Interview

ePA, E-Rezept, E-Rechnung, eAU: Immer mehr Gesundheitsservices
werden digitalisiert. Welchen Nutzen Kunden und Versicherer davon
haben, erläutert PKV-Geschäftsführer Christian Hälker.

24.06.2021

Christian Hälker, Geschäftsführer Zentrale Dienste im PKV-Verband

Herr Hälker, die Digitalisierung des Gesundheitswesens hat spürbar Fahrt aufgenommen. Die ersten privaten Krankenversicherer bereiten die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezepts zum 1. Januar 2022 vor. Für Sie ein Meilenstein?

Das kann man so sagen, ja. Die ePA ist so etwas wie das Herzstück aller digitalen Anwendungen im Gesundheitsbereich. Sofern es die Versicherten möchten, können sie ihre Gesundheitsdaten und -dokumente hier speichern und dadurch zu einer besseren Versorgung beitragen. Das elektronische Rezept wird die Prozesse in der Versorgung grundlegend ändern: Fehlabgaben von Arzneimitteln werden reduziert und insbesondere der Komfort für Versicherte erhöht. Darüber hinaus werden sich zukünftig hieraus Mehrwertdienste wie eine automatische Prüfung von Unverträglichkeiten zwischen Arzneimitteln für die Versicherten ergeben.

Gesetzlich Krankenversicherte profitieren schon jetzt von der ePA. Warum steigt die PKV erst 2022 ein?

Die gegenwärtige Phase dient dazu, die Leistungsfähigkeit der ePA sicherzustellen, bevor sie bundesweit die Teilnehmer des deutschen Gesundheitswesens miteinander vernetzt. Es zeigt sich, dass noch einige Kinderkrankheiten behoben werden. Außerdem enthält die ePA zum jetzigen Zeitpunkt lediglich Basisfunktionen, die peu à peu erweitert werden. Die PKV steigt also direkt mit einer ePA 2.0 ein, die Kritikpunkte des Bundesdatenschützers abstellt und die den Versicherten wirkliche Mehrwerte wie den Impfpass und das zahnärztliche Bonusheft in digitaler Form bietet. Dann wird auch die Akzeptanz der ePA steigen.

Was ist bis dahin in den PKV-Unternehmen zu tun?

Voraussetzung für die Teilnahme an der Telematikinfrastruktur und damit für die Einführung der ePA ist die Vergabe einer Krankenversichertennummer an jeden Versicherten. Das gab es in der PKV bisher nicht. Dafür ist jedoch eine Rentenversicherungsnummer nötig, über die nicht jeder Privatversicherte verfügt. Die Deutsche Rentenversicherung hat uns mitgeteilt, dass sie die Rentenversicherungsnummern erst zum 1. Januar 2022 vergeben kann – das heißt, wir werden dann zeitnah die Krankenversichertennummer vergeben können.

Unterstützt der Verband die Unternehmen dabei?

Ja. Wir bieten unseren Mitgliedern ab Oktober den Service unseres PKV-Konnektors an: Darüber lassen sich automatisiert die Rentenversicherungsnummern abrufen, um letztlich die Krankenversichertennummer zu erstellen. Diesen digitalen Prozess haben wir für die Unternehmen also komfortabel gestaltet. Einen anderen zentralen Prozess versuchen wir derzeit im Sinne der PKV-Unternehmen zu gestalten.

Worum handelt es sich?

Um die elektronische Gesundheitskarte, die im GKV-Bereich Voraussetzung für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur und für die Nutzung von Fachdiensten wie der ePA und dem E-Rezept ist. Einige PKV-Unternehmen, die Anfang 2022 die TI für ihre Versicherten nutzen möchten, müssen wahrscheinlich eine eGK ausgeben. Wir arbeiten jedoch derzeit daran, eine Lösung zu finden, die die elektronische Gesundheitskarte ersetzt. Denn perspektivisch ist es für die Versicherten komfortabler und im Notfall einfacher, keine Karte bei sich tragen zu müssen – sondern über das Smartphone auf die Telematikinfrastruktur und die Fachdienste zugreifen zu können.

Wie kann das funktionieren?

Auf der eGK sind Zertifikate gespeichert, die den Zugang auf die Telematikinfrastruktur ermöglichen. Man kann diese Zertifikate aber auch elektronisch darstellen. Mit einer Lösung über das Smartphone könnten Versicherte zum Beispiel ihre elektronische Patientenakte aufrufen. Im Augenblick unterstützt die ePA diese digitalen Identitäten aber noch nicht. Daher arbeiten wir an diesem Projekt gemeinsam mit der gematik und Technologie-Unternehmen. Der Gesetzgeber sieht vor, dass die private im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung auch ausschließlich digitale Identitäten ausgeben kann. Wir haben als PKV gewisse Freiheiten – da können und wollen wir innovativ sein.

Innovativ sein kann aber auch bedeuten, dass Unternehmen unterschiedlich agieren. Würden Sie sich mehr einheitliche Lösungen für alle privaten Krankenversicherer wünschen?

Hinsichtlich der Produkte zählen der individuelle Schutz und die individuellen Leistungen zu unseren Stärken. Die Kunden können wählen, welche Angebote ihren Bedürfnissen am meisten entsprechen. Im Bereich IT ist die Zusammenarbeit aber sehr sinnvoll. Gemeinsam streben wir für die Branche geeignete Lösungen an und können Kosten sparen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmen ganz verschieden aufgestellt sind: Viele denken nicht nur in Krankenversicherung, sie haben noch Sparten wie Leben- oder Sachversicherung, mit denen sie eine gemeinsame IT teilen. Manche definieren sich als reine Kostenerstatter, andere wollen ihre Versicherten stärker durch das Gesundheitssystem lotsen.

Inwiefern?

Sie bieten zum Beispiel eigene Versorgungsprogramme oder Informationen zu speziellen Therapien an, wenn sie aufgrund ihrer Daten erkennen, dass eine Kundin oder ein Kunde davon profitieren könnte. Die Unternehmen wollen, dass ihre Versicherten die beste Versorgung bekommen.

Gilt das auch für digitale Gesundheitsanwendungen, die sogenannten DiGAs?

Auch hier agieren die PKV-Unternehmen unterschiedlich. Manche bieten proaktiv Apps bei bestimmten Krankheitsbildern an – und bereits länger, als es die gesetzlichen Krankenkassen seit Herbst 2020 mit den Anwendungen im DiGA-Verzeichnis tun. Grundsätzlich hängt eine Erstattung immer vom Unternehmen und dem individuellen Tarif ab. Das macht das Ganze sicher nicht einfacher – aber es lohnt sich immer, mit der Versicherung ins Gespräch zu kommen. Und wir können sagen: In den meisten Fällen zahlen wir mindestens das, was die GKV übernimmt. Ein Problem besteht eher darin, Innovationen in bestehende Tarife zu integrieren. Dazu wäre eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes nötig, was der Gesetzgeber bisher leider nicht unterstützt hat.

Haben Sie Hoffnung, dass sich das in der neuen Legislaturperiode ändert?

Das hängt vom Parteibuch der Personen ab, die dann in der Verantwortung sind. Wir hoffen sehr, dass das jetzige Tempo der Digitalisierung im Gesundheitswesen auch nach der Bundestagswahl erhalten bleibt – versuchen aber auch, alle Themen, die für uns relevant sind, noch vor der Wahl zu platzieren.

Zum Beispiel?

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Ab Oktober dieses Jahres müssen Vertragsärzte die AU-Daten digital an die gesetzlichen Krankenkassen übermitteln. Unsere Prozesse unterscheiden sich von denen der GKV dahingehend, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gar nicht notwendigerweise bei der privaten Krankenversicherung eingereicht werden. Dabei kann die frühzeitige Information, dass ein Versicherter erkrankt ist, sehr hilfreich sein: zum Beispiel, um ihn auf ein Versorgungsprogramm aufmerksam zu machen. Daher sind wir daran interessiert, auch unseren Versicherten möglichst bald die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzubieten. Ein weiteres wichtiges Thema für uns ist die E-Rechnung für Privatversicherte.

Wie läuft sie ab?

Der eigentliche Prozess bleibt wie er ist – wird aber digital und dadurch deutlich komfortabler. Der Versicherte bekommt die Rechnung also auf digitalem Weg aus dem Praxisverwaltungssystem seiner Ärztin oder seines Arztes, und reicht sie bei seiner Versicherung ein. Diese erstattet ihm die Leistungen – und zwar in den meisten Fällen schneller als bisher, da Rechnungen nicht mehr eingescannt werden müssen und Datensätze bereits strukturiert sind.

PKV-Rechenschaftsbericht 2020/21

Das Interview mit Christian Hälker stammt aus dem PKV-Rechenschaftsbericht 2020/21