30.05.2017
Eine internationale Studie der University of Washington in Seattle, die im Mai im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde, hat die medizinische Versorgung in 195 Ländern untersucht (Link). Deutschland landete dabei nur auf Platz 20. Die Aussagefähigkeit der Studie ist allerdings stark begrenzt und hat methodische Schwächen.
Das Autorenteam unter Leitung der University of Washington, Seattle weist selbst auf diverse Limitationen in ihrer Studie hin. Insbesondere die Methodik kann in Frage gestellt werden, da sich die Entwicklung des maßgeblichen Indikators „HAQ“ (auf dessen Basis das Länder-Ranking erfolgte) nicht vollständig erschließt. Zudem sind die Grundlagen der Vergleiche in den einzelnen Erkrankungen nicht klar. Krankheiten, die unbehandelt nicht tödlich enden, etwa viele chronische Erkrankungen, werden gar nicht einbezogen. Auch gilt zu berücksichtigen, dass Qualität und Aktualität von internationalen Gesundheitsdaten erfahrungsgemäß eher schlecht sind (insbesondere in Nicht-Industriestaaten). Grundlage der Lancet-Studie sind die Daten des „Global Burden of Disease“ Projektes der WHO. Die Daten beruhen auf einer Selbstauskunft der teilnehmenden Länder sowie Schätzungen und liegen oft nur in mangelhafter Qualität vor. Darüber hinaus gibt es methodisch noch weitere unklare Aspekte.
Wie alle Qualitätsindikatoren, versucht auch der neu erfundene „HAQ-Index“, die Komplexität der Realität auf eine einzelne Größe zu reduzieren. Diese grundsätzliche Stärke von Qualitätsindikatoren ist zugleich auch ihre Schwäche. Ob jemand an einer bestimmten Erkrankung verstirbt, die durch eine rechtzeitige Therapie hätte geheilt werden können, ist nicht nur dem Gesundheitssystem anzulasten, sondern u.a. einer unterschiedliche Verteilung von Risikofaktoren in den Ländern (genetische Disposition, Alkoholkonsum, Übergewicht, Umweltverschmutzung) , die die Lancet-Studie nicht einbezieht.
Auch ein Blick auf die Ergebnisse der Lancet-Studie macht skeptisch:
Die Entwicklung eines neuen Qualitätsindikators ist sicher von wissenschaftlichem Interesse. Daraus jedoch abzuleiten, dass die Qualität des deutschen Gesundheitssystems schlechter als die des griechischen sei, ist nicht haltbar.
Die Ergebnisse der aktuellen WIP-Studie zum Zugang zu Gesundheitsversorgung (Link) bleiben von der Lancet-Studie unberührt, da ihren eine ganz andere Fragestellung und Methodik zu Grunde liegt. Das WIP belegt auf Basis eines umfassenden Quellenstudiums, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich vorbildlich ist.