Stellungnahme 16. Februar 2024

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz für ein Medizinforschungsgesetz (MFG)

I. ALLGEMEINE ANMERKUNGEN

Mit dem Medizinforschungsgesetz soll der Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland gestärkt werden. Der PKV-Verband bewertet es positiv, dass die Rahmenbedingungen für Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessert werden sollen. Hierbei muss allerdings auch weiterhin die Patientensicherheit einen zentralen Stellenwert haben. 

Der PKV-Verband begrüßt die vorgesehenen Änderungen im Arzneimittelrabattgesetz. Die Regelungen ermöglichen es, die bei Nacherstattungen entstehenden, zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und die zu viel entrichtete Umsatzsteuer rechtssicher geltend zu machen. 

Die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge stärkt hingegen nicht den Standort Deutschland. Die Maßnahme liefert keinen Beitrag für eine effiziente und nachhaltige Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln und führt zu Mehrausgaben. Verdeckte Rabatte haben hohe bürokratische Aufwände zur Folge. Unabhängig von unterschiedlichen Umsetzungsoptionen besteht ein großes Problem: Selbstzahler, die aufgrund von Selbstbehalten und Beitragsrückerstattungen keine Arzneimittelrechnungen bei ihren privaten Krankenversicherungen und oder Beihilfestellen einreichen, werden immer gegenüber anderen Versicherten benachteiligt sein – allein aufgrund der aufwendigen Prozesse. 

Von der Vertraulichkeit profitieren internationale Pharmakonzerne, die weltweit Preise bilden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Kosten dieser Maßnahme die Selbstzahler und Beihilfeberechtigten tragen sollen, die sich kostenbewusst verhalten und anfallende Rechnungen selbst bezahlen. 

Das derzeitige Verfahren funktioniert unproblematisch: Alle Patientinnen und Patienten erhalten erstattungsbetragsgeregelte Arzneimittel an der Apothekenkasse. Im Regelfall findet keine Nacherstattung statt. Wenn eine solche erforderlich wird, werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf alle erforderlichen Prozesse rechtssicher geregelt. 

Gemäß geltendem Recht ist der öffentlich gelistete Preis die Basis für die Berechnung der Handelsspannen von Großhändlern und Apotheken und für die Umsatzsteuer. Träte an die Stelle des verhandelten Erstattungsbetrages der selbst gewählte Listenpreis, würde dies unmittelbar zu Mehrausgaben für die Kostenträger führen; dies sind auch die Beihilfe und der Steuerzahler. Insgesamt ist nicht erkennbar, wie das Ziel des im Bundeskabinett verabschiedeten Strategiepapiers, Mehrausgaben für das deutsche Gesundheitswesen zu vermeiden, realisiert werden kann.

II. ZU AUSGEWÄHLTEN REGELUNGEN DES GESETZENTWURFS

Zu Art. 1 Nr. 14 Buchstabe b - § 78 Abs. 3a AMG

Vorgeschlagene Regelungen 

Die Regelungen betreffen die Arzneimittelversorgung außerhalb des SGB V. Es wird der Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem vereinbarten oder festgesetzten Erstattungsbetrag bestimmt. Konkret soll die (natürliche oder juristische) Person, die das Arzneimittel erworben hat, vom pharmazeutischen Unternehmer den Ausgleich der Differenz verlangen können. Der GKV-Spitzenverband gibt auf Anfrage Auskunft über Erstattungsbetrag und zu erstattende Preisdifferenz an (natürliche oder juristische) Personen, die den Erwerb des Arzneimittels nachweisen. 

Bewertung

Mit dem Medizinforschungsgesetz soll der Pharmastandort Deutschland gestärkt werden. Die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge leistet dafür keinen Beitrag. Die Maßnahme führt zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand und im Ergebnis zu Mehrausgaben. Insofern wird vorgeschlagen, auf die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge ersatzlos zu verzichten. 

In der PKV ist das Prinzip des Selbstzahlers konstitutiv. Die Rechnungen werden von den Versicherten beglichen und nach Ermessen und ggf. zeitlicher Verzögerung zur Erstattung bei ihrem jeweiligen Unternehmen eingereicht. Hintergrund sind die tariflichen Bedingungen: Bei sofortiger Einreichung der Rechnungen würden tariflich vereinbarte Beitragsrückerstattungen bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen verfallen. Selbstzahler verhalten sich also besonders kostenbewusst. Ihre Benachteiligung zugunsten der pharmazeutischen Industrie ist deshalb grundsätzlich abzulehnen. 

Das vorgesehene Verfahren für Selbstzahler ist nicht zumutbar. Es setzt einen Anreiz, verstärkt Rechnungen zur Erstattung durch das Versicherungsunternehmen einzureichen und erhöht damit die Leistungsausgaben; den Versicherten entgeht der Zugang zu ihren tariflichen Optionen der Beitragsrückerstattung. Das Verfahren ist bürokratisch, und zudem werden die Selbstzahler gezwungen, gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen hochsensible Gesundheitsdaten – nämlich den Bezug des Arzneimittels – offen zu legen. Pharmazeutische Unternehmen unterliegen aber nicht der Schweigepflicht, sie sind Gewerbebetriebe, die häufig global agieren. Der Gesetzentwurf sieht auch keine Vorkehrungen vor, wie mit den Forderungsdaten umgegangen werden soll. Hier liegt ein massives Missbrauchspotential auf Seiten der pharmazeutischen Unternehmen und eine faktische Offenbarungspflicht bei neuen Arzneimitteln, die allein aus einer Regelung im Interesse der pharmazeutischen Industrie erfolgt.

Falls vertrauliche Erstattungsbeträge dennoch eingeführt werden sollen, bedarf es eines wirksamen Prozesses, damit selbstzahlende Privatversicherte/Beihilfeberechtigte die verdeckten Rabatte geltend machen können und nicht zu Gunsten der pharmazeutischen Industrie auf die Geltendmachung verzichten. Die Implementierung eines solchen Prozesses erfordert die Schaffung entsprechender Rechtsgrundlagen 

  • zur Dokumentation der vertraulichen Rabatte durch den GKV-SV in einer Datei, auf die ZESAR Zugriff erhält, 
  • zum Aufdruck eines entsprechenden Hinweises auf der Apotheken-Rechnung und 
  • zur Geltendmachung der vertraulichen Rabatte durch ZESAR. 

Ggf. sollte eine Regelung zur Mindesthöhe der Jahrestherapiekosten vorgesehen werden, um Kleinabrechnungen zu vermeiden. 

Im Einzelnen:

Selbstzahlende Patienten dürfen nicht an den GKV-Spitzenverband und nicht an die pharmazeutischen Hersteller verwiesen werden. Ihnen muss ein funktionierender Prozess angeboten werden, der die bekannten Versorgungs- und Abrechnungswege im Bereich der PKV nutzt. Ein solcher Prozess könnte wie folgt ausgestaltet werden:

Die vertraulichen Erstattungsbeträge/Rabatte werden vom GKV-Spitzenverband unmittelbar in eine Datei eingegeben, auf die ZESAR Zugriff erhält, um bei Einreichung einer Arzneimittelrechnung den enthaltenen verdeckten Rabatt beim pharmazeutischen Unternehmen geltend machen zu können.

Die Datei des GKV-SV müsste folgende Informationen beinhalten:

  • die PZN, 
  • die Artikelbeschreibung, 
  • die Pharma-ID, 
  • die Kennung „rezeptpflichtig“, 
  • die Artikelgruppe, 
  • den vertraulichen Erstattungsbetrag, 
  • die Rabatte nach § 130a SGB V, 
  • die Zuschläge/Marge, 
  • die Umsatzsteuer, 
  • die Differenz zum Apothekenverkaufspreis, 
  • die Differenz aller Rabattarten nach § 130a SGB V zum Apothekenverkaufspreis, 
  • die Differenz der Zuschläge (Marge) zum Apothekenverkaufspreis, 
  • die Differenz der Umsatzsteuer zum Apothekenverkaufspreis und 
  • die Angabe der Gültigkeit „von … bis“ 

Die Datei müsste im 14-tägigen Turnus aktualisiert werden. Die Einreichung der Verordnungen kann auch zeitverzögert erfolgen und ist nicht an das Bezugsjahr gebunden.

Für die Selbstzahler, die keine Erstattung erzielen wollen, muss sofort am Apothekentresen erkennbar sein, dass ein anderer Prozess als regulär erforderlich ist, um Überzahlungen zu vermeiden. Bei der Arzneimittelabgabe in der Apotheke sollte daher auf die Apothekenquittung zur jeweiligen PZN ein Hinweis aufgedruckt werden, wenn ein vertraulicher Erstattungsbetrag vereinbart wurde. Durch diesen Hinweis wird der Selbstzahler, der keine Kostenerstattung wünscht, in die Lage versetzt, von vornherein nur diejenigen Rezepte zur Rabatt-Geltendmachung bei seinem Versicherungsunternehmen einzureichen, die einen vertraulichen Erstattungsbetrag beinhalten. 

Falls die Apotheken keinen gesicherten Zugang zur Information „Vertraulicher Preis je PZN (ja/nein)“ über die ABDA haben, muss es der PKV gestattet sein, eine Online-Plattform und/oder eine App-Anwendungen für die Privatversicherten zur Verfügung zu stellen. Der Erstattungspreis kann dabei vertraulich bleiben und muss nicht veröffentlicht werden.

Die Einreichung der betroffenen Rezepte der Selbstzahler erfolgt auf dem bekannten Wege, d.h. beim privaten Krankenversicherer oder der Beihilfestelle. In den Versicherungsunternehmen muss neben dem normalen Einreichungs-/Erstattungsprozess ein davon getrennter Prozess zur Geltendmachung der Überzahlungen durch vertrauliche Erstattungsbeträge geschaffen werden. 

Die Kostenträger geben die Rezepte an ZESAR weiter. ZESAR macht die Rabatte unter Nutzung der o.g. Datei bei den pharmazeutischen Unternehmen geltend und leitet die Rabatte an die Kostenträger, die ihrerseits die Rabatte an die Selbstzahler auszahlen oder verrechnen.

Um zu vermeiden, dass eine Vielzahl von Kleinbetrags-Abrechnungen erforderlich werden, kann ggf. vorgesehen werden, dass vertrauliche Erstattungsbeträge erst ab einer bestimmten Höhe der Jahrestherapiekosten von den pharmazeutischen Unternehmen genutzt werden können. Dies sollte auch im Bereich der GKV so vorgesehen werden. 

 

Zu Art. 4 Nr. 1 - § 1a AMRabG

Vorgeschlagene Regelungen 

Es wird klargestellt, dass der Ausgleich der Preisdifferenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem geltenden Erstattungsbetrag auch die zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und die zu viel entrichtete Umsatzsteuer umfasst.

Bewertung

Die vorgeschlagenen Änderungen sind zu begrüßen. Sie ermöglichen es, die bei Nacherstattungen gem. geltendem Recht entstehenden, zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und die zu viel entrichtete Umsatzsteuer rechtssicher geltend zu machen. 

Zu Art. 5 Nr. 3 Buchstabe b - § 130b Abs. 1 S. 6 SGB V  

Vorgeschlagene Regelungen 

Die Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer, dem GKV-Spitzenverband für den Zweck der Verhandlung des Erstattungsbetrags die Höhe der tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern zu übermitteln, wird aufgehoben.

Bewertung

Durch den Wegfall des wichtigen Preisfindungskriteriums für Arzneimittel mit Zusatznutzen fehlt eine wichtige Verhandlungskomponente in den § 130b-Verhandlungen. In Folge könnten höhere Erstattungsbeträge resultieren. Auf die vorgeschlagene Regelung sollte daher ersatzlos verzichtet werden. 

Zu Art. 5 Nr. 3 Buchstabe e - § 130b Abs. 4a SGB V 

Vorgeschlagene Regelungen 

Es werden Vorgaben für den Ausgleichsanspruch der Krankenkassen bestimmt. Der pharmazeutische Unternehmer meldet den vereinbarten oder festgesetzten Erstattungsbetrag unverzüglich an alle Krankenkassen und ZESAR. ZESAR führt das Verfahren zum Ausgleich der Differenz zwischen Erstattungsbetrag und Abgabepreis für die PKV-Unternehmen und Beihilfeträger gegenüber pharmazeutischen Unternehmen durch. 

Bewertung

Das Konzept vertraulicher Erstattungsbeträge und damit verdeckter Rabatte liefert keinen Beitrag für eine effiziente und nachhaltige Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Es ist zu bezweifeln, dass sich durch die mögliche Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages, langanhaltende Effekte bezüglich möglicher Marktzugänge in Deutschland ergeben. 

Es wird vorgeschlagen, auf die Regelung ersatzlos zu verzichten.