Pflege generationengerecht und nachhaltig finanzieren
Entlastung und eine generationengerechte Finanzierung der Pflegeversicherung: Beides werde mit der Reform nicht erreicht. Nicole Westig kritisierte, dass Bedürftige nach der neuen Staffelung der Leistungszuschläge erst im dritten Jahr bei einer Unterbringung im Heim spürbar entlastet würden. Die durchschnittliche Verweildauer im Pflegeheim liege allerdings bei unter zwei Jahren. Somit profitierten die meisten Betroffenen gar nicht von den neuen Regelungen. Kordula Schulz-Asche bestätigte das. Sie sieht ebenfalls keine merkliche Senkung der Eigenanteile durch die Reform erreicht.
Anlass zur Sorge bereitet die Finanzierung: Der demografische Wandel bringt das Umlageverfahren in der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) an seine Grenzen. Wenn in den kommenden Jahren die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht, droht eine Kostenexplosion. Florian Reuther verwies auf eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP). Dieses hat die Folgekosten der Reform durchgerechnet. Das Ergebnis: Wolle die Bundesregierung die Beiträge stabil und die Sozialabgabenquote insgesamt unter 40 Prozent halten, werde der Steuerzuschuss zur SPV von einer Milliarde Euro schon in den kommenden Jahren bei weitem nicht mehr ausreichen. Bereits 2030 sei ein Steuerzuschuss von jährlich zehn Milliarden Euro notwendig, so Reuther. Dass das Umlageverfahren die künftige Finanzierung der Pflege aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr sichern kann, sieht auch Nicole Westig so. Es brauche, so der Vorschlag der FDP, ein 3-Säulen-Modell aus Umlageverfahren, privater und betrieblicher Vorsorge, um auch nachfolgenden Generationen eine gute und bezahlbare Pflege bieten zu können.
Eine ideale Ergänzung: Betriebliche Pflegezusatzvorsorge
Wie so ein betriebliches Vorsorgemodell aussehen kann, erläuterte Frank Girolstein von der R + V Versicherung. Am 1. Juli 2021 startet die erste tarifliche Pflegezusatzversicherung „Care Flex Chemie“. Dann erhalten über 400.000 Tarifbeschäftigte der Chemiebranche eine betriebliche Zusatzversicherung für den Pflegefall. Diese ist komplett arbeitgeberfinanziert und leistet bis zu 1.000 Euro im Pflegefall. Geeinigt haben sich darauf die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und der Arbeitgeberverband Chemie (BAVC) in der vergangenen Tarifrunde.
Die Förderung privater und betrieblicher Vorsorgelösungen ist aus den aktuell beschlossenen Neuregelungen gestrichen worden. Dabei zeigt das Beispiel CareFlex Chemie, dass Pflege zukunftssicher für alle Jahrgänge finanziert werden kann, ohne kommenden Generationen gewaltige Hypotheken aufzubürden. Die kommende Bundesregierung wird grundlegende und faire Lösungen für alle Generationen finden müssen, so Reuther abschließend. In Ruhe und ohne Schnellschüsse.