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Die Grünen im Bundestag wollen mit Einführung der Bürgerversicherung das Ende der Privaten Krankenversicherung einläuten. Die hohen Belastungen für die Versicherten übergeht das neue Positionspapier mit einem raffinierten Ablenkungsmanöver.

29.04.2021 - ”Eine für alle!”, das Motto auf dem Parteitag der Grünen im Jahr 2004 ließ keinen Raum für Spekulationen. Die Delegierten beschlossen die Weiterentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung zur „Bürgerversicherung“, zu deren wichtigsten Eckpunkten die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung (PKV) gehört. Alle Bürgerinnen und Bürger müssten sich zukünftig einheitlich in der Bürgerversicherung versichern.

Für Spekulationen sorgte dagegen der jüngste Beschluss der Grünen Bundestagsfraktion zur Reform des deutschen Krankenversicherungssystems. Im Positionspapier erklärten die Abgeordneten, dass sie für den Fall einer Regierungsbeteiligung weiter die „Bürgerversicherung“ anstreben, dabei aber die Private Krankenversicherung (PKV) keineswegs abschaffen wollten. „Die private Krankenversicherung besteht fort“, heißt es.

Auch der „neue" Vorschlag zielt auf die Abschaffung der PKV

Eine neue Variante der Bürgerversicherung unter Beibehaltung der Dualität? „Private sollen bleiben“, titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland in einem Exklusivbericht. Weil die Abschaffung der PKV verfassungsrechtlich schwierig sei, wolle die Fraktion nun „einen anderen Weg“ einschlagen, berichtete die Redaktion. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich der vermeintliche Kurswechsel allerdings als raffiniertes Ablenkungsmanöver.

Auch der „neue“ Vorschlag der Grünen zielt auf die Abschaffung der PKV und des dualen Systems, nämlich durch Einbeziehung der PKV in den Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung. Besonders pikant dabei: Die Grünen holen eine verstaubte Idee aus der Mottenkiste. Denn exakt diesen Vorschlag hatte 2006 schon einmal die damalige SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vorgelegt – und ist politisch damit gescheitert.

Grüne lassen PKV-Versicherte doppelt zahlen

Das Bürgerversicherungsszenario sieht vor, dass Privatversicherte wie GKV-Versicherte einkommensabhängige Beiträge in den Gesundheitsfonds einzahlen. Aus diesem würden sie wie im GKV-System eine durchschnittliche Pauschale ‚ausgezahlt‘ bekommen und könnten sich dann für eine Kasse oder ein PKV-Unternehmen entscheiden. Viele Privatversicherte – insbesondere alle Angestellten in der PKV – müssten dann den Höchstbetrag in den Fonds einzahlen – und würden nur eine deutlich niedrigere Prämie aus ihm zurückerhalten. Nach diesem Minusgeschäft müssten sie dann nochmals Geld drauflegen, um ihren realen PKV-Beitrag zu zahlen. Der wird schon allein durch den zusätzlichen Aufbau des PKV-typischen Vorsorgekapitals für die höheren Gesundheitskosten im Alter entsprechend höher sein. Die Differenz müssten die Versicherten also zusätzlich aufbringen.

Diese Regelung hätte absurde Folgen: Privatversicherte müssten in der GKV ein System der Umlage mitfinanzieren und zugleich in der PKV leistungs- und risikoadäquat kalkulierte Prämien für sich und ihre Kinder zahlen und obendrein Rückstellungen fürs Alter bilden. Mit anderen Worten: Sie würden doppelt bezahlen – für das eigene Risiko, das eigene Alter und die eigenen Angehörigen sowohl in der PKV als auch in der GKV.

Beitragserhöhungen insbesondere für Rentner mit Vorsorge fürs Alter 

Die Auswirkungen für die Versicherten wären gravierend. Davon ist in dem Grünen-Positionspapier jedoch nichts zu lesen. Für einen PKV-Versicherten mit Einkommen ab der Beitragsbemessungsgrenze (2021: 4.837,50 Euro) würden die Zahlungen in den Gesundheitsfonds zu einer Mehrbelastung von etwa 100 Prozent führen. Ein Durchschnittsverdiener (Jahreseinkommen 2021:   41.541 €) müsste immer noch über 50 Prozent draufzahlen.

Das Grünen-Modell sieht außerdem vor, alle Einkommensarten wie Kapitalerträge und Mieteinkünfte in die Beitragsbemessungsgrenze einzubeziehen. Das wäre nichts anderes als eine außerordentliche Beitragserhöhung für Durchschnittsverdiener und Rentner. Kapitalerträge sind längst kein Privileg von „Besserverdienenden“ mehr, sondern vielfach Bestandteil der mühsam ersparten Altersvorsorge von Normalverdienern. Vor allem Rentner mit Einkünften unterhalb der Bemessungsgrenze müssten dann drastisch höhere GKV-Beiträge von ihrer Altersvorsorge abziehen. Dagegen bleiben Vermögensmillionäre mit ihren Kapitaleinkünften außerhalb der Bemessungsgrenze insoweit beitragsfrei.