Interview 18. September 2023

Die rechtlichen Anforderungen an die Versorgung von Menschen mit Demenz in der stationären Pflege wurden neu definiert. Das hat auch Auswirkungen auf die Qualitätsprüfungen von Pflegeeinrichtungen. Melanie Nußbaum von Careproof, dem Prüfdienst der PKV, erläutert, wie diese jetzt ablaufen.

Melanie Nußbaum, Fachkoordinatorin bei Careproof.

Was bedeutet es für die Qualitätsprüfungen, wenn die Versorgung von Menschen mit Demenz stärker in den Fokus rückt?

Neben den klassischen Themen wie Ernährungs-und Flüssigkeitsversorgung sowie Körperpflege gibt es jetzt neue Prüfinhalte, die ganz konkret auf die Unterstützung von Menschen mit Demenz zielen: Beispielsweise bei der bedarfs- und bedürfnisgerechten Gestaltung des Alltagslebens, der Kontaktpflege sowie beim Umgang mit herausfordernd erlebtem Verhalten und psychischen Problemlagen. Auch Krisensituationen, wie der Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung, der Kurzzeitpflegeaufenthalt, sowie der erste Besuch einer Tagespflege werden aus der personenzentrierten Perspektive in die Qualitätsprüfung einbezogen.

Zudem nimmt die Qualitätsprüfung noch stärker als bisher die fachliche Beratung der Pflegeeinrichtungen in den Blick. Internes Qualitätsmanagement und externe Qualitätsprüfung sollten bei der Begleitung und Pflege von Menschen mit Demenz Hand in Hand gehen. Dem Fachgespräch auf Augenhöhe zwischen uns und den Pflegekräften kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu.

Welche speziell auf demente Menschen ausgerichtete Anforderungen müssen Pflegeeinrichtungen erfüllen?

Neben der individuellen Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf werden „bedarfsübergreifende fachliche Anforderungen“ im Rahmen der Qualitätsprüfung aufgegriffen. Hier werden, unabhängig von der konkreten Ausprägung des individuellen Hilfebedarfs von Menschen mit Pflegebedarf, Themen mit besonderer Relevanz geprüft. Dazu gehört der Umgang der Pflegeeinrichtung mit Risiken und Gefährdungen sowie die allgemeine Anforderung, eine an lebensgeschichtlich bedeutsamen Situationen ausgerichtete Versorgung zu gewährleisten, die sogenannte biografieorientierte Unterstützung. Auch die Einhaltung von Hygieneanforderungen und der Einsatz von Hilfsmitteln werden in der Qualitätsprüfung beurteilt.

Einen besonderen Stellenwert, gerade für Menschen mit Demenz, stellt das Thema „Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unversehrtheit“ dar. Hier stehen die Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, die personenzentrierte Pflege, der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte von Menschen mit Pflegebedarf im Vordergrund. Mit der Integration der Persönlichkeitsrechte in die Qualitätsprüfungs-Richtlinien ist eine Grundlage geschaffen worden, die Versorgungsqualität von Menschen mit Pflegebedarf, insbesondere mit Demenz, in Pflegeeinrichtungen zu sichern und weiterzuentwickeln.

Gibt es bei der Prüfung von ambulanten Pflegediensten eigentlich andere Schwerpunkte?

Bei den ambulanten Diensten steht die Versorgungsqualität des Menschen mit Pflegebedarf in der eigenen Häuslichkeit im Fokus. Pflegeleistungen, wie die Körperpflege, die medizinische Behandlungspflege, beispielsweise die Gabe von Medikamenten und Leistungen der Betreuung stehen hier im Vordergrund der Qualitätsprüfung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch hier im Bereich der Menschen mit Demenz. Hier wird beurteilt, ob biografische Besonderheiten und individuelle Vorstellungen bei der Leistungserbringung berücksichtigt werden. Die Abwehr von Risiken und Gefährdungen im häuslichen Umfeld sowie die Durchführung erforderlicher Beratungen wird geprüft. Dazu gehört auch die Frage, ob die Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen mit Demenz Tipps und Hinweise zum Umgang mit Demenz erhalten.

Sie prüfen auch die sogenannten ambulanten Betreuungsdienste. Worauf kommt es dabei an?

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz hat der Gesetzgeber ein Modellvorhaben zur praktischen Erprobung und wissenschaftlichen Evaluation neuartiger Betreuungsdienste durchführen lassen. Diese ambulanten Dienste konzentrieren sich auf Leistungen der häuslichen Betreuung und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Sie erweitern das Angebot der ambulanten pflegerischen Versorgung gerade auch für Menschen mit Demenz um zum Beispiel Spaziergänge, Vorlesen, Handarbeit, Spiele, Gespräche und so weiter. Mit der Prüfung auch dieser Dienste leistet Careproof einen wichtigen Beitrag dazu, die Versorgungsqualität und Wirksamkeit von Pflege- und Betreuungsmaßnahmen, insbesondere von pflegebedürftigen Menschen mit Demenz, in Deutschland zu sichern und weiterzuentwickeln.