Änderungsvorschlag:
Bei der Beratung ist die besondere Situation von ungerichteten Lebendspendern spezifisch zu berücksichtigen.


Zu § 8 Absatz 1 Satz 1 Nr 3 lit. d) in Verbindung mit Nr.3 (Organentnahme entgegen der Einschätzung der psychologischen Evaluation)

Vorgeschlagene Regelungen:
Für die Zulässigkeit einer Lebendorganspende neu aufgenommen wird eine umfassende psychologische und psychosoziale Evaluation durch eine unabhängige sachkundige Person. Allerdings kann der verantwortliche Arzt die Organentnahme durchführen, auch wenn die Evaluation den potentiellen Spender als nicht geeignet beurteilt hat. Der Arzt hat dies in der Spenderakte zu begründen.

Bewertung:
In der vorliegenden Abfassung reicht eine Begründung des verantwortlichen Arztes, um sich über das Urteil der psychologischen und psychosozialen Einschätzung hinwegzusetzen. Dieses Vorgehen ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere bei Personen, die sich zu einer altruistischen ungerichteten Spende bereit erklären, ist die psychologische Beratung und Evaluation von besonderer Bedeutung. Es bleibt unklar und ungeregelt, ob und in welcher Form der verantwortliche Arzt in eine Abstimmung mit der beratenden Person und dem potentiellen Spender eintreten muss. Im Gesamtzusammenhang einer Überkreuzlebendspende einschließlich einer ungerichteten Spende kann es nach Einwilligung der Betroffenen im Zeitraum nach 24 Monaten auch zu einer Offenlegung kommen. Wie gehen dann die einbezogenen Spenderpaare damit um, wenn ein altruistischer Spender in einer psychischen Krise steckt und die Organentnahme entgegen der psychosozialen Evaluation erfolgt war?

Änderungsvorschlag:
Beabsichtigt der verantwortliche Arzt des Transplantationszentrums entgegen der Beurteilung der psychosozialen Evaluation ein Organ beim lebenden Spender zu entnehmen, ist er dazu nur befugt, wenn er zuvor eine einvernehmliche Abstimmung mit der/dem Sachverständigen und dem Spender herbeigeführt hat. Die Gründe sind nachvollziehbar in der Spenderakte zu hinterlegen.


Zu § 8a Absatz 3 Satz 5 (Organentnahme gegen die Stellungnahme der Lebendspendenkommission)

Vorgeschlagene Regelungen:
Vor Entnahme eines Organs muss die nach Landesrecht zuständige Lebendspendekommission gutachterlich Stellung nehmen und auf Anhaltspunkte einer nicht-freiwilligen Einwilligung in die Spende oder auf das mögliche Vorliegen eines Organhandels prüfen. Beabsichtigt der verantwortliche Arzt des Transplantationszentrums eine Organentnahme entgegen der Stellungnahme der Kommission, so hat er das in der Spenderakte nachvollziehbar zu begründen.

Bewertung:
In der vorliegenden Abfassung reicht eine Begründung des verantwortlichen Arztes, um sich über das Votum der Lebendspendekommission hinwegzusetzen. Dieses Vorgehen ist nicht nachvollziehbar. Es bleibt unklar und ungeregelt, ob und in welcher Form der verantwortliche Arzt in eine Abstimmung mit der Kommission und auch den beteiligten Organspendepaaren eintreten muss.

Änderungsvorschlag:
Beabsichtigt der verantwortliche Arzt des Transplantationszentrums entgegen der Stellungnahme der Lebendspendenkommission ein Organ beim lebenden Spender zu entnehmen, ist er dazu nur befugt, wenn er zuvor eine einvernehmliche Abstimmung mit der Kommission als auch dem beteiligten Organspendepaar vorgenommen hat. Die Gründe sind nachvollziehbar in der Spenderakte zu hinterlegen.


Zu § 8a Absatz 4 Satz 2 (Zusammensetzung der Lebendspendekommission)

Vorgeschlagene Regelungen:
Neben der personellen Mindestausstattung der Kommission bleibt das Nähere zu ihrer Zusammensetzung (und Finanzierung) dem jeweiligen Landesrecht überlassen.

Bewertung:
Da sich in dem Pool von inkompatiblen Organspendepaaren voraussichtlich länderübergreifend Personen befinden werden, sollte das Vorgehen in den Kommissionen und ihre personelle Zusammensetzung bundeseinheitlich geregelt sein. Da die Kommissionen gegebenenfalls mit Stimmenmehrheit über ihre Stellungnahme entscheiden, ist die Zusammensetzung und das Verfahren zur Erstellung des Gutachtens von Relevanz.

Änderungsvorschlag:
Es sollte eine bundeseinheitliche Regelung für die Zusammensetzung und das Verfahren bei den Lebendspendekommissionen erfolgen.


Verbesserung der Qualitätssicherung bei Lebendspendern

Vorgeschlagene Änderungen:
Im Bereich der Qualitätssicherung sind keine Verbesserungen im Referentenentwurf vorgesehen. Lediglich der Begriff Nachbetreuung wird durch den Begriff Nachsorge ersetzt.

Bewertung:
Die Gesetzesänderung sollte zum Anlass genommen werden, die Evaluation und Qualitätssicherung bei Lebendorganspenden zu verbessern, insbesondere mit Blick auf die ungerichtete altruistische Spende. Bislang finden sich Indikatoren in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL), dort als Verfahren 5 –Transplantationsmedizin (§ 1, lit. g, Nierenlebendspenden). Die Erfassung beschränkt sich allerdings neben dem akuten Krankenhausaufenthalt der Operation auf einen Zeitraum von maximal drei Jahren Nachbeobachtung. Erhoben werden die Parameter Dialysepflicht bei Entlassung, innerhalb von drei Jahren Tod, eingeschränkte Nierenfunktion (ohne nähere Klassifikation oder Definition) oder Albuminurie (ohne nähere Definition).

Änderungsvorschlag:
Erforderlich wären eine Ausweitung des Erfassungszeitraumes auf wenigstens 10 Jahre (oder besser 15 Jahre) sowie eine Aufnahme ergänzender Parameter wie zum Beispiel die Erfassung der Arbeitsfähigkeit oder weiterer typischer Folgeprobleme wie Fatigue. Diese Parameter sollten möglichst für alle Nierenle-bendspende erfasst werden; in jedem Fall aber verpflichtend für diejenigen, die eine altruistische Spende geben.


Zu § 10 Absatz 2 Satz Nr. 5 Lit. d)2 (Organisation der Überkreuzspende)

Vorgeschlagene Regelungen:
Mit der Überarbeitung des § 10 Abs. 1 erhalten die Transplantationszentren die Verantwortung für die Zusammenarbeit in der Durchführung einer Überkreuzlebendspende bzw. nicht gerichteten anonymen Spende. Das betrifft auch die Festlegung für die Orte der Organentnahme und Transplantation. Die Organentnahme soll möglichst zeitgleich erfolgen.

Bewertung:
Die Überkreuzspende mit mehreren Spenderpaaren erfordert eine komplexe Organisation. Der Sicher-stellung einer zeitgleichen Entnahme kommt eine zentrale Bedeutung zu, da ansonsten in einer Kettenreaktion die ganze Planung gestört werden könnte. Ein entscheidender Vorteil der Lebendspende wird in den Organisationsvorgaben nicht adressiert: die möglichst kurze Ischämiezeit für das zu transplantierende Organ. Bei einer Lebendspende eines „einfachen“ kompatiblen Organspendepaars wird das durch Entnahme und Operation im selben Zentrum ideal organisiert. Bei der Überkreuzspende sieht der Entwurf die Operation im jeweiligen Transplantationszentrum vor, in dem Spender und Empfänger registriert wurden. Räumliche Distanzen und lange Transportwege werden dabei nicht berück-sichtigt. Das Festhalten am originären Transplantationszentrum ist unter Maßgabe einer Optimierung der Ischämiezeit nicht nachvollziehbar.

Änderungsvorschlag:
Vorgesehen werden sollte, dass die Transplantationszentren für Entnahme und Transplantation des Organs so gewählt werden, dass unter Gewährleistung der Anonymität eine möglichst kurze Distanz zur Minimierung der Ischämiezeit erreicht wird.


Zu § 14 Absatz 3 Satz 2 (Offenlegung der Identität nach Überkreuzspende)

Vorgeschlagene Regelungen:
Im Falle einer Überkreuzlebendnierenspende kann nach Ablauf von 24 Monaten die Identität eines Spenders und Empfängers nach ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen bekannt gegeben werden.

Bewertung:
Diese Regelung ist ein Novum im Transplantationsgesetz. Die Gesetzesbegründung verweist dazu auf Erfahrungen in anderen Ländern, die gezeigt hätten, dass ähnlich wie bei der Knochenmark- bzw. Stammzellspende, die ebenfalls anonym erfolge, auch bei Spenderinnen oder Spendern und Empfängerinnen oder Empfängern einer Überkreuzlebendspende das Bedürfnis bestehe, sich später kennenzulernen. Weiterhin sei es nachvollziehbar, dass die Transplantation eines Organs, das von einer lebenden Person gespendet wurde, ein „emotionales und psychisch herausforderndes Ereignis“ sei und dass neben der wichtigen Frage nach dem Heilungserfolg und Gesundheitszustand des anderen Parts bei vielen der Betroffenen der Wunsch nach Kontaktaufnahme entstehe.

Ob und welche Erfahrungen mit dem Vorgehen der Offenlegung in den anderen Ländern bestehen, wird nicht näher beschrieben. Ob im Einzelfall oder insgesamt das Wohlbefinden der Betroffenen gestärkt wird, bleibt bei der Formulierung „herausforderndes Ereignis“ offen.

Änderungsvorschlag:
Eine nähere Erläuterung zu den Vorteilen der Offenlegung und zu den Quellen dieser empirischen Un-tersuchungen wäre wünschenswert.


Zu § 16 Absatz 1 (Richtlinien der Bundesärztekammer und Aufklärung eines Lebendspenders)

Vorgeschlagene Regelungen:
Die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer wird ausgeweitet und bezieht in der Nummer 4a auch die Belange von lebenden Organspendern ein, die mit Änderung des TPG vorgesehen sind.

Bewertung:
Eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist zu begrüßen und von großer Bedeutung. Bislang richten sich die Richtlinien der Bundesärztekammer allerdings an die betreffenden Fachleute und sind nicht geeignet zur Information von interessierten Personen, die eine Lebendspende für sich in Betracht ziehen. Eine neutrale und allgemeinverständliche Aufklärung zu den Möglichkeiten, Vor-und Nachteilen sowie den Risiken einer Lebendspende unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz ist für eine so schwerwiegende Entscheidung zu fordern. Erfahrung mit der Erstellung solcher Materialien hat der Gemeinsame Bundesausschuss (bzw. die zugehörigen Institute IQWIG, IQTIG), bei dem vergleichbare Unterlagen zum Beispiel bei der Entscheidung für oder gegen eine Präventionsmaßnahme schon vielfach erstellt wurden. Diese Unterlagen müssen dann frei verfügbar sein, um schon vor dem Kontakt mit einem Transplantationszentrum eine Information für einen potentiellen Lebendspender zu ermöglichen. Die von der BZgA bislang zur Lebendspende bereitgestellten Unterlagen genügen diesem Anspruch nicht.

Änderungsvorschlag:
Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte mit der Erstellung einer neutralen und allgemeinverständli-chen Aufklärung zu den Möglichkeiten, Vor-und Nachteilen sowie Risiken einer Lebendspende unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz beauftragt werden.

 

Abschließende Bemerkung (Information der Öffentlichkeit)

Offen ist im Gesamtverfahren, in welcher Form der neue Modus für die Lebendorganspende seinen Weg in die Öffentlichkeit findet. Das Vorgehen in anderen Ländern mit vergleichbaren Möglichkeiten ist vielfältig und reicht bis zur gezielten Werbung in sozialen Medien. Für die Bundesrepublik Deutschland sollte eine Beschränkung auf die vorgenannten Informationswege und –quellen vorgesehen werden.