Position

Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ist eine durch den Arbeitgeber organisierte und meist auch finanzierte Form der Krankenversicherung, von der Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren. Seit 2020 würdigt der Gesetzgeber diese ergänzende Vorsorge durch steuerfreie Beiträge.

Fast 2 Millionen Beschäftigte haben eine betriebliche Krankenversicherung

Ende 2023 haben fast 37.000 Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine betriebliche Kranken- oder Pflegeversicherung angeboten. Das sind über 33 Prozent mehr als noch 2022 (27.700). Gezählt werden übrigens nur die Arbeitgeber, die die Beiträge für ihre Mitarbeitenden vollständig tragen. Mit der Zahl der Unternehmen steigt auch die Zahl der Beschäftigten, die von einer solchen Absicherung profitieren, kontinuierlich. Ende 2023 hatten knapp 2 Millionen Personen eine betriebliche Kranken- oder Pflegeversicherung.

Vorteile für Unternehmen

Die Unternehmen zählen das Angebot einer zusätzlichen Gesundheitsvorsorge zu den wichtigsten Zusatzleistungen für ihre Angestellten. Und auch den Arbeitnehmern ist diese Form der Absicherung gegen Krankheitsrisiken oft wichtiger als andere Vergünstigungen des Arbeitgebers. Laut einer Umfrage vom November 2023 ist für rund 45 Prozent der Befragen eine bKV wichtiger als andere Firmen-Extras wie etwa Tickets für den Personennahverkehr oder Mobiltelefonen. Demnach ist die betriebliche Krankenversicherung sogar jedem vierten Arbeitnehmer wichtiger als eine Gehaltserhöhung. Besonders hoch ist die Zustimmung in der Gruppe der 18-29-Jährigen.

Damit wird die betriebliche Krankenversicherung ein zunehmend wichtigeres Instrument gegen den Fachkräftemangel. Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen gibt an, offene Stellen nicht mehr besetzten zu können (DIHK-Umfrage 2022). Und die Situation wird sich durch die Alterung der Bevölkerung weiter verschärfen: Laut Vorausberechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bereits in den kommenden zehn Jahren um 3,9 Millionen sinken. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, qualifizierte Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden.

Das Wachstum bei der betrieblichen Krankenzusatzversicherung zeigt die Bereitschaft der Arbeitgeber, sich für die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu engagieren. Es ist aber auch Ausdruck für den immer stärker werdenden Wettbewerb um Fachkräfte.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) , Handelsblatt vom 9. Januar 2020

Stimmen aus der Praxis

Denn vor diesem gesamtwirtschaftlichen Hintergrund gewinnen neben der Bindung und Motivation der Mitarbeitenden die Gesunderhaltung und Genesung Erkrankter für Arbeitgeber zunehmend an Bedeutung, genau wie das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit sollte die betriebliche Krankenversicherung (bKV) ein Teil einer vorausschauenden, aktiven Personalpolitik sein.

Wie gut das in der Praxis funktionieren kann, und zwar in ganz unterschiedlichen Betrieben, zeigen die Gespräche mit den Beteiligten. Wir haben die verschiedenen „Profiteure" der bKV befragt wie Dachdeckermeister Michael Schneider.

Michael Schneider: Die Mitarbeiter wissen die Leistungen zu schätzen

Herr Schneider, wie lange gibt es Ihr Unternehmen und was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte?

Unser Unternehmen wurde am 25. Mai 1925 gegründet. Wir nähern uns also dem 100-jährigen Bestehen. Unsere Schwerpunkte sind Dachdeckerarbeiten speziell im Flachdachbereich und der Bau von vorgehängten und hinterlüfteten Fassaden. Derzeit sind wir 85 Mitarbeiter – allein in den letzten 10 Jahren sind wir um rund 30 Personen gewachsen. Es ist eine schöne, aber auch eine anstrengende und körperlich beanspruchende Arbeit.

Inwiefern?

Die Mitarbeiter müssen draußen arbeiten – bei Hitze im Sommer und Kälte im Winter – und letztlich ist man viel unterwegs. Die Baustellen sind ja nicht immer heimatnah. Und natürlich wird man bei der Arbeit auch schmutzig. Das ist was anderes, als ein Bankkaufmann erlebt. Damit sind wir als Arbeitgeber nicht per se super interessant und müssen uns auf andere Weise attraktiv machen, damit die Mitarbeiter gerne bei uns arbeiten und im Unternehmen bleiben.

Deswegen bieten Sie die betriebliche Krankenversicherung an?

Wir haben einen ganzen Strauß an Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung. Davon ist die betriebliche Krankenversicherung ein wichtiger Bestandteil. Sie bietet zum einen die Möglichkeit, im Krankenhaus ein Zweibettzimmer auf der Wahlleistungsstation in Anspruch nehmen zu können. Zum andern können über einen Dienstleister schnell Termine beim Facharzt organisiert werden.

Rechnet sich das für Sie als Unternehmer?

Auf jeden Fall. Erstens deswegen, weil das Angebot eben eine hohe Wertigkeit für die Mitarbeiter hat. Der zweite Grund sind kürzere Ausfallzeiten durch die schnellere Organisation von Facharztterminen. Das ist für mich sehr wichtig. Wer krank ist oder verletzt, der will ja, dass die Heilung beginnt.

Wie reagieren denn die Mitarbeiter auf dieses Angebot?

Sehr positiv, nachdem ihnen klar wurde, dass Sie dafür nichts zusätzlich bezahlen müssen. Vor allem bei den Mitarbeitern, die schon länger im Unternehmen sind, merke ich, dass sie die Leistungen zu schätzen wissen und gerne darauf zurückgreifen.

Weitere Interviews

  • Für Maike Theine, Personalmanagerin beim Mittelständler GKN Powder Metallurgy, ist die betriebliche Krankenversicherung mittlerweile ein etabliertes System. Ihr Mitarbeiter Christoph Adler berichtet über die positiven Erfahrungen, die er bereits mit diesem Angebot gemacht hat. Zum Interview
  • Warum eine betriebliche Krankenversicherung auch für kleinere Unternehmen funktioniert, erklärt Holger Eich, Geschäftsführer im PKV-Verband. Zum Interview

Übrigens: Häufig können sich auch die Angehörigen der Mitarbeitenden über die bKV versichern. Selbst wenn für einen Arbeitnehmer selbst also eine betriebliche Krankenversicherung nicht in Frage kommt, könnte sie für den Ehepartner und/oder die Kinder von Interesse sein.

Wie funktioniert die bKV?

Die bKV kann aus „Bausteinen“ entsprechend den Wünschen und Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammengesetzt werden. Sie versteht sich als Ergänzung zur Gesetzlichen Krankenversicherung und soll Gesundheitsleistungen abdecken, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht oder nur zum Teil bezahlen wie beispielsweise Zahnzusatzversicherungen, Wahlleistungen im Krankenhaus, aber auch Auslandsreisekranken-, Krankentagegeld- oder Pflegezusatzversicherungen. Sie hilft also, bei den gesetzlich Versicherten Lücken in der Versorgung zu schließen.

Das Angebot der bKV kann durchaus günstiger sein als bereits bestehender Versicherungsschutz. Entscheidend ist für Arbeitnehmer, ob und zu welchen Bedingungen die Leistungen der bKV weiterversichert werden können, wenn sie den Arbeitgeber wechseln, in Rente gehen oder der Arbeitgeber den Rahmenvertrag für die bKV kündigt. Der Neuabschluss eines vergleichbaren Tarifs ist schon wegen des höheren Eintrittsalters immer teurer als der frühere Tarif. Wichtig ist, dass Versicherte darauf achten, Versicherungen nicht „doppelt“ zu zahlen. 

Warum die Krankenversicherungen im Rahmen der bKV auf Gesundheitsprüfungen verzichten können, erklärt Holger Eich, Geschäftsführer im PKV-Verband im Interview.

bKV-Beiträge sind wieder steuerfrei

Seit 2020 sind Zuwendungen von Arbeitgebern für eine betriebliche Krankenversicherung wieder steuer- und sozialabgabenfrei. Durch das Jahressteuergesetz 2019 wurde klargestellt, dass zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, grundsätzlich keine Sachbezüge, sondern Geldleistungen darstellen. Im Übrigen bleibt es hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der bKV bei den Grundsätzen, die der Bundesfinanzhof in seinen Urteilen vom 7. Juni und 4. Juli 2018 (VI R 13/16 und VI R 16/17) zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug fortentwickelt hat.

Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine bKV im Rahmen der Freigrenze für Sachbezüge steuer- und sozialabgabenfrei gewähren kann. Diese Grenze wurde zum 1. Januar 2022 von 44 auf 50 Euro angehoben. Voraussetzung ist, dass die Zuwendung ausschließlich als Versicherungsschutz und nicht als Geldleistung gewährt wird. Wenn das Unternehmen hingegen einen Geldzuschuss mit der Bedingung auszahlt, dass der Arbeitnehmer einen Versicherungsvertrag mit einem Unternehmen schließt, handelt es sich weiterhin um zu versteuernden Barlohn.

Die betriebliche Pflegeversicherung

Was ist die betriebliche Pflegeversicherung?

Die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt im Pflegefall immer nur einen Teil der tatsächlichen Kosten. Die Differenz müssen die Versicherten selbst tragen. So liegt der durchschnittliche Eigenanteil bei Unterbringung in einem Pflegeheim im ersten Jahr bei durchschnittlich knapp 2.600 Euro pro Monat (1. Januar 2024). Die betriebliche Pflegeversicherung (bPV) ist ein effektives Instrument, um die Pflegeversorgung nachhaltig und generationengerecht abzusichern und bietet dabei Vorteile für alle Beteiligten. Mit ihr können weitaus mehr Menschen gegen das Pflegerisiko abgesichert werden, als dies mit individuellen Zusatzversicherungen allein möglich ist.

Im Überblick: Die betriebliche Pflegeversicherung

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Vorreiter CareFlex Chemie mit erfolgreichem Start

Vorreiter für die betriebliche Pflegeversicherung ist die Vereinbarung zwischen dem Bundes-Arbeitgeberverband Chemie e.V. (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Die Tarifpartner haben die arbeitgeberfinanzierte tarifliche Pflegezusatz-Versicherung CareFlex Chemie vereinbart, die am 1. Juli 2021 gestartet ist. Und das mit großem Erfolg: Bereits in den ersten vier Monaten wurden 430.000 Beschäftigte der Branche über die neue Art der Pflegezusatzversicherung abgesichert - und das ohne Gesundheitsprüfung. Dazu zählen fast alle der rund 409.000 tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Viele Arbeitgeber haben zudem ihre außertariflich Beschäftigen mit einbezogen. Durchgeführt wird die Versicherung von einem Konsortium der privaten Krankenversicherungsunternehmen Barmenia und R+V. 

Die Versicherungsleistung beläuft sich im Pflegefall auf 1.000 Euro pro Monat bei stationärer Pflege (in den Pflegegraden 2 bis 5 und 300 Euro pro Monat bei ambulanter Pflege in den Pflegegraden 2 bis 4. Diese Absicherung wird nicht durch die Beschäftigten Mitarbeiter selbst finanziert, sondern durch die Arbeitgeber. Die Mitarbeitenden haben zusätzlich die Möglichkeit, die Pflegevorsorge eigenfinanziert aufzustocken. Zudem können auch nahe Angehörige wie Ehepartner, Kinder oder Eltern abgesichert werden.

Pflege

„Mit CareFlex Chemie geben wir eine tarifpolitische Antwort auf den demografischen Wandel.“

Inteview

Pflege

„CareFlex kann helfen, die Finanzierungslücke im Pflegefall zu schließen.“

Interview

Betriebliche Pflegeversicherung auch ohne Tarifvereinbarung

Unternehmen können ihren Mitarbeitern auch unabhängig von einem Branchentarifvertrag eine betriebliche Pflegezusatzversicherung anbieten. Dies zeigt die Firma Henkel, die seit Anfang 2019 für ihre 9.000 Beschäftigten und Auszubildenden eine betriebliche Pflegezusatzversicherung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Familienversicherung (DFV) anbietet und die Beiträge zur Pflegevorsorge übernimmt.

Viele Angestellte wünschen sich von ihren Arbeitgebern eine betriebliche Pflegeversicherung. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey empfänden 75 Prozent der Befragten dies als eine wertvolle Zuwendung des Arbeitgebers. Und 35 Prozent halten diese Form der Absicherung sogar für wichtiger als eine Gehaltserhöhung.

Steuerfreiheit der betrieblichen Pflegeversicherung

Bisher gibt es weder für die tarifvertraglich vereinbarten noch für die freiwilligen Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Pflegeversicherung eine eigenständige steuerliche Förderung. Die Zuwendungen des Arbeitgebers sind nur im Rahmen der Sachbezugsfreigrenze steuer- und sozialabgabenfrei. Seit dem 1. Januar 2022 beträgt sie 50 Euro. Hier konkurrieren sie mit anderen Zuwendungen des Arbeitgebers. Das Potenzial für weitere steuerfreie Sachbezüge im Rahmen der Pflegevorsorge ist damit eingeschränkt, denn eine Überschreitung der 50-Euro-Sachbezugsfreigrenze führt zum vollständigen Wegfall der Steuerfreiheit.

Um die wichtige Vorsorge für den Pflegefall breiter in der Gesellschaft zu verankern, sollten die Beiträge für eine betriebliche Pflegeversicherung steuer- und sozialabgabenfrei gestellt werden. Als Voraussetzungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit könnte die Politik bestimmte Produktmerkmale definieren, insbesondere

  • die Einbeziehung der tarifgebundenen Belegschaft
  • den Verzicht auf Risikoprüfungen seitens des privaten Krankenversicherers 
  • die Möglichkeit, den Vertrag beim Arbeitgeberwechsel oder Ende des Beschäftigungsverhältnisses individuell weiter fortführen zu können

Obwohl die Pflegevorsorge ein wesentlicher Teil der Altersvorsorge ist, gibt es bislang keine Möglichkeit für Arbeitnehmer, Pflegezusatzversicherungen über eine Entgeltumwandlung sozialabgaben- und steuerfrei zu finanzieren – so wie das im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge möglich ist. Ein entsprechender Fördertatbestand im Rahmen der Entgeltumwandlung wäre ein sinnvoller Hebel, um Arbeitnehmern in jedem Fall einen günstigen Zugang zur Pflegevorsorge zu ermöglichen, auch dann, wenn ihr Arbeitgeber keine betriebliche Pflegeversicherung für sie abgeschlossen hat.